Andreas, Beate und Christian feiern ihre Zusammenarbeit oder: Die ABC-Koalition gegen die Lohnabhängigen, Migrant*innen, Frauen und die Jugend

Die neue österreichische Koalitionsregierung, bestehend aus der ÖVP, SPÖ und NEOS, hat sich am 7.3.2025 im Parlament vorgestellt. Die Regierung präsentierte ein 211-seitiges Arbeitsprogramm mit dem Motto „Jetzt das Richtige tun“. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) betonten in ihren Reden die Bedeutung von Konsens, Kompromiss und einer Regierung der Mitte, die sich den traditionellen österreichischen Werten verpflichtet fühlt.

Diese Koalition dient jedoch vor allem der Stabilisierung des kapitalistischen Systems und der Sicherung der Interessen der herrschenden Klasse. Die geplanten Maßnahmen bleiben innerhalb des wirtschaftsliberalen Rahmens und können daher die strukturellen Probleme wie soziale Ungleichheit, Ausbeutung, Rassismus und die Folgen der Integration in den kapitalistischen Weltmarkt nicht lösen. 

Stocker und Babler haben einen Kompromiss gefunden – wer freut sich darüber?

Stocker hob die „historisch schwierigen Verhandlungen“ hervor, betonte aber den erfolgreichen Abschluss einer „breiten Koalition“. Er verwies auf die Stärke Österreichs, „in Krisenzeiten auf Konsens“ zu setzen, und nannte historische Beispiele wie die Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ beim EU-Beitritt. Stocker beschwor in seiner Antrittsrede Rechtsstaatlichkeit, Neutralität und Sozialpartnerschaft. Danach folgten vage Ankündigungen bezüglich Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung, Sicherheit, Wirtschaftsförderung, Familienunterstützung und Klimaschutz.

Neo-Vizekanzler und SPÖ-Vorsitzender Babler betonte einmal mehr den „konstruktiven Kompromiss“ und die Notwendigkeit, die Wirtschaft anzukurbeln. „Konstruktiver Kompromiss“ – das heißt Kapitulation vor den Forderungen der ÖVP, die im wirtschaftspolitischen und sozialen Bereich weitgehend jenen der NEOS entsprechen und im Prinzip auch zwischen ÖVP und FPÖ außer Streit standen, wenngleich die Sprache – Herbert Kickl sei Dank! – ungleich rabiater war. 

Babler kritisierte Krisengewinner wie „Banken und Energieriesen“, die sich bisher aus der Verantwortung gestohlen hätten, und versprach, diese stärker zur Kasse zu bitten. Die SPÖ setze sich für soziale Maßnahmen wie ein zweites kostenloses Kindergartenjahr, leistbares Wohnen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik ein. Das war wohl in Richtung der SPÖ-Basis gesprochen, blieb aber wie so vieles in Bablers Rede nebulos. 

Die Extragewinne im Finanz- und Energiesektor stehen außer Streit – notwendig wäre hier die Offenlegung der Geschäftsbücher unter Arbeiter*innenkontrolle und sofortige Rückzahlungen überhöhter Gebühren und Kreditraten an die Konsument*innen. Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr ist im Kontext der „Leitkulturoffensive“ der Bourgeoisie zu sehen und richtet sich primär gegen migrantische Familien. Schon jetzt gibt es im Bereich der Kindergartenpädagogik enormen Personalmangel und immer größere Gruppen in den Kindergärten. Wie plötzlich ein zweites Kindergartenjahr verpflichtend möglich sein soll, wird stillschweigend ausgeblendet. Statt die Arbeitsbedingungen für das padägogische Personal zu verbessern, die Berufsausbildung praxisorientiert zu gestalten und generell ein Konzept für die Arbeit mit den Kindern zu entwickeln, wird heiße Luft produziert. 

Auch die „aktive Arbeitsmarktpolitik“ unter sozialdemokratischer Federführung lässt sich nicht gerade begeisternd an. Die Bildungskarenz wird gleich einmal gestrichen, womit einer seit einigen Jahren lauter werdenden Kritik von Teilen der Wirtschaftskammer an der Maßnahme Rechnung getragen wird. In Anbetracht des „vorherrschenden Arbeitskräftemangels“ wurden zuletzt Stimmen aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund laut, die Bildungskarenz als „Überförderung“ abzuschaffen. Während der Wirtschaftskrise ab 2007/08 klang das noch anders – da wurden Angestellte in der Bildungskarenz auf Kosten der Steuerzahler*innen „zwischengeparkt“, um die Unternehmen zu entlasten (keine Abfertigungszahlungen) …

Das Wochenmagazin „profil“ informiert dazu: „Während 2010 rund 6500 Menschen eine Bildungskarenz beantragen, zählte das Arbeitsmarktservice (AMS) 2023 über 22.000 bewilligte Anträge. Auffallend ist: 16.350 Anträge wurden von Frauen zwischen 25 und 45 Jahren gestellt, die größte Bezugsgruppe des Programms“. Zufall, dass Frauen die ersten Opfer dieser Sparmaßnahme sind?

Meinl-Reisinger übt für die Rolle der „Eisernen Lady“

Außenministerin und NEOS-Vorsitzende Meinl-Reisinger betonte die Notwendigkeit eines “entschlossenen Konsolidierungskurses”, um das Budget zu sanieren, und nannte Bildung als „zentrale Ressource für die Zukunft“.  Die offizielle Parlamentskorrespondenz fasst ihre Kernaussage so zusammen: „Erfreut zeigte sie sich darüber, dass zwei Drittel des Sanierungspakets auf ausgabenseitigen bzw. strukturellen Reformen basiere. Ein wesentlicher Bestandteil sei daher die Einführung eines Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen.“

In einem eigenen Artikel werden wir uns mit dem wirklichen Herzensanliegen von Frau Meinl-Reisinger und ihren Koalitionspartnern beschäftigen – der beschleunigten Militarisierung. Ja, Militarisierung. Nicht nur die Aufrüstung des Bundesheeres, die Anfütterung der Unteroffiziere und Offiziere, auch die Ankündigung einer Propagandaoffensive für das Militär in Schulen und Medien. 

Das Regierungsprogramm räumt diesem Thema breiten Raum ein – und unterstreicht wiederholt die Bereitschaft der neuen Koalitionsregierung, sich für die Vertiefung der Einbindung Österreichs in die “NATO Partnerschaft für den Frieden” (sic) und die “gemeinsame Verteidigungspolitik” der EU stark zu machen. Angesichts der zunehmend aggressiven Haltung des US-Imperialismus gegen seine einstigen europäischen Verbündeten, die immer offener wie Vasallen behandelt werden, wollen ja die mächtigsten Staaten in der EU alle Mitgliedsstaaten zur massiven Erhöhung der Rüstungsausgaben zwingen. Das kann für eine Regierung, die sich offen der “ausgabenseitigen” Sparpolitik verschrieben hat, nur dann funktionieren, wenn noch sch#rfere Angriffe im Sozialbereich erfolgen.

Die Betonung von „Konsens“ und „Kompromiss“ durch die Regierungsparteien verschleiert die Tatsache, dass diese Koalition primär die Interessen der herrschenden Klasse vertritt. Die SPÖ, die traditionell als Vertreterin der Arbeiterklasse gilt, hat sich in dieser Koalition den wirtschaftsliberalen Agenden der ÖVP und NEOS sowie grundsätzlich derer reaktionären Gesellschaftsvorstellungen („Werte“, Kultur…) untergeordnet. 

Die Sozialpartnerschaft, die von Stocker als Stärke Österreichs hervorgehoben wird, ist in Wirklichkeit ein Instrument zur Verschleierung des Klassenkampfs, der real stattfindet – allerdings einseitig von den Kapitalist*innen gegen die Lohnabhängigen. Sie dient dazu, die Interessen der Arbeiterklasse in institutionalisierte Bahnen zu lenken und radikale Forderungen mit Hilfe der ins kapitalistische System integrierten Gewerkschaftsbürokrat*innen zu neutralisieren. 

Wir werden uns in den nächsten Tagen ausführlich mit den verschiedenen Aspekten des Regierungsprogramms auseinandersetzen.

Wenn Du Interesse hast, mit uns zu diskutieren, wie sich die Arbeiter*innen gegen die bevorstehenden Angriffe verteidigen können, kontaktiere uns: gruppeklassenkampf@tutanota.com