Interview mit Michail, einem Studenten aus der Ukraine

Wir veröffentlichen im Folgenden ein Interview mit einem ukrainischen Genossen, der zur Zeit in Wien studiert. Michail stammt aus Kyiv.
Wir finden es wichtig, dass einmal nicht abstrakt „über“ die Ukraine diskutiert wird, sondern konkret mit einem jungen Ukrainer darüber, wie er die Situation als Migrant in Österreich erlebt und wie er die Situation in seinem Herkunftsland einschätzt. Das Interview spiegelt daher die Meinung des Genossen und nicht die der Gruppe KLASSENKAMPF wider.
Wir werden in den kommenden Wochen in einem eigenen Artikel auf jene Punkte eingehen, in denen wir Differenzen mit dem Genossen haben.

Die Redaktion

Frage: Michail, kannst Du uns etwas über die Situation der ukrainischen Migrant*innen in Österreich erzählen?

Antwort: Wenn man der ZIB vom 12. November glaubt, hat Österreich eine “Migrationskrise”: „14,8 Prozent der Wiener Volksschulkinder haben so schlechte Deutschkenntnisse, dass sie dem Unterricht nicht folgen können“. Niemand in Österreich weiß, wie man Migrant*innen, am besten kostenlos, in das Leben in Österreich integrieren könnte. Ich verstehe nicht alle Aspekte der Asylproblematik, aber ich kann die Probleme der Ukrainer*innen hier beschreiben. Da Österreich ausnahmslos alle Ukrainer*innen aufnimmt, hatten unsere Oligarchen (so heißen die reichste Ukrainer) zwei Hauptfluchtziele – Monaco und Wien. Aber zudem gibt es zur Zeit in Österreich rund 80.000 ukrainische Geflüchtete.

Wir bekommen monatlich 220 Euro für das Essen, 150 Euro für die Miete (wenn wir die Wohnung mieten) und 40 Euro für andere Ausgaben. Wenn jemand am Unterkunftsort essen kann, bekommt er monatlich nur 40 Euro. Ukrainer gehören zur Kategorie „Vertriebene“, nicht „Asylwerber*innen“). Wir haben die Wahl: entweder finden wir Arbeit und verhungern nicht, oder wir besuchen Deutschkurse. Das Ergebnis: Die Zukunftsperspektiven vieler Ukrainer*innen werden zunichte gemacht. Zum Beispiel habe ich Ende Sommer 2023 mit einem Ukrainer aus Salzburg gesprochen. Er hatte einen Zulassungsbescheid für die Universität Wien bekommen, hatte aber kein Geld, um nach Wien zu übersiedeln. Eine andere Bekannte aus Salzburg hat ein Jahr in Österreich gewohnt und konnte keine anderen Städte besuchen, weil sie dafür kein Geld hat. Zum Vergleich: in Deutschland erhalten Ukrainer*innen inklusive Miete etwa 900-1000 Euro monatlich).

Der Standard berichtet am 5. September:

Da aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse, geringer Betreuungsangebote und Beschäftigung unter dem Qualifikationsniveau das Einkommen häufig sehr gering ist, stellt sich für viele Vertriebene die Frage, ob mit Aufnahme einer Beschäftigung eine ausreichende Existenzsicherung möglich ist“, heißt es. Die mangelnde Anbindung der Ukraine-Vertriebenen an das AMS sowie die rigiden Zuverdienstregeln in der Grundversorgung würden den Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren, kritisiert auch Lukas Gahleitner-Gertz von der NGO Asylkoordination Österreich – und rechnet vor: Rund 880 Euro pro Monat erhält eine Mutter mit zwei Kindern, die privat untergebracht ist, aus der Grundversorgung. Dazu darf sie monatlich einen Freibetrag von 110 Euro dazuverdienen. Von jedem darüber hinausgehenden Euro bleiben ihr 35 Cent. „Dieses System ist nicht dazu geeignet, Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagt Gahleitner-Gertz dem STANDARD. Man müsste die ukrainischen Vertriebenen endlich in die Sozialhilfe übersiedeln. Dann wären sie verpflichtend ans AMS gebunden und hätten während der Jobsuche mehr finanziellen Spielraum. Warum passiert das nicht? „Wahlkampf“, lautet die Antwort von Gahleitner-Gertz. Schließlich trommelt die ÖVP bereits seit Monaten dafür, eine Wartezeit bis zum Bezug voller Sozialhilfe einzuführen.

Wir Ukrainer*innen sind Europäer*innen, haben also eine ähnliche Kultur wie die österreichische Bevölkerung; sehr viele Erwachsene haben einen Hochschulabschluss. Österreich hat Schwierigkeiten, uns aufzunehmen. Wie wollen FPÖ-ÖVP-NEOS-BIER-GRÜNE- SPÖ-KPÖ dann andere Migrant*innen “integrieren”, wenn sie das schon bei uns nicht schaffen? Ich habe keine Ahnung.

Offenbar ist das Migrationsproblem für die KPÖ nicht vordringlich. Die Lösung ist weitgehend sozialdemokratisch (man muss es dem Kapitalismus recht machen). Zitat:

Gleicher Zugang zum Arbeitsmarkt: Der beste Platz für Integration ist der gemeinsame Arbeitsplatz. Die KPÖ fordert daher die ersatzlose Streichung aller diskriminierenden Bestimmungen beim gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, wie etwa in Form des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Der Ausschluss von Asylwerbern vom regulären Arbeitsmarkt erschwert Integration und Zusammenleben. Gerade Asylwerber, die besonders prekär leben müssen, dürfen nicht zum Lohndumping missbraucht und dadurch mit anderen Kolleg:innen ausgespielt werden. Deshalb schützen gleiche Sozialstandards und Mindestlöhne alle Beschäftigten in Österreich.

Wahlrecht für alle: Ein immer größerer Teil der arbeitenden Bevölkerung darf in Österreich nicht mehr wählen. Die KPÖ fordert daher einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft wie auch das Wahlrecht für alle, die seit mehr als einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben. Alle, die hier sind, sind von hier!

Aber in dem USA haben die Schwarzen schon siebzig Jahre Zugang zum Arbeitsmarkt und sind immer noch diskriminiert. Die KPÖ denkt, dass sich im Kapitalismus allmählich alle Gehaltsunterschiede angleichen und ein “nationales” Lohnniveau entsteht.

Dazu ein historisches Beispiel, das die Fehlerhaftigkeit dieser Position zeigt.

Eine neue Studie widerspricht der bisher verbreiteten Vorstellung, wonach sich Vermögensvorteile im Laufe mehrerer Generationen weitgehend in Luft auflösen.

Zwei Forschungsmitarbeiter der italienischen Nationalbank untersuchten die Verhältnisse in der Renaissancestadt Florenz – und zwar jene von 1427 und jene von 2011. Konkret verglichen sie die für beide Jahre vorhandenen und nun digitalisierten Steuerlisten, die Namen, Beruf, Einkommen und Vermögen festhalten. Das Ergebnis des Vergleichs ist eindeutig: „Die Spitzenverdiener unter den aktuellen Steuerzahlern waren auch vor sechs Jahrhunderten bereits an der Spitze der sozioökonomischen Leiter“ (ORF, 31.05.2016).

F: Welche Auswirkungen hatte die kapitalistische Restauration in der ehemaligen Sowjetunion auf die Ukraine?

A: Für die ukrainischen Massen waren die Folgen der Wiedereinführung des Kapitalismus sehr bitter. Das BIP nach Kaufkraftparität sank von 1.19 Milliarden USD (1990) auf 0,746 Milliarden USD (2021). 1991 betrug die Einwohnerzahl 52 Millionen, 2021 – etwa 42 Millionen.

Westliche, russische und ukrainische Kapitalist*innen konkurrieren um die Ukraine. Die Folge dieses Kampfs um meine Heimat ist der heutige Krieg. Die Konkurrenz wurde während des Präsidentschaftswahlkampfs in der Ukraine 2004 klar. Es gab zwei Kandidaten – den östlich orientierten Wiktor Janukowytsch und den westlich orientierten Wiktor Juschtschenko. 2013 haben in der Ukraine westliche und westlich orientierte Kapitalist*innen gewonnen. Als Reaktion haben sowohl ukrainisch- als auch russischsprachig die Ukrainer*innen 2019 den angeblich neutralen Selenskyj gewählt. Wir hofften, dass Selenskyj die nationalistische Politik von Petro Poroschenko durch eine liberale ersetzen kann und fähig ist, die Korruption zu bekämpfen (die nach Euromaidan nicht nachließ).

F: Seit wann hast Du mit einem Krieg gerechnet?

A: Erste Nachrichten über einen möglichen Krieg zwischen Ukraine und Russland erschienen nach der Genfer Gipfelkonferenz vom 16. Juni 2021 (dort trafen Biden und Putin zusammen). Am 12. Juli schrieb Putin ein Essay „Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern“. Von Herbst 2021 bis Februar 2022 gab es Verhandlungen zwischen der NATO und Russland. Es war klar, dass der Krieg bald kommt. Am Abend des 23. Februar habe ich alle meine Freunde vor dem Krieg gewarnt. Am 24. Februar war ich in Kyiv. Am Abend war die ganze Stadt in den Bunkern…

F: Die russische Propaganda berichtete über das „ukrainische nazistisches Regime“ und beklagte, dass die Russen unterdrückt worden sind. Stimmst Du dieser Meinung zu?

Vor dem Krieg gab es natürlich kein nazistisches Regime in der Ukraine. Umgekehrt, auf Grund der wirtschaftlichen Krise war die Regierung sehr schwach und konnte für Russland keine Bedrohung darstellen. Es gab ab 2014 und 2019 etliche Sprachbeschränkungen (die Selenskyj nicht aufgehoben hat) und ab 2015 war es verboten, sich positiv auf die Sowjetunion und ihre Geschichte zu beziehen und kommunistische Symbole zu benutzen. So sollte faktisch der „Kommunismus“ verboten werden.

Im Februar 2024 betrug die Zustimmung zu Selenskyj etwa 30%, aber am 24. Februar steigerte sich diese Rate auf 90%. Die Wähler*innen haben Selenskyj eine zweite Chance gegeben. Kaum jemand in der Ukraine wollte den Anschluss an Russland. Aber die Staatspropaganda besagt seit dem 24. Februar, dass russischsprachige Ukrainer*innen am Krieg schuld sind. Das traurigste ist, dass viele russischsprachige Städte zerstört sind (Mariupol, Siwerskodonezk, teils Charkiw). Um den Einfluss der Staatspropaganda zu begreifen, muss ich kurz über die Medienlandschaft sprechen.

F: Klingt spannend. Wie steht es in der Ukraine mit der Medienlandschaft und der Meinungsfreiheit wirklich? Die meisten europäischen Medien berichten, dass die Ukraine auf diesem Gebiet im Gegensatz zu Russland demokratisch ist.

A: Alle für Zelenskyis Präsidialamt nicht genehmen Nachrichten werden als „russische Propaganda“ abqualifiziert. Laut Nationalem Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine 2023 und 2024 verbreiten folgende Medien russische Propaganda:

  1. The Times (26.04.2023 + 01.05.2023)
  2. Politico (02.05.2023)
  3. The Guardian (06.03.2023 + 09.05.2023)
  4. Associated Press (26.04.2023 + 10.05.2023)
  5. Politico (19.04.2023 + 02.05.2023 + 09.06.2023 + …)
  6. The New York Times (25.04.2023 + 20.06.2023)
  7. The Economist (23.06.2023)
  8. The Washington Post (16.05.2023 + 07.06.2023 + 30.10.2023 + …)
  9. Jordan Peterson (12.01.2024)
  10. der Standard (18.01.2024) (ja, dieselbe österreichische Zeitung)
  11. Jean-Luc Mélenchon (20.03.2024)
  12. Global Times (27.02.2024 + 22.05.2024 + 08.08.2024 + …)
  13. Newsweek (21.04.2023 + 30.05.2023 + 09.08.2024)
  14. Jeffrey Sachs (06.08.2024 + 29.08.2024 + 09.09.2024 + …)
  15. Glenn Greenwald (05.04.2024 + 11.07.2024 + 16.09.2024) (2013 hat Glenn Greenwald die von Edward Snowden übermittelten Dokumente zum streng geheimen NSA-Überwachungsprogramm PRISM aufbereitet und in der britischen Tageszeitung The Guardian zusammen mit einem Interview Snowdens veröffentlicht).

Nach dem Sieg Trumps wurden einige Nachrichtenquellen gelöscht und die Bewertung als „russische Propaganda“ vorsichtiger benutzt.

In der Ukraine gibt es zwei unabhängige Medien – Bihus.Info (teils von der EU finanziert) und Ukrajinska Prawda (wörtlich Ukrainische Wahrheit, kontrolliert vom Soros Fund Management). In der Ukraine gibt es keine Opposition, keine unabhängigen Fernsehsender, es gibt sehr wenige politische Proteste (und diese nur durch Frauen, weil alle Männer eingezogen werden oder rund um die Uhr zu Hause bleiben). Es gibt Freiheitsstrafen für das Filmen der widerrechtlichen “Einberufung”. Männer zwischen 18 und 60 Jahren (außer Männer mit schweren Erkrankungen) dürfen die Ukraine nicht verlassen – die Oligarchen aber können das schon. Da derzeit keine unabhängigen soziologischen Befragungen stattfinden, kann ich nichts über die derzeitige Zustimmungsquote von Selenskyj sagen. Aus den oben genannten Gründen hat die Staatspropaganda sehr erheblichen Einfluss auf das gesellschaftliches Bewusstsein. Wenn ich etwas auf Ukrainisch google, habe ich keine Chance, unabhängige Medien zu finden. Deshalb benützen viele Ukrainer*innen Telegram.

Innerhalb von zwei Kriegsjahren wurden unsere historischen Lehrbücher neu geschrieben. Das Fazit aus der offiziellen Geschichte der Ukraine: Die Ukraine ist Nicht-Russland. Alle unsere Schriftsteller*innen müssen ausnahmslos radikale Nationalisten sein – sogar die linke und feministische Lessja Ukrajinka 1, die auf der 200-Hrywnja-Banknote abgebildet ist und der linke Iwan Franko2 (auf dem 50-Hrywnja-Schein). In Schulbüchern ersetzt man das Wort „sowjetisch“ durch „russisch“. Jetzt ist die Sowjetunion „das totalitäre Imperium“. Ich denke, wir gehen der ukrainischen Geschichte verlustig…

Nach der “Entnazifizierung“, wie Putin den Überfall auf die Ukraine nannte, darf man Russisch nur zu Hause sprechen, sonst drohen Geldstrafen. Sogar die Bücher von russischen antizaristischen Schriftstellern wie Puschkin oder Lermontow werden vernichtet. Das Puschkin-Denkmal in Odessa soll demnächst abgerissen werden, obwohl es dem UNESCO-Schutz unterliegt (Puschkin hat ein Jahr in Odessa gewohnt). The Economist hat am 19. Dezember darüber berichtet.

Eine der zahlreichen gestürzten Puschkin-Statuen (Credits: Mykola Myakshykov / Avalon)

Für die russischen und ukrainischen Regierungen sind Sprache und Geschichte nur Mittel zur Erreichung ihrer politischen Ziele. Die russische Regierung erklärt, die Ukrainer*innen gehörten zu den Russen. Die ukrainische Regierung sagt, dass alle russischsprachigen Ukrainer*innen Feind*innen der Nation seien. Dagegen sind die Interessen der russischen und ukrainischen Kapitalist*innen klar. Das russische Kapital will die Ukraine erobern, Das ukrainisches will die Bevölkerung gegen Russland mobiisieren. Ich möchte dazu Lenins Artikel „Wem nützt es?“ (11. April 1913, also vor dem Ersten Weltkrieg) zitieren:

Nein, in der Politik ist es nicht so wichtig, wer unmittelbar bestimmte Anschauungen vertritt. Wichtig ist, wem diese Anschauungen, diese Vorschläge, diese Maßnahmen nützen. Nehmen wir als Beispiel „Europa“: Staaten, die sich „zivilisiert“ nennen, veranstalten jetzt ein tolles Hindernisrennen um die Rüstungen. In Tausenden Tonarten, in Tausenden Zeitungen, von Tausenden Kanzeln schreit und zetert man über Patriotismus, Kultur, Heimat, Frieden, Fortschritt – und das alles, um die Ausgabe neuer Millionen und aber Millionen Rubel für alle möglichen Vernichtungswaffen, für Kanonen, für „Dreadnoughts“ (Panzerkreuzer neuesten Typs) usw. zu rechtfertigen.

Meine Herrschaften, wertes Publikum! – möchte man sagen, wenn man all diese Phrasen der „Patrioten“ hört – traut nicht ihren Phrasen, schaut lieber nach, wem es nützt! …(Lenin Werke, Bd. 19, S. 34)

F: Die Medien berichten gerne über Korruption und Selbstbereicherung der russischen Kapitalist*innen, die auch gerne “Oligarch*innen” genannt werden. Wie steht es damit in der Ukraine? Hat Selenskyj die Korruption überwunden?

A: Da der Krieg bald enden könnte, ist die Korruption so wie im Februar 2022 total. Ein paar Beispiele:

  • Am 30. Oktober berichtete hromadske.tv, dass Mychajlo Fedorow (Minister für digitale Transformation) für Diebstähle im Umfang von 600 Millionen UAH (etwa. 13 800 000 Euro) verantwortlich ist.
  • Am 22. November hat The Times einen Artikel “Energy ‚corruption‘ leaves Ukrainians facing a deadly freeze” publiziert.
  • Nach Opendatabot werden 97,5% der Korruptionisten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Geldstrafen verurteilt (nur 1,7% zu Freiheitsstrafen).
  • Laut Nationalbank der Ukraine (NBU) haben die Ukrainer im Jahr 2023 täglich etwa 400 Millionen UAH in Online-Casinos ausgegeben und täglich etwa 130 Millionen UAH für die Armee gespendet.
  • TSN hat am 9. August Danylo Hetmantsev (Head of the Verkhovna Rada’s Finance Committee) zitiert: Nach unseren Berechnungen gehen bis zu 500 Milliarden UAH (etwa 11,44 Milliarden Euro) an Steuern durch die Schattenwirtschaft verloren. Bei Lohn- Einkommen- und Umsatzsteuersätzen von 20% kommt man auf etwa 3 Billionen UAH. Zum Vergleich: 2023 betrugen die Staatseinnahmen 3,104 Billionen UAH.
  • @AlexanderSoros hat in Twitter am 21. November gepostet: @AndriyYermak happy birthday my friend!!! (Alexander Soros ist der Sohn des Unternehmers George Soros, Andry Yermak ist ein ehemaliger Filmproduzent und Leiter des Präsidialamts der Ukraine)
  • Vor dem Krieg war die Ukraine das ärmste Land Europas. Am 25. April 2023 schätzte Forbes-Ukraine den Wert der Bodenschätze in der Ukraine auf 14,8 Billionen US-Dollar.

Zum Schluss möchte ich die Abgeordnete Marjana Besuhla von 02.11.2024 (Telegram) zitieren: De facto wird die ukrainische Armee von den Feinden der Ukraine geführt.

F: Wie reagiert die Bevölkerung darauf?

A: Eine rechtsradikale Innenpolitik plus die totale Einberufung (eine Bekannte aus der Ukraine sagte: ”In Wien gibt es viele Männer auf den Straßen, nicht wie bei uns!”) plus die totale Korruption führen dazu, dass nach TSN „etwa 30% der Mariupoler, die die Stadt zu Beginn des umfassenden Krieges verlassen hatten, freiwillig unter die Besatzung zurückkehrten“.

F: Wie ist die Lage des Proletariats unter Selenskyj und dem Kriegsrecht?

A: Es gibt in der Ukraine fast keine politischen Streiks und fast keine politischen Studentenorganisationen. Ich kenne nur rechtsradikale. Der Krieg hat die Lage des Proletariats beträchtlich verschärft.

F: Wir Marxist*innen sind immer auch Internationalist*innen. Uns interessiert daher besonders, ob es es Solidarität zwischen Russ*innen und Ukrainer*innen gibt?

In Europa gibt es fast keine Konflikte zwischen Ukrainer und Russen. In Europa funktioniert die ukrainische Propaganda nur begrenzt und Russ*innen vertreten fast immer liberale politische Ansichten.

In der Ukraine gibt es keine Linken. In Russland ist der wichtigste Kommunist Konstantin Syomin (fast 800 000 Abonnenten auf Youtube). Er hat den Krieg zwischen der Ukraine und Russland verurteilt, weil er imperialistisch ist. Er unterstreicht, dass es keine guten oder schlechten Imperialisten gibt, zitiert Lenin (“Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus”) und Rosa Luxemburg („Junius“-Broschüre). Auf Youtube kann man ein paar von Syomins Videos auf Englisch finden (inklusive Interview mit Second Thought).

F: Was wünschst du dir für die Zukunft – sowohl für dich persönlich als auch für dein Land?

Ich möchte alle Linken dazu auffordern, sich mit Theorie zu beschäftigen. Tatsächlich scheint Theorie in Österreich kein Thema zu sein. Nur sehr wenige Menschen können sagen, was die Wörter Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus, Faschismus, Imperialismus, Philosophie, Denken, Dialektik, Ware, Wert usw. bedeuten. Überall herrscht Dogmatismus. Zudem bleibt die sowjetische Erfahrung unerforscht. Niemand kann die Frage beantworten, warum die Sowjetunion zerfallen ist. Um den Dogmatismus zu bekämpfen, muss man die Klassiker lesen (Kant, Hegel, Feuerbach,

Tschernyschewski, Marx, Engels, Luxemburg, Lenin, Gramsci, Lukacs, Wygotski, Makarenko, Rosental, Iljenkow, Lifschitz). Die Theorie ist das Einzige, was wir jetzt beeinflussen können. Und um diese Theorie herum müssen wir uns vereinigen. Viele sogenannte linke Bewegungen haben sich in das kapitalistische System integriert.

Als Erstes muss die Revolution im Kopf stattfinden, und dann – in der Realität. Österreich ist schon lange keine „Insel der Seligen“ mehr. Der Imperialismus ist das letzte Stadium des Kapitalismus, das ohne sozialistische Alternative zu einem neuen Weltkrieg führt. So gesehen muss die Ukraine eine Warnung für alle sein.

Footnotes

  1. Lessja Ukrajinka (ukrainisch Леся Українка, wiss. Transliteration Lesja Ukraïnka, eigentlich Лариса Петрівна Косач Laryssa Petriwna Kossatsch; * 13. Februar. / 25. Februar 187g. in Swjahel, Gouvernement Wolhynien, Russisches Kaiserreich, heute Ukraine; † 1. August 1913 in Surami, Gouvernement Tiflis, Russisches Kaiserreich) war eine ukrainische Dichterin, Dramatikerin, Übersetzerin und Feministin.
  2. Iwan Franko (ukrainisch Іван Франко, wiss. Transliteration Ivan Franko; * 27. August 1856 in Nahujewytschi, Galizien, Kaisertum Österreich; † 28. Mai 1916 in Lemberg, Galizien, Österreich-Ungarn) war ein ukrainischer Schriftsteller, Journalist, Literaturkritiker, Übersetzer, Dramatiker, Publizist, Wissenschaftler und Politiker.