1 + 1 = Korruption: Die einfache Mathematik der Bürgerlichen Demokratie

Print Friendly, PDF & Email

Wir erleben im Jahr 2021 in Österreich ein fortgesetztes Schauspiel der Korruption und Korrumpierbarkeit der bürgerlichen Demokratie und ihrer Institutionen auf offener Bühne und ein Ende ist nicht in Sicht, solange der politische Spielplan nicht grundlegend geändert wird.

Vor 179 Jahren schrieb ein Mann, der die politischen Entwicklungen seiner Zeit scharf beobachtete und daraus bis heute gültige Schlüsse gezogen hat in einer amerikanischen Zeitung über das britische Parlament: „…das Unterhaus stimmte für ein drakonisches Gesetz gegen Bestechung, Korruption und unsaubere Wahlpraktiken im allgemeinen.“ Der Autor war Karl Marx und er konnte nicht ahnen, dass seine Worte auch heute noch in den Sitzungen des Hohen Hauses am Ring zitiert werden könnten.

Untersuchungsausschuss

Der sogenannte Ibiza-Untersuchungsausschuss, der die mutmaßliche Käuflichkeit der Türkis-Blauen Regierung von 2017 bis 2019 beleuchten sollte, ist – unter Zuhilfenahme der Grünen Türkis-Versteher – zu Ende gegangen bzw. „abgedreht“ worden und es liegt nunmehr der Endbericht des Verfahrensrichters vor. Dieser konnte trotz spürbarer Umklammerung durch die türkis-schwarze Krake nicht umhin einige Punkte der Untersuchungen und Befragungen so darzustellen, dass unbefangene Beobachter*innen nur staunen können, wie klar hier Korruption im Zusammenhang mit bestellten Gesetzen benannt wird.

Neben der höchst anrüchigen Bestellung des Familienmitglieds und türkisen Toyboy Thomas Schmid zum Alleinvorstand der neu geschaffenen ÖBAG (Verwaltung von über 25 Milliarden Beteiligungen des Staates an höchst profitablen Großunternehmen) und dem Korruptionssumpf in der Glückspielbranche („Novomatic zahlt alle…“) sticht die Geschichte rund um den PRIKRAF (GKK berichtete bereits) besonders hervor und wollen wir die Schlüsse des Verfahrensrichters im Folgenden ein wenig näher beleuchten:

Um es noch einmal kurz zusammenzufassen, es gibt seit Blau-Schwarz I diesen Fonds, der mit über 100 Mio pro Jahr dotiert ist und der aus den Geldern der Werktätigen finanziert wird, und daraus können sich Privatkliniken ganz legal für erbrachte Dienstleistungen an betuchten Patienten auf Kosten der Allgemeinheit bedienen, eine klassische Umverteilung von unten nach oben.

Das Schlummerdasein dieses Finanzierungsinstruments für die Reichen wurde mit Eintritt der Blauen unter HC Strache in die ÖVP-FPÖ Regierung unter Uniqa-Versicherungsverkäufer Sebastian Kurz als Bundeskanzler im Jahr 2017 beendet. Strache hatte Interesse die `Privatklinik Währing` am lukrativen Kuchen der Privatspitäler mitnaschen zu lassen, weil der Betreiber dieser Klinik mit ihm bekannt und darüber hinaus bereit war Geld an die Partei und wohl auch an Strache persönlich zu geben.

Da die Aufnahme einer weiteren Klinik in den Fonds bei gleichbleibender Geldmenge weniger Ertrag für die einzelnen bedeutet hätte, gab es zunächst Widerstand von der mit der ÖVP bestens vernetzten PremiQuaMed-Gruppe, die zur Uniqa zählt und eine Reihe von Privatkrankenhäusern betreibt. Trefflicherweise wurde just zu diesem Zeitpunkt der langjährige Spitzenfunktionär der Uniqa, Hartwig Löger, Finanzminister unter Sebastian Kurz. Kurz waren daher wohl auch die informellen Wege zwischen Bundesregierung, PremiQuaMed und Parlamentsfraktion der ÖVP. Wenn man dem Drängen des HC Strache schon nachgeben würde, dann nur mit einer doppelten Gewinnchance, einer für die Türkise Partei und einer für die Kapitalinteressen der übrigen Privatspitäler, insbesondere aber der Uniqa-Group.

Gesetzlich beschlossen wurde tatsächlich, dass die Privatklinik Währing in den Kreis aufgenommen wurde und gleichzeitig der Fonds um ca. € 15 Mio aufgestockt wurde. Diese Aufstockung bedeutet eine für die Premiquamed (Uniqa) eine jährliche Mehreinnahme von schlanken € 4 Mio. Interessant dabei: bei der letzten Aufnahme einer Privatklinik in vergleichbarer Größe in den Fonds im Jahr 2008 wurde der Fonds um läppische € 380.000,– erhöht. Unter Kurz war die Erhöhung das 40-fache. So geht Business!

Aber wo war der Nutzen für die Türkise ÖVP?

Nun sichtbar sind zwei Spenden der PremiQuaMed an die ÖVP von jeweils € 25.000,– im Dezember 2017 und im Juni 2018, das ist das Geld und der monetäre Nutzen, der auf der Vorderbühne – ganz legal – geflossen ist. Was dahinter geschah, kann man mutmaßen, bleibt aber voraussichtlich im Dunkeln.

Wobei an der Legalität, auch im Sinne des bürgerlichen Rechtsstaates, hat ausgerechnet der Verfahrensrichter des U-Ausschusses mit seinem vorliegenden Bericht Zweifel aufkommen lassen, indem er mehrfach darauf hinweist, dass die PremiQuaMed Spenden nicht im Wahlkampf 2017 geflossen sind, sondern danach und in zeitlich ganz großer Nähe zu der Gesetzwerdung des begünstigenden Gesetzes. Noch dazu gibt es Korrespondenz und nachgewiesene Treffen zwischen Löger, ÖVP-Generalsekretär und PremiQuaMed über die Spendennotwendigkeit und das entstehende Gesetz.

Wenn man also bei der Türkisen Bande 1 und 1 zusammenzählt erhält man im Ergebnis Korruption, die Rechnung ist immer dieselbe, das Ergebnis auch, egal ob bei Novomatic und dem ÖVP-nahen Sobotka-Verein, ob bei Schmid und seiner geschobenen Vorstandsbestellung oder eben beim PRIKRAF.

Korrumpierbarkeit der Institutionen

Die eingangs erwähnte Korrumpierbarkeit der Institutionen hat allerdings in diesem Staat eine Dimension angenommen, die immerhin bislang halbwegs funktionierende Selbstreinigungskräfte der bürgerlichen Demokratie schwer beschädigt hat:

Die Justiz ist still und heimlich seit Jahren von schwarzen Netzwerken durchzogen (höhnisch sprach Sebastian Kurz von roten Netzwerken in der WKStA) und wurden dort alle der Macht der ÖVP schädlichen Verfahren gezielt „erschlagen“, zersetzt oder behindert – Stichwort Sektionschef Christian Pilnacek und sein Oberstaatsanwalt Fuchs. Wenn es den Türkisen gelingt, die amtierende Justizministerin Alma Zadic im Zaum zu halten oder gar die obersten Machthebel dieses Ressorts wieder in die eigenen Hände zu bekommen, wird es auf lange Zeit keine ernsthaften Untersuchungen gegen die Machenschaften der Österreichischen Volkspartei geben.

Die Medien hängen seit der putschmässigen Machtübernahme der ÖVP durch die türkise Clique mehr denn je am Inseratentropf der Regierenden und dieses Werk hat Sebastian Kurz und sein Klüngel schon strategisch in Zeiten begonnen als er noch Teil der Rot-Schwarzen Regierung war, wie auch die Chat-Protokolle des Thomas Schmid belegen. Das war 2016 und half Kurz sich medial gegen Mitterlehner zu positionieren und den Boulevard-Medien und allen anderen zu signalisieren, wer der kommende Mann und wo zukünftig die finanzielle Musik spielen würde. Dass man einem solchen Mann, wie Thomas Schmid, viel, wenn nicht alles, zu verdanken hat und ihn zuerst auf einen überaus reich dotierten Posten setzt und ihn dann doch fallen lassen muss, ist die Geschichte vom Aufstieg und Fall, wie es das Drehbuch der bürgerlichen Demokratie immer wieder schreibt.

Schlußstein zum Beherrschen der Medienlandschaft ist der ORF, bei dem dieser Tage die „Wahl“ des Generaldirektors ansteht und dessen Berichterstattung dann endgültig dem Türkisen Willen anheim zu fallen droht.

Normalzustand der Bürgerlichen Demokratie

Alle diese Geschichten rund um die türkise Hybris und deren Machtklüngelei seien nichts Neues und bloß auf die Zugriffsmöglichkeiten auf die neuen Kommunikationsmittel zurückzuführen, tönt es vielfach aus den Redaktionsstuben. Tja umso schlimmer, wenn dies der Normalzustand der besten aller demokratischen Welten ist, allerdings muß man zur Ehrrettung des Systems festhalten, dass diese Bande eine besondere Machtversessenheit und Skrupellosigkeit aufbringt und nur mit einigem Glück noch einmal von den Schalthebeln der Macht zu entfernen sein wird.

Der am Anfang erwähnte Artikelschreiber von vor 180 Jahren, Karl Marx, hat die Webfehler der bürgerlichen Demokratie genauestens analysiert und mit ihm können wir enden, wie er den damaligen Artikel beendete, und müssen es gleichzeitig als einen Auftrag zum Ausbruch aus diesem System verstehen:

Das neue Parlament fängt so an, wie das alte endete: in greisenhafter Lähmung schon in der Stunde seiner Geburt.“