Etwas Geschichte: Eine spezifische Sozialdemokratie…
Die Anfänge der burgenländischen Arbeiterbewegung reichen ins 19. Jahrhundert zurück und waren eng mit der sozialistischen Bewegung in Österreich-Ungarn verknüpft. Arbeiterführer wie Ludwig Leser und Hans Suchard spielten sowohl in der Räterepublik Béla Kuns als auch im Kampf für den Anschluss des Burgenlands an Österreich eine wichtige Rolle. Nach der Gegenrevolution und dem weißen Terror flohen viele Aktivist*innen nach Österreich, wo sie die sozialistische Organisation des Burgenlands weiter aufbauten.
1921: Die Ablehnung des faschistoiden Horthy-Regimes beeinflußte das Wahlverhalten im Burgenland zugunsten der österreichischen Republik
Am 9. Januar 1921 gründeten die Sozialdemokraten in Wiener Neustadt eine eigene Landespartei für das Burgenland. Unter der Führung von Johann Fiala und mit Unterstützung von Persönlichkeiten wie Josef Pichler und Oskar Helmer entwickelte sich die Bewegung rasch. Jüngere Funktionär*innen*wie Hans Suchard, Ignaz Till und Ludwig Leser gewannen an Einfluss.
Bei den ersten Landtags- und Nationalratswahlen 1922 erzielten die Sozialdemokraten mit 38,5 % überraschend die meisten Stimmen, insbesondere in den Wanderarbeitergemeinden des Nordburgenlands. Der Prozentsatz bewies, dass sozialistische bzw. sozialdemokratische Positionen im Burgenland weit über das Industrieproletariat hinaus Wirkung zeigten. Das lag nicht zuletzt an den Erfahrungen der ärmsten Bevölkerungsschichten mit den frechen Großgundbesitzern.
Diese Erfolge führten zu einer stärkeren Fokussierung der Partei auf Landarbeiter und Kleinbauern. Trotz ihrer Position als stärkste Partei verhinderten die anderen Fraktionen jedoch einen sozialistischen Landeshauptmann. Stattdessen wurde eine Konzentrationsregierung unter der Führung des parteiunabhängigen Alfred Rausnitz gebildet, mit Ludwig Leser als Stellvertreter.
Die Sozialdemokratie profitierte anfangs von einem taktischen Bündnis mit den Großdeutschen, das auf gemeinsamen antiklerikalen und liberalen Positionen basierte. Der Parteivorstand der SDAP in Wien betrachtete die burgenländische Partei jedoch skeptisch, insbesondere aufgrund ihrer Rätevergangenheit, und griff stark in die Parteiführung ein. Erst 1924 setzte sich die burgenländische Führung endgültig gegen diese Bevormundung durch.
Die frühen Jahre der burgenländischen Arbeiterbewegung waren geprägt von einem schwierigen politischen Umfeld, strategischen Bündnissen und Spannungen zwischen der Bundes- und Landespartei, legten jedoch den Grundstein für den Einfluss der SDAP in der Region.
Das Burgenland erlebte in den Jahren nach seiner Angliederung an Österreich turbulente politische Auseinandersetzungen, insbesondere um das Bildungssystem und die politischen Machtverhältnisse. Bereits 1923 kam es zu ersten Kämpfen um die Privilegien der konfessionellen Schulen, die mehrheitlich unter katholischer Kontrolle standen. Ein neues Schulgesetz, das gewählte Ortsschulräte anstelle der traditionellen Schulstühle einführen wollte, scheiterte trotz eines Beharrungsbeschlusses am Widerstand des Nationalrats. Lediglich eine Verlängerung der Schulpflicht auf acht Jahre konnte durchgesetzt werden.
Die politische Landschaft war stark polarisiert. Nach einem intensiven Wahlkampf 1923 konnten die Christlichsozialen stärker zulegen als die Sozialdemokraten, blieben aber mit einem Abstand von 1 % der Stimmen an zweiter Stelle. Dennoch mussten die Sozialdemokraten ein Mandat abgeben und die Christlichsozialen bekamen insgesamt sogar ein Mandat mehr. Koalitionen waren fragil, und die Regierung war von häufigen Machtkämpfen im bürgerlichen Lager und personellen Veränderungen geprägt. Besonders der Sturz von Landeshauptmann Alfred Rausnitz und die Wahl von Dr. Alfred Walheim markierten den Beginn einer instabilen politischen Phase.
Die tiefen ideologischen Differenzen zwischen den Sozialdemokraten und den Christlichsozialen wurden in den Konflikten um Schulreformen und andere gesellschaftspolitische Themen sichtbar. 1925 eskalierte die Situation, als die Sozialdemokraten zeitweise die Regierungsarbeit blockierten, was die Bildung einer neuen Konzentrationsregierung erforderlich machte.
Der Wahlkampf 1927 begann ungewöhnlich früh und war von wachsenden Spannungen geprägt. Die Sozialdemokraten reagierten auf Aktivitäten der rechtsgerichteten Frontkämpfer, die entlang der Bahnlinie von Ödenburg auch in Schattendorf agitierten, mit der Aufstellung eigener bewaffneter Formationen. Zwischenfälle, wie die Silvesterereignisse in Loipersbach 1926, verschärften die Lage. Besonders die Eskalation in den Schattendorfer Ereignissen und der darauffolgende Justizpalastbrand hinterließen auch im Burgenland Spuren, führten aber gleichzeitig zu einer kurzfristigen politischen Zusammenarbeit.
Bei den Landtagswahlen 1927 gewann die christlichsoziale Einheitsliste knapp vor den Sozialdemokraten, während der Landbund eine Schlüsselrolle spielte. Trotz der Spannungen wurde eine Konzentrationsregierung gebildet, die mit ersten Erfolgen wie der Errichtung der Landeshypothekenanstalt die Zusammenarbeit förderte. Gleichzeitig eskalierte die Bodenreformfrage. Sozialdemokratische Forderungen nach einer radikalen Umverteilung von Großgrundbesitz stießen auf Widerstand der Christlichsozialen, die produktive Güter nicht antasten wollten.
1932: SA-Banditen überfallen das SDAP-Parteilokal in Eisenstadt und verletzen den bekannten Funktionär Ludwig Leser schwer
… und gleichzeitig voll im Gefüge des Reformismus
Die wachsende Polarisierung zeigte sich in den folgenden Jahren. Der Schutzbund verlor durch interne Konflikte und äußeren Druck an Einfluss, während die Heimwehren ihre Präsenz ausbauten. Politische Spannungen entluden sich in Arbeitskämpfen, wie der Oberpullendorfer Bauarbeiteraffäre, und Aufmärschen, die zunehmend verboten wurden.
Die Weltwirtschaftskrise traf das Burgenland besonders hart. Die Zahl der Arbeitslosen verdoppelte sich zwischen 1929 und 1933 auf über 8.000. Besonders betroffen waren Bauarbeiter und Jugendliche, was den Zulauf zu radikalen Parteien wie den Nationalsozialisten und Kommunisten verstärkte. So kam es zu häufigen Zusammenstößen, etwa bei einem SA-Grenzlandtag in Eisenstadt 1932.
10. Juli 1932, Eisenstadt: Großkundgebung des Schutzbunds, in der Mitte vor dem Mikrofon Otto Bauer
Politisch gelang den Christlichsozialen durch geschickte Manöver, ihre Macht zu festigen. Dennoch führten interne Streitigkeiten und die Radikalisierung der politischen Landschaft zu anhaltender Instabilität. Die Sozialdemokraten unter der Führung von Julius Leser litten zunehmend unter internen Spannungen, während Leser durch seine deutschnationalen Positionen und persönliche Skandale an Ansehen verlor.
Schutzbundgruppe Siegendorf, um 1932
Insgesamt spiegelten die Entwicklungen im Burgenland die tiefen sozialen und politischen Konflikte wider, die Österreich in den 1920er und 1930er Jahren prägten. Die wirtschaftliche Not und die Zuspitzung der Klassenauseinandersetzungen schufen eine explosive Atmosphäre, die den Weg für weitere Eskalationen ebnete.
Nach der Errichtung des faschistischen Ständestaates 1934 wurden die sozialdemokratischen Strukturen im Burgenland nahezu vollständig zerschlagen. Pressezensur und Verbote von Versammlungen prägten die politische Landschaft. Der Schutzbund wurde aufgelöst, ebenso die Arbeiterkammern. Politische Gegner wurden ohne Gerichtsurteil inhaftiert, und 1934 entstand ein Anhaltelager in Kaisersteinbruch für politische Gefangene. Die Führung der Vaterländischen Front forderte eine „Säuberung“ von Staatsfeinden aus Ämtern und Schulen.
Während des Februaraufstands 1934 blieb das Burgenland ruhig. Heimatschutz und Landesschützen besetzten die wichtigen Positionen, und in wenigen Gemeinden kam es zu vereinzelten Konflikten. Das Standrecht wurde ausgerufen und die Sozialdemokratische Partei verboten. Ihre Mitglieder, darunter bedeutende Politiker, wurden verhaftet, und alle sozialdemokratischen Organe und Vereine aufgelöst.
Im Untergrund formierten sich „Freie Gewerkschaften“ und einige Sozialdemokraten gründeten 1935 die „Soziale Arbeitsgemeinschaft“ (SAG), die jedoch ohne große Bedeutung blieb. Enttäuscht über die Führung der Sozialdemokraten, schlossen sich viele, darunter führende Funktionäre wie Hans Suchard, den Nationalsozialisten an. Auch viele Burgenländer, die im „Reich“ Arbeit fanden, unterstützten den Anschluss.
Die illegal agierenden Sozialisten und Kommunisten gaben die „Burgenländische Freiheit“ heraus, die Informationen über die politische Lage verbreitete. Widerstand gab es jedoch nur vereinzelt, und die Aktivitäten beschränkten sich auf das Verbreiten von Flugblättern. Die Kontakte zu den geflüchteten Parteiführern blieben über den Kontaktmann Ludwig Leser bestehen. Die illegalen Aktivitäten wurden jedoch 1936 von der Polizei aufgedeckt, und führende Widerstandskämpfer wie Alexander Stagl wurden verhaftet.
Mit dem Beginn der Nazi-Herrschaft 1938 wurde es für die Sozialisten immer schwieriger, in der Illegalität zu arbeiten. Einige versuchten noch, die Vaterländische Front zu unterstützen, doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten war bereits zu fortgeschritten. Tausende Burgenländer fanden Beschäftigung im „Altreich“, und die Arbeitslosigkeit im Burgenland ging deutlich zurück.
Hornsteiner Nazis 1936: Arbeiter, die als „Fremdarbeiter“ nach Nazi-Deutschland gingen, kamen oft als Propagandisten des NS-Regimes zurück
Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 verschwand die SDAP praktisch aus dem öffentlichen Leben. Sozialdemokratische Funktionäre wurden verfolgt, und viele flohen ins Ausland. Die Sozialisten, die in der Illegalität weitermachten, waren einer ständigen Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt. Einige versuchten, Widerstand zu leisten, indem sie Kontakte zu anderen politischen Kräften suchten.
Die SPÖ in der Wiederaufbauphase nach 1945: Bürgerliche Arbeiter*innenpartei als Motor der kapitalistische Modernisierung
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der NS-Herrschaft im Jahr 1945 begann auch die SPÖ im Burgenland mit dem organisatorischen Wiederaufbau der Partei – und des Kapitalismus in ihrem Einflussbereich. Die SPÖ trat für „Sozialisierungen“ und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ein. Ein zentraler Aspekt der SPÖ-Politik war dabei die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Unterstützung von Kriegsveteranen und deren Familien.
Die SPÖ im Burgenland war zu dieser Zeit vor allem stark in den urbanen Gebieten wie Eisenstadt und im nördlichen Burgenland. In den ländlicheren Regionen war die SPÖ jedoch oft weniger stark vertreten, da dort konservative Kräfte wie die ÖVP und Strukturen des ehemaligen Landbunds eine dominante Stellung einnahmen.
In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg war die SPÖ im Burgenland häufig in Koalitionen mit bürgerlichen Kräften. Die Zusammenarbeit mit der ÖVP war in der Nachkriegszeit wichtig, auch wenn es immer wieder zu Spannungen kam. Die SPÖ versuchte, in den ländlichen Gebieten und bei den Bauern mehr Einfluss zu gewinnen, was zu Konflikten mit den traditionellen konservativen Kräften führte.
In den 1950er und 1960er Jahren wuchs die SPÖ im Burgenland jedoch kontinuierlich und konnte sich als eine bedeutende politische Kraft im Land etablieren. Dies geschah durch eine Reihe von sozialen Reformen, die die Partei durchsetzte, etwa im Bereich der Bildung, des sozialen Wohnungsbaus und der Arbeitsmarktpolitik.
Die 1960er Jahre waren für die SPÖ im Burgenland von wachsender politischer Bedeutung und einer verstärkten Präsenz auf regionaler Ebene geprägt. Mit der Wahl von Franz Steindl zum Landeshauptmann im Jahr 1964 konnte die SPÖ erstmals in der Nachkriegszeit einen prominenten sozialdemokratischen Vertreter an die Spitze der Landesregierung stellen. Steindl setzte sich für eine Modernisierung des Landes und den Ausbau von Infrastrukturprojekten ein. Unter seiner Führung wurde das Burgenland in den Bereichen Bildung und soziale Sicherheit weiterentwickelt.
Die burgenländische Volkspartei mit ihrer bäuerlichen Klientel konnte die kapitalistische Modernisierung nicht auf den Weg bringen. So gelang es der SPÖ, in den 1960er Jahren eine breitere Wählerschaft anzusprechen, insbesondere durch den Ausbau von Sozialleistungen auf allen Ebenen.
Bis 1970 hatte sich die SPÖ im Burgenland konsolidiert und konnte ihren politischen Einfluss ausbauen. Der Landtag wurde zunehmend von sozialdemokratischen Abgeordneten dominiert, und die Partei spielte eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung sozialer Reformen und der Modernisierung der regionalen Infrastruktur.
Insgesamt lässt sich die Entwicklung der SPÖ im Burgenland zwischen 1935 und 1970 als eine Zeit des Wiederaufbaus und der Konsolidierung beschreiben, die sowohl von den Nachwirkungen des Nationalsozialismus als auch von den politischen Kämpfen innerhalb des Landes geprägt war. Die SPÖ konnte ihre Position festigen und sich als die zentrale politische Kraft der Modernisierung im Burgenland etablieren, was sich auch in den Wahlergebnissen und der politischen Dominanz in den folgenden Jahrzehnten widerspiegelte.
Auswirkungen des EU-Beitritts
Der Beitritt des Burgenlands zur Europäischen Union im Jahr 1995 hatte erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Bis 2020 flossen rund 2,8 Milliarden Euro an EU-Förderungen ins Burgenland, was die Umsetzung von mehr als 164.000 Projekten mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von knapp 5,2 Milliarden Euro ermöglichte. (Quelle: Offizielle Statistik)
Ein markanter Indikator für diesen Fortschritt ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf: Lag es 1995 noch bei 70 % des EU-Durchschnitts, so erreichte es bis 2020 etwa 90 %. (Quelle: Offizielle Statistik)
Die EU-Förderungen wurden in verschiedenen Programmperioden bereitgestellt:
- Ziel-1-Programm (2000–2006): Mit einem Gesamtbudget von 864 Millionen Euro, wovon 271 Millionen Euro aus den Strukturfonds der EU stammten, wurden Maßnahmen zur Entwicklung des Burgenlands zu einer modernen mitteleuropäischen Region gefördert. (European Commission, Objective 1)
- Phasing-Out-Periode (2007–2013): In dieser Phase stellte die EU über 444 Millionen Euro zur Verfügung, um den Wirtschaftsstandort Burgenland weiter zu sichern und auszubauen, mit Schwerpunkten auf Forschung, Innovation und Unternehmensförderung. ((Wirtschaftsagentur Burgenland))
- Programm „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ (2014–2020): Dieses Programm unterstützte zahlreiche Projekte in Bereichen wie Forschung, Technologie und Innovation, umweltrelevante Maßnahmen sowie die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). (Wirtschaftsagentur Burgenland)
Für die aktuelle Förderperiode 2021–2027 wurde das Programm „Investitionen in Beschäftigung und Wachstum“ (IBW) von der Europäischen Kommission genehmigt, um die begonnenen Strukturreformen fortzusetzen. (Wirtschaftsagentur Burgenland)
„Kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung“
Was Trotzki in der „Geschichte der russischen Revolution“ und zuvor in „Ergebnisse und Perspektiven“ und später in der „Permanenten Revolution“ entwickelt hat, gilt – auch im Burgenland. Auch im Gefüge eines entwickelten kapitalistischen „Nationalstaates“ können unterschiedliche Gesetze wirken und dazu führen, dass sowohl ökonomische als auch politische Entwicklungen disproportional verlaufen. Rückständige und fortgeschrittene Regionen, dem Klerikalismus ausgesetzte Landregionen und urbane intellektuelle Zentren … Und auf allem lastet der Druck der Geschichte, des „kollektiven Gedächtnisses“.
Die Sozialdemokratie hat bei den Landtagswahlen 2025 nicht deswegen so gut abgeschnitten, weil Doskozil der Volkstribun ist. Die burgenländische Sozialdemokratie hat – und dazu diente der historische Abriss! – im Bewusstsein der Mehrheit der Bevölkerung eines Bundeslandes, das noch vor Gründung der Republik von Großgrundbesitz und Adelspräpotenz geprägt war; einer Bevölkerung, die multiethnisch geprägt ist – kroatisch, ungarisch, romani, deutsch; die tagtäglich unter dem Klerikalismus gelitten hat – immer noch den Ruf, Träger einer Reformpolitik auf allen Ebenen zu sein.
Die SPÖ Burgenland hat ihre Aufgaben im Sinne eines Reformismus recht gut erledigt. Strom- und Mietpreisbremsen scheinen gut funktioniert zu haben. Der Mindestlohn für Landesbedienstete hat Wähler*innen angezogen, ebenso der Gratiskindergarten. Im Gesundheits- und Pflegebereich ist es zumindest zu keinen großen Einsparungen gekommen. In der Energiepolitik hat das Burgenland die Windkraft massiv ausgebaut. Die Abgrenzung zu Wien kommt in den Bundesländern immer gut an. Das hat jetzt nicht einmal so viel mit der Asylpolitik zu tun. Die Angriffe der SPÖ gegen Migrant*innen haben vermutlich einen noch massiveren Vormarsch der FPÖ blockiert. Die sprichwörtliche Schmied/Schmiedl-Dialektik hat sich dieses Mal gegen die faschistoide Kickl-Partei gewendet.
Es gibt keinen Grund, das Ergebnis der FPÖ Burgenland klein zu reden. Der prozentuelle FPÖ Zuwachs ist inkl. der Stimmen für die Liste Hausverstand (Corona-Schwurbler rund um den ehemaligen RFJ-Vorsitzenden Géza Molnar) ganz ähnlich wie bei der Landtagswahl in Vorarlberg vor wenigen Monaten. Es handelt sich um das beste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ Burgenland. Auf Grund der ablehnenden Haltung dieser Partei gegenüber “Brüssel” ist das FPÖ-Wahlergebnis gerade im Burgenland verwunderlich. Dazu kommen die Austrocknung von Zick- und Neusiedlersee, die einer Klimawandel leugnenden Partei schaden sollte. Im Endeffekt profitiert die FPÖ einmal mehr von einer diffusen Unzufriedenheit. Das Asylthema war nicht dominant.
Dass die ÖVP so markant verloren hat (-8%), liegt sicher auch an der geplanten bundespolitischen Koalition mit der FPÖ.
Die SPÖ hat ihre absolute Mehrheit verloren. Mit 46,4% hat sie immer noch ein Ergebnis erzielt, von dem die SP bundesweit und die meisten Landesorganisationen nur träumen können. Auch im internationalen Maßstab ist das ein absoutes High-Score-Ergebnis für eine sozialdemokratische Partei.
Wen nimmt es wunder, dass die Bourgeoisie und ihre Medien das Ergebnis folgendermaßen interpretieren:
„Die SPÖ verliert ihre letzte absolute Mehrheit – trotz blau-schwarzer Verhandlungen im Bund. Der Phantomschmerz strahlt Richtung Wien aus. Die ÖVP setzt eine beachtliche Negativserie fort…Zunächst ist der Verlust der Absoluten aber ein symbolischer Einschnitt. Durchaus auch für die SPÖ-Bundespartei, die damit ihre letzte verbliebene Alleinregierung los ist – und das in der nach Stimmenanteilen stärksten SPÖ-Bastion.
Gerade jetzt, da sich eine blau-schwarze Bundesregierung abzeichnet, ist der rote Verlust noch etwas schmerzhafter. Denn von ÖVP-FPÖ-Koalitionen konnte die SPÖ bei folgenden Wahlen stets profitieren – gerade in traditionell roten Bundesländern. Ein Umstand, der auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig offenkundig dazu bewogen hat, die Wien-Wahl vom Herbst auf den 27. April vorzuverlegen.“ (Online-Standard, 20.1.2025)
Die Einschätzung des ach so seriösen und angeblich “linksliberalen” STANDARD fügt sich passgenau in das derzeitige Framing der von der Bourgeoisie, ihren Banken und Kirchen kontrollierten Medien, von seriös bis Boulevard, ein: die SPÖ ist am Ende, der Vormarsch der reaktionären bürgerlichen Parteien nicht zu stoppen.
Das mediale Trommelfeuer gegen die Sozialdemokratie ist, wie wir an anderen Stellen wiederholt gezeigt haben, Teil einer Strategie der herrschenden Klasse, gegen alles, was auch nur im entferntesten mit sozialer Gerechtigkeit, geschweige denn mit Sozialismus, zu tun hat, nicht mit der feinen Klinge, sondern mit dem Vorschlaghammer einzudreschen.
Und um der Frage zuvorzukommen: Nein, wir werden in einer Zeit des unterentwickelten Klassenkampfniveaus (zumindest von Seiten der Lohnabhängigen!) keine „regionale Arbeiter*innenregierung“ fordern. Wir werden auch diese Landtagswahl im kommunistischen Sinn lediglich als Gradmesser für den Reifegrad des Proletariats betrachten.
Wir werden auch keine Spekulationen darüber anstellen, ob das Wahlergebnis im Burgenland ein “Sieg der Rechten” in der SPÖ gegen die “Linken” – sprich: Parteivorsitzenden Babler – ist. Entscheidend ist, dass in einem strukturell sicherlich atypischen Bundesland eine Sozialdemokratie im Großen und Ganzen ihre Position halten konnte, weil sie noch etwas zu verteilen hatte. So, wie es in Teilen der Steiermark, Salzburgs und sogar Tirols am Beispiel der KPÖ zu sehen ist: mit sozialen Themen können nach wie vor lohnabhängige oder sozial schlechter gestellte Schichten angesprochen werden. Solange sich die Politik der Parteien, die sich auf die Arbeiter*innenbewegung berufen, auf kleine Verbesserungen, Einzelthemen (Wohnen) oder die karitative Verteilung von Politikerbezügen beschränkt, werden sie aber keine Gegenoffensive gegen den Vormarsch der reaktionären und faschistoiden Parteien initiieren können.
Dazu bedarf es eines umfassenden Programms, das alle sozialen und politischen Fragen beantwortet, vor denen die Lohnabhängigen, die Frauen, die Jugend … heute stehen. Im Kampf für dieses Programm, dessen Elemente wir immer wieder in unseren Flugblättern, Zeitungen, auf unserer Homepage und unseren Beiträgen auf den sozialen Medien vertreten, sind wir bereit, Seite an Seite mit allen Parteien und Organisationen zu kämpfen, auch wenn diese nur Teile dieser Forderungen selbst vertreten.
Notwendig wird es sein, dass sich die fortgeschrittensten Aktivist*innen der Arbeiter*innenbewegung in einer neuen, revolutionären Partei zusammenschließen, die Teil einer neu zu schaffenden Revolutionären Arbeiter*inneninternationale sein wird.
20.1.2025, 12:00