Die herrschende Kapitalistenklasse lässt in Wien über die Zusammensetzung ihrer Regentschaft abstimmen. Eines steht bereits vor der Wahl fest: Der Kapitalismus bleibt uns unabhängig vom Wahlergebnis erhalten. Abgestimmt wird also über die Bedingungen seiner Verwaltung, nicht jedoch über die Machtverhältnisse an sich, d. h. es bleibt jedenfalls dabei, dass eine winzige Minderheit, welche über die Produktionsmittel verfügt über das Schicksal von mehr als 90 % der Bevölkerung, welche nichts als ihre Arbeitskraft zu verkaufen hat bestimmen wird.
Die ArbeiterInnenklasse befindet sich in Österreich und weltweit in der Defensive. Bei der letzten Gemeinderatswahl 2010 wurden die Auswirkungen der kapitalistischen Krise mit ihrer Geißel der Massenarbeitslosigkeit durch Konjunkturprogramme noch kurzfristig gedämpft. Seitdem ist die Arbeitslosenquote in Wien von 9 auf 13 % gestiegen. Zudem hat die Verbreitung nicht Existenz sichernder Beschäftigungsverhältnisse, die “kalte” Lohnsteuerprogression sowie die Erhöhung von Mieten und Lebensmittelpreisen über der Inflationsrate zu einer steigenden Verarmung der Wiener Bevölkerung geführt. Die Sozialdemokratie hat auf Bundes- und Landesebene in Regierungsverantwortung zu dieser Entwicklung beigetragen:Zustimmung zu Gesetzen, die prekäre Arbeitsverhältnisse wie geringfügige Beschäftigungen oder Leiharbeit ermöglichen, Stopp des sozialen Wohnbaus, Überantwortung von kommunalen Dienstleistungen an private Unternehmen, welche niedrigere Löhne zahlen, schlechtere Dienstverträge in Gemeindebetrieben, Privatisierung der Verstaatlichten Industrie sowie die völlige Aufgabe der Idee, den Lohnabhängigen günstige Lebensmittel im Rahmen einer Konsumgenossenschaft zur Verfügung zu stellen.
Diese explosive soziale Lage in Verbindung mit der syrischen Flüchtlingsbewegung hat die FPÖ mit ihrer nationalistischen Hetze zu einer bisher nicht dagewesenen Popularität insbesondere in den untersten Schichten der Wiener Bevölkerung geführt. Erstmals scheint es möglich, dass eine offen nationalistische Partei ohne Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung stärkste Partei in Wien wird und in Koalition mit anderen offen bürgerlichen Kräften die Macht übernimmt.
Diese neue Landesregierung wäre gleich bedeutend mit einem wesentlichen sozial- und demokratiepolitischen Wandel. Entgegen den Beteuerungen der FPÖ ist mit Ausgliederungen und Privatisierungen von Gemeindebetrieben in Verbindung mit schlechteren Arbeitsbedingungen, Leistungskürzungen und Tariferhöhungen sowie mit einschneidenden Änderungen im sozialen Wohnbau zu rechnen. Angekündigt wurden bereits Einschränkungen für Radfahrerinnen wie die Rücknahme der Einbahnregelungen und die Förderung des Autoverkehrs. Kultursubventionen würde es nur mehr für FPÖ unkritische Projekte geben. Schikanen für Bezieherinnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung wie verpflichtende unbezahlte gemeinnützige Arbeit als Voraussetzung für den weiteren Bezug derselben wurden ebenso wie die Einschränkung des Demonstrationsrechts (die FPÖ will in Wien bestimmen, wer wo demonstrieren darf und wer nicht) angekündigt.
Im Bewusstsein, dass Wahlen nichts an den Machtverhältnissen ändern werden, haben für uns Wahlempfehlungen lediglich taktischen Charakter. Ohne Illusionen in die SPÖ zu schüren rufen wir in dieser politisch zugespitzten Situation zur Wahl dieser bürgerlichen ArbeiterInnenpartei auf, um die Bildung einer Bürgerblockregierung mit den oben erwähnten schweren negativen Folgen für die Wiener Lohnabhängigen zu verhindern.
Die ArbeiterInnenbewegung hat ihre Errungenschaften nicht in der Wahlzelle erkämpft. Um nicht in die Zeiten des Frühkapitalismus zurück geworfen zu werden, ist ein unablässiger Klassenkampf in den Schulen, Betrieben, auf der Straße und in allen anderen Bereichen des Lebens notwendig. Gerade in Zeiten der fortgesetzten Defensive ist dieser für die Verbesserung der Lage der Lohnabhängigen wichtiger denn je. Die Wiedererlangung des Klassenbewusstseins in weiten Teilen der ArbeiterInnenklasse wird die Voraussetzung für die offensive Fortführung von Klassenkämpfen durch die ArbeiterInnenmassen und eine neue revolutionäre Perspektive sein.