Die Kollektivvertragsverhandlungen in der sogenannten Sozialwirtschaft (Pflege- und Sozialberufe) sind vollkommen ins Stocken geraten.
Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft (vida) fordern für die 125.000 Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich eine Arbeitszeitverkürzung auf eine flächendeckende 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
Zunächst wurde seitens der Arbeitgeber Verhandlungsbereitschaft signalisiert, um dann wieder auf ein NEIN zurück zu schwenken.
Als Reaktion wurde daraufhin bereits am Mittwoch in verschiedenen Betrieben von Beschäftigten die Arbeit niedergelegt. Auch am 13.02. sollte es zu Streikmaßnahmen kommen.
Darüber hinaus gab es am 12.02. eine öffentliche Streikversammlung von etwa 1.000 Personen vor dem Sozialministerium.
Grundsätzlich unterstützen wir jede gewerkschaftliche Kampfmaßnahme, die zur Verbesserung der Verhältnisse der Arbeiter_innen beitragen kann und solidarisieren uns mit den Forderungen der Gewerkschaft!
Für uns sind Gewerkschaften die grundlegendste Klassenorganisation der Lohnabhängigen. In der aktuellen politischen Situation in Österreich ist die SPÖ als politische Kraft faktisch von der öffentlichen Bühne verschwunden. Zur Zeit sind die Gewerkschaften die einzigen noch intakten Massenorganisationen der arbeitenden Bevölkerung, die Kräfte bündeln und freisetzen können, die im Kampf gegen den immer frecher auftretenden Kapitalismus und seine reaktionären politischen Vertreter bitter notwendig sind.
Wir finden es positiv, dass endlich die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollen Lohn- und Personalausgleich in Form von (wenn auch begrenzten) Streikaktionen vor der gesamten arbeitenden Bevölkerung aufgeworfen wird. In diesem Sinne hat der Kampf der Beschäftigten im Sozialwirtschaftlichen Bereich eine Vorreiterrolle für alle anderen Branchen.
Im folgenden einige Fakten und Argumente zu dieser Thematik, die den aktuellen Arbeitskampf ebenso wie die generelle Linie für die nächsten Monate inhaltlich begleiten und unterstützen können:
- Österreich liegt im EU-Vergleich an dritter Stelle bei geleisteten Überstunden
- Arbeitszeitflexibilisierungen der letzten 30 Jahre machten es möglich den Arbeitstag auszuweiten und dafür keine Überstundenzuschläge zu zahlen
- Höhepunkt war die – unter Türkis-Grün beibehaltene – Einführung des 12-Stunden-Tages
- Aus medizinischer Sicht ist klar, dass lange Arbeitszeit psychische und körperliche Folgen nach sich zieht (Unfallrisiko, progressive Ermüdung, …)
- Im Sozialbereich sind Mitarbeiter_innen aufgrund der körperlich und psychisch besonders anstrengenden Tätigkeiten sehr stark von Burn-Out betroffen => sie arbeiten auch daher besonders häufig in Teilzeit
- Parallel zur Arbeitszeitverkürzung sind Lohnerhöhung das Gebot der Stunde – Vollzeitkräfte, insbesondere mit Kindern und Familienleben können sich Überstunden und Wochenendarbeit, um sich das „Leben“ leisten zu können oft nicht erlauben
- Arbeitszeitverkürzung muss, damit sie für Teilzeitbeschäftigte (vor allem Frauen mit Haus u Versorgungsarbeit) etwas bringt, mit vollem Lohnausgleich einhergehen
- Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich darf nicht gleichzeitig zu einer Erhöhung der Arbeitshetze für den Einzelnen führen, sondern muss an eine Personalaufstockung geknüpft sein
- 120 MitarbeiterInnen konnten im KH-Nord den Krankenanstaltenverbund durch Proteste gegen die Personalknappheit und Überlastung zwingen, 70 neue Dienstposten zu errichten. Der Kampf lohnt sich also!
- Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wäre nicht finanzierbar ist ein Schauermärchen der Kapitalistenklasse – wir werden das notwendige Geld bestimmt nicht bei Wohlfahrtsorganisationen holen, sondern aus Konzerngewinnen, die auf Kosten der Arbeiter_innen zusammengeplündert werden.
Der Kampf darf nicht auf die Sozialwirtschaft beschränkt sein. Er muss auf alle Branchen ausgedehnt werden. Wir schlagen als zentral Achse einer solchen breiten Offensive vor:
- Sofortige Rücknahme des 12-Stundentag-Gesetzes!
- Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich!
- Offenlegung der Geschäftsbücher der Kapitalist_innen, um den Lügen von der „Unfinanzierbarkeit“ der Arbeitszeitverkürzung entgegenzutreten!
- Einberufung von Vollversammlungen der Arbeiter_innen in den Betrieben und auf lokaler Ebene, um auch Kolleg_innen in Betrieben ohne gewerkschaftliche Vertretung und prekär Beschäftigten die Möglichkeit zu bieten, über die künftige Strategie der Klasse mitzuentscheiden.
- Die Gewerkschaften in die Hände ihrer Mitglieder! Die Basis muss entscheiden! Wählbarkeit, Rechenschaftspflicht und Abwählbarkeit aller Funktionäre durch die Gewerkschaftsbasis!
In der aktuellen Situation, in der die Stimmung in den SWÖ-Betrieben kämpferisch ist sagen wir:
GEWERKSCHAFTSBÜROKRATEN – KEINE VERHANDLUNGEN MIT DEN VERTRETERN DER KAPITALIST_INNEN!
Ausdehnung der Streikfront auf alle Branchen mit dem Ziel des Generalstreiks!