Mileis erstes Quartal gegen die Arbeiter*innenklasse und die arme Bevölkerung (Octubre Rojo/Argentinien)

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Der folgende Artikel ist der 2. Nummer der Zeitung unserer Genoss*innen von Octubre Rojo (Kern des CoReP in Argentinien) entnommen! Die Zwischentitel sind teilweise von uns.

Nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen zwischen Sergio Massa (Unión por la Patria) und Javier Milei (La Libertad Avanza), die eine historische Niederlage des Peronismus (und seiner reformistischen und konservativen Verbündeten) gegen eine improvisierte Koalition aus Liberalen, Macris PRO (Propuesta Republicana), Bullrich und einer bedeutenden Clique innerhalb der UCR gebracht hat, hat sich der Angriff auf die Lebensbedingungen der Arbeiter*innenklasse verschärft, wie wir es – unabhängig vom Wahlergebnis – vorhergesagt haben.

Diese drei Monate waren von einer Reihe von Anzeichen für den Zerfall des in der Krise befindlichen Regimes geprägt. Auf wirtschaftlicher Ebene erfordert die Rezession eine Neuordnung der Beziehungen zwischen den sozialen Klassen durch politische und rechtliche Umstrukturierungen. Die Bosse müssen die Ausbeutung der Arbeiter verstärken, um ihre Profitrate zu schützen, indem sie uns für die galoppierende Inflation bezahlen lassen und indem sie Löhne und Renten niedrig halten. Während der kapitalistische Staat seine Rolle als Polizist im Dienste der Unternehmen erfüllen muss, ist er gezwungen, immer mehr Sparmaßnahmen durchzusetzen, um riesige Summen, Milliarden von US-Dollar, sowohl an den IWF als auch an private Gläubiger und Geierfonds zu zahlen.

Mileis erste Angriffe gleich nach seinem Amtsantritt: ein Dekret zur Freigabe der Preise für Mieten, Lebensmittel und Medikamente, Entlassungen im Staatsdienst, eine Reform des Arbeitsrechts, eine 100-prozentige Abwertung, eine Reihe repressiver Maßnahmen usw.

Eine der von der Opposition der Unternehmerparteien abgelehnten Maßnahmen war die Einführung einer Exportsteuer von 15 % ohne vorherige Beratungen. Einigen Quellen zufolge wurde diese Maßnahme von der liberalen Regierung angekündigt, um die Provinzgouverneure zu Verhandlungen zu zwingen. Das Manöver bestand darin, diesen Punkt aus dem Sammelgesetz (Ley Omnibus) zu streichen und dafür die erforderlichen Stimmen für Vollmachten (Dekrete) und andere Reformen zu erhalten. Was auch immer das Motiv sein mag, es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, Sparmaßnahmen durchzusetzen, obwohl es zwischen den bürgerlichen Parteien geteilte Meinungen über deren Art und Durchführung gibt.

Seit Dezember finden Demonstrationen statt. Das Organisationsniveau an Arbeitsplätzen und Schulen, aber auch in Nachbarschaften, ist durch Versammlungen und multisektorale Gruppen gewachsen. Militante Gewerkschaften und Delegierte der Arbeiter*innenbewegung zeichnen sich dadurch aus, dass sie Machtdemonstrationen wie Streiks durchführen, Beispiele für einheitliches Handeln geben und die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen des wirtschaftlichen und politischen Kampfesauf den Tisch legen.

Parlament und Volkstribune

Während der Debatte über das Omnibus-Gesetz im Januar kam es vor dem Kongress und in verschiedenen Regionen des Landes zu Repressionsmaßnahmen durch Polizei, Armee, Gendarmerie und Regionalpolizei (Mendoza, Jujuy, Salta, Buenos Aires, Cordoba).

Die FIT-U-Abgeordneten (PTS, PO, MST, IS) empfingen die wichtigsten Führer der CGT in ihrem Büro, diskutierten über die parlamentarische Ablehnung des Gesetzes und einen „Kampfplan“. Die Strategie der Gewerkschaftsbürokrat*innen bestand aus nationalen und internationalen juristischen Einsprüchen, einem Dialog mit Abgeordneten, Senatoren und Gouverneuren und einem Mobilisierungstag am 24. Januar mit einem zwölfstündigen Streik, den die meisten Gewerkschaftsführungen aber boykottierten.

Am Tag der allgemeinen Abstimmung kam es rund um den Kongress zu Repressionsmaßnahmen. Anstatt die Arbeiter*innen dazu aufzurufen, sich zu organisieren und für den Generalstreik bis zur Rücknahme des Omnibus-Gesetzes und der DNU (Notstandsdekrete) zu kämpfen und den bürgerlichen Klassencharakter des Parlaments anzuprangern, beschränkten sich die FIT-U-Parlamentarier darauf, die kapitalistischen Abgeordneten um ihre Fürsprache zu bitten, um der Repression ein Ende zu setzen.

Anstatt wie revolutionäre Volkstribunen zu agieren, verhielten sie sich wie gewöhnliche Zentrist*innen oder Reformist*innen. Sie verpassten eine weitere historische Gelegenheit, der Avantgarde und den arbeitenden Massen ein starkes Signal zu senden und demonstrierten so ihre völlige Anpassung an das Regime.

Das politische Gleichgewicht ist wackelig geworden

Das Omnibus-Gesetz wurde von der Abgeordnetenkammer in einer Artikel-für-Artikel-Abstimmung abgelehnt, weil Mileis Hauptverbündete (die PRO und die UCR) sich nicht auf ein Verteidigungsprogramm für die Bourgeoisie als Ganzes einigen konnten und weil der Sparplan, wie er vorlag, eine ernsthafte Gefährdung der Regierungsfähigkeit der Provinzen darstellte.

Diese Widersprüche verdeutlichen die Spannungen, die durch die Verschärfung der Krise entstehen. In diesem Sinne kam es diese Woche zu dem Konflikt mit dem Gouverneur der Provinz Chubut, Ignacio Torres, der sich weigert, Öl und Gas zu liefern, bis er die Garantie hat, über die nötigen Mittel zu verfügen, um eine Explosion der Unzufriedenheit in seiner Provinz zu verhindern. Die Unterstützung der gesamten PRO für den Gouverneur von Chubut und sogar dem Peronisten Kicillof, der Buenos Aires regiert, bringt Milei in Schwierigkeiten. Der Präsident, eine bonapartistische Karikatur, schafft es weder die Bourgeoisie noch die Arbeiter zu disziplinieren und so beginnt seine Glaubwürdigkeit schnell zu schwinden.

Den ganzen Februar über wuchs die Wut an der Basis weiter. Verweigerte zu Beginn ein großer Teil der Arbeiter*innen aufgrund des natürlichen Misstrauens gegenüber der Gewerkschaftsführung die Teilnahme an den Demonstrationen, ist die Situation heute anders, immer mehr Menschen sind kampfbereit.

Das Beharren der nationalen Regierung darauf, für Gehälter der Staatsbediensteten vorgesehene Mittel (hauptsächlich im Gesundheits- und Bildungssektor) abzuzweigen, Kürzungen bei Sozialprogrammen vorzunehmen, das Bremsen von öffentliche Arbeiten, die anhaltende Inflation (obwohl der Dollar fällt, steigen die Preise weiter) und die Verweigerung von Verhandlungen (das Ministerium hat nur miserable Angebote gemacht) haben die Lebensbedingungen von Millionen Arbeiter*innen erheblich verschlechtert. Wenn es Milei nicht gelingt, wie beabsichtigt die Mittel für sein Programm aufzubringen, und er sich schnell verschulden muss, wird der Staat weiterhin Pesos drucken. Dann werden Anleihen ausgegeben (die Schulden darstellen, die erst in der Zukunft zurückgezahlt werden müssen), was im März und April zu einer erhöhten Inflation führen wird, die sich zu den Erhöhungen der Zolltarife gesellt.

Die bürgerliche Opposition formiert sich

Mileis Desaster ist so groß, dass viele bürgerliche Abenteurer bereits das Ende der Vorstellung vorhersagen und sich darauf vorbereiten, den Bossen ihre Dienste anzubieten: Moreno, Grabois usw. Dies ist der Fall von Cristina Fernández, die ein 33-seitiges Dokument veröffentlichte, in dem sie Milei von rechts kritisiert: Sie wirft ihm vor, das Kapital (sie sagt: „Produktion“), d. h. die Industriebourgeoisie, auf Kosten des Finanzkapitals anzugreifen. Sie spricht sich erneut für eine Arbeitsrechtsreform, ein gemischtes Wirtschaftssystem von staatlichem und privatem Eigentum und entsprechender Finanzierungsformen aus, ganz im Sinne einer Vertiefung der schädlichsten Reformen von Carlos Menem (PJ). (1989-1999) .

Der Rat der Ex-Präsidentin: keine Besteuerung der Reichen, keine Besteuerung der Banken, keine Lohnerhöhungen, die sich auf die Gewinne der Unternehmen auswirken; Privatisierungen und öffentlich-private Partnerschaften, Arbeitsreform; neues Sparprogramm. Ein erheblicher Teil der Lohnabhängigen hat Erwartungen oder Illusionen an diesen Politiker. Um es klar auszusprechen: Fernandez schlägt eine geordnetere Version von Mileis Plan vor. Der Kapitalismus hat seine Regeln und aus Sicht der Bourgeoisie kann außerhalb dieser Regeln nichts getan werden. Der Weg des geringeren Übels ist im Allgemeinen der Weg, der den schlimmsten Monstrositäten der Menschheitsgeschichte Tür und Tor öffnet. Er entwaffnet uns, er desorganisiert uns, er ruft uns dazu auf, Institutionen und Führer*innen zu vertrauen, die die Interessen anderer sozialer Klassen verteidigen. Deshalb sollte es niemanden wundern, wenn sich ein neuer Wahlbetrug anbahnt, wie der von Perón im Jahr 1973, Alfonsín im Jahr 1983, Menem im Jahr 1989 usw.

Die Rolle der Arbeiter*innenorganisationen

Die Regierung ist immer noch nicht in der Lage, die Regierten und die bürgerliche Opposition in Schach zu halten.Auch kann sie die kämpferische Dynamik, die sich in der Arbeiterklasse entwickelt hat, nicht stoppen.. Die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie, Milei und den Provinzgouverneure Zeit zu geben, ist heute noch heimtückischer als früher. Mehrere Gewerkschaften, sowohl die CTA als auch die CGT, kündigten Streiks an, die sie jedoch sofort aussetzten, als sie zu Verhandlungen aufgefordert wurden; sie berufen Versammlungen nicht rechtzeitig ein, um zu verhindern, dass dort Entscheidungen getroffen werden könnten; sie ordnen alle ihre Schritte den gerichtlichen Eingaben und der Ausarbeitung von juristischen Anträgen und Beschwerden unter.

Die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse und der armen Bevölkerung müssen in Kampforganen zentralisiert werden. Wir schlagen die Gründung von Kampfkomitees an allen Arbeitsplätzen (Fabriken, Gesundheitszentren, Schulen, Universitäten, Verwaltungen, Häfen usw.) und in den Stadtvierteln vor. Wir müssen mit einem kämpferischen Arbeiter*innenprogramm die Gewerkschaftsorganisationen zurückgewinnen. Die Komitees müssen ihre Delegierten wählen, um ein übergeordnetes Gremium, eine kollektive Führung des Kampfes, aufzubauen. Und wir müssen eine revolutionäre Partei aufbauen, nicht um Illusionen in das Parlament und Wahlen zu verstärken, sondern als unser Hauptorganisationsmittel für den Kampf um die sozialistische Revolution.

Wir sagen mit Nachdruck:

  • Nein zur Tilgung der Auslandsschulden!
  • Schluss mit der Repression, es ist Zeit für Organe der Arbeiter*innen- und Volksselbstverteidigung!
  • Gegen Sparmaßnahmen und Inflation – Kampf und Organisation!
  • Für den Generalstreik bis zum Sieg!
  • Die Bosse sollen für die Krise zahlen!
  • Für eine Arbeiter*innenregierung!

29. Februar 2024,

Octubre Rojo