Die Volkspartei hat (im Bündnis mit der FPÖ) das Gesundheitswesen ruiniert – und nun, da das Trümmerfeld offensichtlich wird, beginnt selbst ein Teil ihrer Funktionäre zurückzurudern. Anton Mattle, ÖVP-Landeshauptmann von Tirol, gesteht öffentlich, was seit Jahren eine Tatsache ist: Die groß angelegte „Kassenreform“ der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz im Bündnis mit der „sozialen Heimatpartei FPÖ“ war ein Desaster. Sie hat nicht nur keine sogenannte „Patientenmilliarde“ gebracht, sondern das Gegenteil dessen bewirkt, was sie vorgab zu erreichen: Verschlechterung der Versorgung, Zentralismus ohne Demokratie und die Stärkung kapitalistischer Interessen im öffentlichen Gesundheitswesen.
„Die Fusion war fachlich ungenügend vorbereitet und hat zentrale Versprechen nicht eingelöst.“ (Johannes Steinhart, Ärztekammerpräsident)
Doch Achtung: Wenn Mattle & Co. jetzt vom „Föderalismus“ schwärmen, wenn Landesfürsten plötzlich vorgeben, das „System zu retten“, dann geht es nicht um das Wohl der Patient*innen oder die Interessen der Beitragszahler*innen. Es geht um die Rückgewinnung verlorener Machtspielräume innerhalb der staatlichen Verwaltung – innerhalb ihrer kapitalistisch verwalteten Ordnung. Ein Zurück zur föderalen Kleinstaaterei, mit all ihren Ineffizienzen, Doppelstrukturen und parteipolitisch versorgten Posten, kann keine Lösung sein. Und das schließt auch die SPÖ ein, deren Vertreter*innen sich nun mit bemerkenswerter Schlagseite auf Mattle berufen. Die Kritik der SPÖ an der Kurz-Reform mag in Teilen richtig sein – doch sie bleibt innerhalb des bestehenden Rahmens: Sie will die Verwaltung „reparieren“, nicht grundlegend verändern.
Die eigentliche Katastrophe: Entmachtung der Versicherten und Stärkung der Kapitalinteressen
Die Kassenfusion 2018 hatte zwei Ziele – und beide waren reaktionär:
- Die Entmachtung der Arbeiter*innenvertretung, deren Stimmen in der ÖGK systematisch zurückgedrängt wurden zugunsten der Unternehmerseite..
- Die Türöffnerfunktion für die weitere Privatisierung des Gesundheitssystems: Ein zentral gesteuerter, renditeorientierter Kassenapparat ist leichter für Investoren, Private-Equity-Fonds und Versicherungskonzerne zu durchdringen als 21 regional und politisch unterschiedliche Körperschaften.
Mit der ÖGK wurde ein bürokratischer Koloss geschaffen, der einerseits politisch gleichgeschaltet ist, andererseits nicht einmal nach kapitalistischen Kriterien betriebswirtschaftlich funktioniert. Die versprochene „Patientenmilliarde“ war nichts als ein ideologischer Blendgranatenwurf – eine PR-Kampagne zur Legitimation der Zerschlagung demokratischer Selbstverwaltung im Dienste kapitalistischer Akteure, wie die damals zuständige FPÖ-Ministerin nachträglich unverfroren eingestand.
Die Alternative: Demokratische Arbeiter*innenkontrolle statt bürgerlicher Verwaltung
Was notwendig ist, ist keine „Rückkehr“ zu irgendeinem föderalen Modell. Was notwendig ist, ist die Rückgabe des Gesundheitswesens an die Versicherten selbst, an die lohnarbeitende Bevölkerung, die das System überhaupt erst finanziert. Dafür braucht es:
- Die vollständige Wiederherstellung der Selbstverwaltung durch die Versicherten, also durch die Vertreter*innen der Arbeiter*innenklasse – ohne Beteiligung der Kapitalist*innen und ihrer Verbände, ohne politische Kommissare, ohne parteienstaatliche Kontrolle.
- Die Entfernung aller Kapitalinteressen aus dem Gesundheitswesen: Private Spitäler, Versicherungen und Pharma-Konzerne haben keinerlei Mitspracherecht in einem System, das auf Bedarf und Versorgung ausgerichtet sein muss – und nicht auf Profit.
- Eine offene, öffentliche Diskussion über den Umbau des Gesundheitswesens unter Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung: Versammlungen in Betrieben, Kliniken, Nachbarschaften – mit gewählten, rechenschaftspflichtigen Delegierten.
Schluss mit der Schönrederei: Der Kapitalismus ist das Problem
Die derzeitige Diskussion – ob von Mattle, Hacker, Doskozil oder Schallmeiner geführt – bleibt innerhalb der Logik der Profitwirtschaft. Sie will das System nicht abschaffen, sondern nur im betriebswirtschaftlichen Sinne effizienter gestalten. Doch der Kapitalismus ist unfähig, ein Gesundheitssystem im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zu organisieren. Er produziert Wartezeiten, Fachkräftemangel und Budgetlöcher nicht zufällig, sondern systematisch – als Folge seiner inneren Widersprüche.
Die sogenannten „Reformen“ sind nichts anderes als Angriffe, getarnt als Modernisierung. Die Verwaltung wird verschlankt, ja – aber auf dem Rücken der Patient*innen, der Pflegekräfte, der Ärzt*innen im öffentlichen Dienst.
Unsere Antwort:
Keine Rückkehr zum bürokratischen Föderalismus! Keine Rettung der missglückten Zentralisierung! Sondern: Vorwärts zur vollständigen Selbstverwaltung unter Kontrolle der Arbeiter*innenklasse!
Denn nur wenn die Arbeiter*innen selbst entscheiden, was wie finanziert wird, wo investiert wird und wer die Versorgung übernimmt, kann es ein Gesundheitssystem geben, das diesen Namen verdient.
„Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse selbst sein.“
— Marx, Statuten der I. Internationale