Gerechtigkeit für Nahel! Schluss mit der Lizenz zum Töten! Selbstverteidigung gegen die Polizei!

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Ohne Drohung, ohne Waffe, aus nächster Nähe erschossen

Am 27. Juni wurde der 17-jährige Nahel M. um 8.15 Uhr in Nanterre während einer Polizeikontrolle wegen Widersetzlichkeit von einem Motorradpolizisten der Direktion für öffentliche Ordnung und Verkehr der Polizeipräfektur Paris erschossen. Die von den Polizisten angeführte Notwehr “gegen ein Fahrzeug, das auf die Beamten zufährt, um sie zu rammen” wurde sofort von einigen Medien aufgegriffen, die schnell bereit sind, die Kleinkriminalität anzuprangern, aber die Kriminalität der Reichen und Mächtigen verheimlichen oder diesen schmeicheln (CNews, Europe 1, BFM-TV usw.).

Doch ein Video fegte die Lüge schnell beiseite. Es zeigt zwei Polizisten, die sich über die Fahrertür eines gelben Autos beugen, das in einer engen Einbahnstraße steht. Auf der Tonspur sind trotz der städtischen Hintergrundkulisse Drohungen zu hören: “Du bekommst eine Kugel in den Kopf”, schreit ein Polizist, der seine Handfeuerwaffe nur wenige Zentimeter von Nahel entfernt hält. Das Auto fährt wieder an und die Schüsse lösen sich aus nächster Nähe und führen zum Tod des Fahrers, dessen Auto einige Meter weiter gegen ein Verkehrsschild prallt.

Am 29. Juni prangert eine mächtige Demonstration das Verbrechen in Nanterre an. In dieser Stadt und in allen Großstädten des Landes erhebt sich die Jugend der proletarischen Viertel, die mehrheitlich Migrant*innen und ihre Nachkommen beherbergen und in denen sich Elend und Kleinkriminalität konzentrieren. Die Jugendlichen greifen Polizeistationen und Polizist*innen an, aber auch – aus Hilflosigkeit und Verzweiflung – die Autos der Anwohner*innen und Gemeinschaftseinrichtungen. Hubschrauber und Drohnen drehen jede Nacht ihre Runden und schaffen eine bürgerkriegsähnliche Atmosphäre. Am Morgen des 28. Juni bezeichnete der Innenminister Gérald Darmanin die Bilder des Videos als “extrem schockierend“.

Abgeordnete von PCF, PS und LFI schließen sich in der Versammlung den Macronisten an

Die EELV (Grüne) “erkennt die schwierigen und gefährlichen Aktionen an, die die Ordnungskräfte überall in unserem Land durchführen“, kritisiert aber den Missbrauch von Schüssen wegen Widersetzlichkeit. Die gleichen Parteien, die während der Bewegung gegen die Verschlechterung bei den Renten Mitleid mit den Polizist*innen und Gendarmen hatten, stellen sich mehr denn je hinter die Polizei: “Dies beeinträchtigt in keiner Weise die Unterstützung, die man den Polizisten schuldet” (Ciotti, RMC, 28. Juni), “Ich bin dafür, den Polizeikräften reine Selbstverteidigung zu zu gestehen” (Le Pen, BFMTV, 28. Juni),

Um den Aufstand in den Arbeiter*innenvierteln zu verhindern, erklärt der Präsident, dass das Vorgehen der Polizei “unverständlich und unentschuldbar” (Macron, 28. Juni) war, und die Abgeordneten aller Parteien, mit Ausnahme der Abgeordneten des RN (faschistoide „Nationale Sammlung“ Le Pens) und einiger LR („Republikaner“, reaktionär-konservative Partei), folgen der Aufforderung der Präsidentin der Nationalversammlung von Renaiisance (Partei Macrons), eine Schweigeminute abzuhalten. Wie heuchlerisch von den reformistischen Parteien, sich mit den Abgeordneten LIOT, LR und Renaissance, die zur Zerstörung der Slums in Mayotte aufgerufen haben, und den anwesenden Minister*innen gemein zu machen, obwohl die Regierung Macron-Borne-Darmanin die Hauptverantwortung für die Polizeigewalt trägt?

Macron verschont Polizei, Justiz und Armee von seinem Sparhaushalt, der staatliche Repressionsapparat wird ausgebaut und aufgerüstet. Mit Macron und Darmanin herrscht die „Entzivilisierung“ (spielt darauf an, dass Macron die „Gewalt in den Vorstädten“ als „Entzivilisierung“ bezeichnete – der Übersetzer): die Demütigung der Schüler’*innen in Mantes-la-Jolie 2018, fünf durch Polizeigranaten abgerissene Hände und 23 geblendete Personen unter den Gelbwesten 2018, Angriffe auf Gewerkschaftsblöcke während der großen Arbeiter*innenbewegungen 2016, 2019, 2023, Tod von zwei Umweltdemonstranten 2014 und 2023… Die Todesfälle wegen “Widersetzlichkeit” häufen sich, 13 allein im Jahr 2022.


Die republikanische Polizei verbessern?

Die PS “will eine Institution nicht belasten, die in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ihre Pflicht auf die beste Art und Weise erfüllt” (28. Juni). LFI fordert “‘eine tief greifende Reform der Funktionsweise der nationalen Polizei’” (28. Juni). Die PCF will “eine republikanische Polizei, die den Bürgern nahe steht und ihren Erwartungen und Bedürfnissen dient” (29. Juni).

Krokodilstränen! Die französische Polizei ist, weil sie Teil des Ausbeuterstaates ist, immer gegen Arbeiter*innen und Unterdrückte losgegangen, hat Streiks und Arbeiter*innendemonstrationen systematisch niedergeschlagen und tut es immer noch. Historisch gesehen hat sie im Auftrag der Nazi-Besatzer Juden und Jüdinnen zusammengetrieben und unter de Gaulle algerische Arbeiter*innen massakriert.

Die “reformistischen” Parteien stärken, wenn sie an der Macht sind, systematisch die Polizei und die Berufsarmee. Die Regierung Hollande-Cazeneuve erweiterte im Jahr 2017 die Liste der Fälle, in denen Angehörige der Ordnungskräfte das Feuer eröffnen dürfen.

Die sozialimperialistischen Parteien säen tödliche Illusionen über die „republikanische Polizei“, weil sie letztlich den französischen Kapitalismus und die bürgerliche Ordnung verteidigen. Die jüngste Budgeterhöhung für die imperialistische Armee bereitet ihnen keine allzu großen Sorgen. Die Gewerkschaftsführungen lassen die Polizisten und Gendarmen glauben, sie seien “Arbeiter wie alle anderen“, organisieren die Bullen und verteidigen ihre “Forderungen”, die eben das Recht zu töten beinhalten. Ihre pseudotrotzkistischen Helfershelfer treiben die Selbstverteidigung nicht voran. LO hat mehr als einmal noch mehr Bullen gefordert und deren Bewegungen unterstützt.

Die Polizei und die Berufsarmee sind jedoch bewaffnete Banden im Dienste des Kapitals, deren Mitglieder deutlich früher in Rente gehen können und im Vergleich zu Lohnabhängigen mit der gleichen Qualifikation überbezahlt werden. Sie existieren getrennt vom Rest der Gesellschaft, der seinerseits unbewaffnet bleibt.

In allen bürgerlichen Republiken, selbst in den allerdemokratischsten, ist die Polizei (ebenso wie das stehende Heer) das Hauptwerkzeug zur Unterdrückung der Massen und eine Voraussetzung stets möglicher Rückbildungen zur Monarchie.

Die Polizei prügelt das „gemeine Volk” sowohl in New York als auch in Genf und Paris; sie begünstigt die Kapitalisten entweder, weil sie sich direkt bestechen lässt (wie in Amerika usw.), oder dank einem System der „Vetternwirtschaft” und der „Fürsprache” reicher Leute (Schweiz), oder vermittels beider Systeme (Frankreich) . Da die Polizei vom Volke getrennt ist, eine besondere Berufskaste bildet, sich aus Leuten rekrutiert, die zur Gewaltanwendung gegen die ärmere Bevölkerung „abgerichtet” werden, die (von den unlauteren Einkünften ganz zu schweigen) einen etwas höheren Lohn erhalten und die Vorrechte der „Macht” genießen, so bleibt sie in allen demokratischen Republiken unter der Herrschaft der Bourgeoisie unvermeidlich ihr treuestes Werkzeug. (Lenin, Die Hauptsache vergessen, Mai 1917, Werke Bd.24/S. 374)

Arbeiter*inneneinheitsfront für die Selbstverteidigung der Arbeiter*innenund die Volksbewaffnung!

Angriffe auf die Feuerwehr, die Beschädigung von Bushaltestelen, Schulen, Mediatheken, Bussen, Straßenbahnen, Postämtern, den Autos von Arbeiter*innen, Geschäften, Bankfilialen … können keine wirksame Antwort auf Polizeiübergriffe sein und spielen ungewollt der Polizei, der Regierung, rassistischen bürgerlichen Parteien und faschistischen Gruppen in die Hände.

Die Führung der Bewegung muss von den Deklassierten, die zum Spaß zerstören und plündern, zum Proletariat übergehen, das für soziale Gerechtigkeit kämpft. Die Arbeiter*innen, die die Schulen ihrer Kinder schützen, gehen mit gutem Beispiel voran. Um Gerechtigkeit für Nahel und alle Opfer der Polizei zu erlangen, müssen wir unsere Selbstverteidigung organisieren. In jedem Stadtteil müssen Organe zum Schutz vor und zur Überwachung der Polizei gebildet werden. Die Polizei tötet und die Gesetze geben ihr immer mehr Macht. Dem müssen wir entgegenwirken, indem wir uns organisieren. Mit der Bildung von Selbstverteidigungsgruppen der Bevölkerung in den Arbeiter*innenvierteln kann die Jugend Gerechtigkeit einfordern, der Polizeimacht entgegentreten, sich ihrer Rechte bewusst werden und weitere Rechte einfordern.

Angesichts der Gewalt der Polizei und der Gewalt faschistischer Schlägertrupps (die immer mit der Polizei und der Armee verbunden sind), die in Frankreich immer weiter gegen Arbeiter*innen, Jugendliche, Migrant*innen usw. zunimmt, müssen sich die Gewerkschaften und die aus der Arbeiter*innenklasse hervorgegangenen Parteien unbedingt zusammenschließen, um die Demonstrationen, die Jugend, die Migrant*innen, die Streiks, die Arbeiter*innenviertel und unsere Kinder zu verteidigen. Wir müssen diese Forderung erheben, denn die Jugend und die Arbeiter müssen sich organisieren, um unser aller Leben zu schützen, die Repression zu verhindern und die Straflosigkeit der Polizei anzuprangern.

Nur die Volksbewaffnung und die Übernahme der Macht durch die Arbeiter*innen werden die bewaffneten Banden des Kapitals endgültig unschädlich machen. Aber schon jetzt liegt es in der Verantwortung der Arbeiter*innenbewegung, in allen Wohngebieten mächtige Demonstrationen gegen Polizeigewalt und -mord unter folgenden Losungen zu organisieren:

Entwaffnet die Polizei!
Nieder mit der Regierung Macron-Darmanin!
Arbeiter*innenregierung!

Groupe Marxiste Internationaliste, Sektion des CoReP