Wie weiter im Kampf für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit?

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Ein Diskussionsbeitrag der Gruppe Klassenkampf

Wie wir auf der Demo als GKK in unterschiedlicher Form klar gemacht haben (durch Flugblätter, Zeitung, Sprechchöre und Statements): Die Gewerkschaftsbürokratie möchte mit der Regierung über die Arbeitszeit “verhandeln”, sie will zurück zur Sozialpartnerschaft, sie will die geplante Regierungsvorlage nicht durch Mobilisierungen und Streiks zu Fall bringen.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian:

„Nehmen Sie bitte Ihr eigenes Programm ernst, in dem so viel von Demokratie und Bürgerbeteiligung die Rede ist. Wenn Sie wissen wollen, ob die Leute 12 Stunden am Tag oder 60 Stunden in der Woche arbeiten wollen, oder wenn Sie wissen wollen, ob die Leute den Schmäh glauben, dass man in der Privatwirtschaft öfter Überstunden ablehnen kann, ohne seine Arbeit zu verlieren, dann fragen Sie doch die Leute. Machen Sie eine Volksabstimmung und respektieren Sie das Ergebnis!“ (Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident, 30. 6. 2018)

Noch klarer der GÖD-Vorsitzende, Vorsitzende der Christlichen Gewerkschaftsfraktion Norbert Schnedl:

„Wir müssen den sozialpartnerschaftlichen Dialog intensivieren. Die Sozialpartnerschaft sichert den sozialen Frieden in Österreich –  das hat Österreich zu einem der reichsten und erfolgreichsten Länder der Welt gemacht. Ausbauen, nicht abbauen, muss die Devise lauten“, fordert Norbert Schnedl und pocht darauf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

„Dass ein Gewerkschaftsfunktionär bei seiner Rede den Sturz der Regierung fordert, ist inakzeptabel und für das legitime Anliegen, einen sozialpartnerschaftlichen Dialog  auf Augenhöhe einzufordern, kontraproduktiv. Er hat ein grundlegendes Prinzip des ÖGB nicht verstanden – die Überparteilichkeit“, schließt Schnedl. (Norbert Schnedl, ÖGB-Vizepräsident, 30.6.2018)

Das “inakzeptable Verhalten” war die Rede des Vorsitzenden der Postgewerkschaft Helmut Köstinger, der erklärte, man müsse die unsoziale und ungerechte Regierung stürzen. Zumindest in diesem Punkt können wir ausnahmsweise einem Spitzenfunktionär einer Einzelgewerkschaft zustimmen!

Schon bei der Schlusskundgebung tat Wolfgang Katzian alles in seiner Macht stehende, um den Eindruck einer radikalen Linie des ÖGB zu vermeiden:

“Wir akzeptieren jede demokratisch gewählte Regierung” (Katzian, ÖGB-Präsident, bei der Abschlusskundgebung)

Ohne einen Vergleich zwischen den IV- und WKÖ-Marionetten und den Nazis ziehen zu wollen – aber genau mit diesem Argument “wir akzeptieren jede demokratisch gewählte Regierung” verweigerten im Jänner 1933 die Freien Gewerkschaften in Deutschland die Mobilisierung in der Betrieben gegen die Hitler-Regierung.

Die ÖGB-Spitze spürt den Unmut an der Basis, ebenso, wie ihn die Regierungsparteien spüren. Vor allem für die FPÖ ist die Situation prekär, weil ihr Tarnmäntelchen von der “sozialen Heimatpartei” schon ganz schön zerschlissen ist.

Auch auf der Demonstration haben wir immer und immer wieder daran erinnert, dass einen Tag vor der Demo der Klubobmann der Freiheitlichen im Nationalrat, Johann Gudenus, ganz klar gesagt hat, was das strategische Ziel seiner Partei und der Regierung ist:

“…Dass der Betriebsrat eben nicht mehr seine Macht ausüben kann und seine Kontrollfunktion…” Johann Gudenus, FP-Klubobmann in der Sondersitzung des Nationalrats am 29. 6. 2018

Die Regierung schluckt unter dem Druck der Empörung ein paar Milligramm Kreide und “modifiziert” ihren Gesetzesentwurf, indem sie die “Freiwilligkeit” bei den Überstunden in das Gesetz hineinnehmen will. Der ideologische Drahtzieher hinter diesem Angriff auf Freizeit, Gesundheit und Brieftasche der Lohnabhängigen, der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, spricht im Gegensatz dazu Klartext. Am Tag der Sondersitzung des Nationalrats erklärt er im KURIER-Interview:

Trotz Freiwilligkeit: Sagt man öfter „Nein“, steigt doch die Gefahr, gekündigt zu werden.

Kapsch: Wenn jemand nicht leistungswillig ist, hat er generell ein höheres Risiko, gekündigt zu werden. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass in der heutigen Zeit Arbeitnehmer gezwungen werden könnten.” (Kurier, 29. 6. 2018)

Und während die Sprecher der Regierung, und wieder der unsägliche Gudenus mit dem Habitus eines Halbstarken auf Steroiden draufloslabern, dass das Gesetz eigentlich eh nicht angewendet werden würde, und wenn, dann nur, damit die Lohnabhängigen endlich ein bisserl mehr Freizeit hätten, spricht Kapsch wieder einmal klare Worte:

“Werden Sie den 12-Stunden-Tag in Ihrem Betrieb umsetzen?

Selbstverständlich. Und es wird nicht zum Nachteil unserer Mitarbeiter sein.” (Kurier, 29. 6. 2018)

Wir haben bei der Demonstration am 30. Juni immer wieder in Redebeiträgen auf die Erfahrungen der französischen Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf gegen die Sozialabbaupläne der Regierung Macron hingewiesen. In der letzten Ausgabe des KLASSENKAMPF findet sich dazu ein ausführlicher Artikel. Die Lehre aus der letztlichen Niederlage der großen sozialen Bewegungen in Frankreich gegen die Unterminierung der Arbeitsgesetze, die Angriffe auf Arbeitszeit und Löhne ist die: Während ab Jänner die Lohnabhängigen, in vorderster Front als Vorhut die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, zum Kampf bereit waren, haben die Bürokratien ausnahmslos aller Gewerkschaften die Arbeiter verraten, indem sie sich zu “Verhandlungen” mit der Regierung bereit erklärten und sich sogar noch geschmeichelt fühlten, im Präsidentenpalast empfangen zu werden.  

Um die Militanz der Basis zu kanalisieren und zu verhindern, dass sich die Wut der Arbeiterinnen und Arbeiter auch gegen sie wendet, ließen sie die kämpferischen Energien der Massen in Aktionstagen und Rotationsstreiks verpuffen. Nein, niemand konnte sagen, die Gewerkschaften hätten nicht gekämpft: bloß wurden die Gewehre mit Platzpatronen geladen, statt einem Generalangriff (also einen Generalstreik) lieferte man sich sinnlose Rückzugsscharmützel und ließ die große Armee der kampfbereiten Proletarierinnen und Proletarier ungeschützt, aber angespannt, solange auf das Zeichen zum Angriff warten, bis die Ermüdung zu groß geworden war und sich das Heer verlief.

In einem zweiten Artikel in der Nummer 31 des KLASSENKAMPF zeigen wir am Beispiel des Spanischen Staates, wohin diese Politik des permanenten Verrats durch die Reformisten und ihre Gewerkschaften führt: Zur Lähmung und Zersplitterung des Widerstandes gegen immer frecher werdende Angriffe der Kapitalistinnen und Kapitalisten, die sicher sein können, dass ihnen von dieser Seite kein Widerstand droht.

Unsere Linie, die wir in der Zeitung und in Flugblättern ohnehin entwickelt haben, müssen wir jetzt ganz klar zuspitzen:

  • Keine Werbung für eine Reanimation der verwesenden Leiche Sozialpartnerschaft!
  • Die Sozialpartnerschaft hat den Lohnabhängigen in den letzten Jahrzehnten nichts gebracht als laufende Reallohnverluste und den Kapitalisten höhere Profite!
  • Zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten kann es keine Partnerschaft geben!
  • Keine “Volksabstimmung” über die Arbeitszeit – Arbeitszeit ist eine Klassenfrage!
  • Das Ziel kann nicht sein: Die alte, schlechte Arbeitszeitgesetzgebung für alle Ewigkeit zu verteidigen.
  • Um Arbeitsplätze zu schaffen, die Situation der Ärmsten der Gesellschaft, seien sie Migrantinnen, Migranten oder “Inländer_innen” mit einem Schlag zu verbessern: Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich, unabhängig von Herkunft, Sprache, Geschlecht, Religion, Alter!
  • Vollversammlungen in den Betrieben! Bildung von Aktionskomitees zur Organisierung des Widerstandes!
  • Für Demokratie in den Gewerkschaften! Weg mit den Langzeitgewerkschafts”beamten” – Rotationsprinzip und Reduktion der Löhne auf das Niveau qualifizierter Facharbeiter!
  • Rechenschaftspflicht und Abwählbarkeit der Gewerkschaftsfunktionäre!
  • Für Streikaktionen, koordiniert, branchenübergreifend und landesweit

Mit diesem Aktionsprogramm werden wir in den nächsten Wochen in die Protestbewegung gegen schwarz-blau intervenieren. Den fortgeschrittensten Werktätigen werden wir im Zuge dieser Intervention klar sagen: Generalstreik, gewerkschaftlicher Kampf alleine werden nicht reichen, um diese Regierung in die Knie zu zwingen. Dazu bedarf es des politischen Kampfes, der umfassend auf alle Attacken antwortet: Im Sozialbereich, in der Bildung, bei den Pensionen, bei der Mindestsicherung, beim Arbeitslosengeld, bei den demokratischen Freiheiten. Gewerkschaft ist eine Sache, aber notwendig ist eine Partei, die ein abgerundetes, umfassendes Programm der sozialen Befreiung bietet – eine neue revolutionäre Arbeiterinnenpartei!

Gruppe Klassenkampf, 2. Juli 2018