Türkei: Das „Jahr der Familie“ der Bourgeoisie und die neue Sklaverei, die der Arbeiter*innenklasse auferlegt wird

(EKIB/Türkei)

Der Präsident der Republik, Erdoğan, hat beschlossen, das Jahr 2025 zum „Jahr der Familie“ zu erklären, und seinen Aufruf erneuert, mindestens drei Kinder zu bekommen. Diese Erklärung ist nicht nur konservative Rhetorik, sondern auch ein ideologisches und ökonomisches Instrument der sich vertiefenden Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse. Während die kapitalistische Ordnung versucht, die sinkende Geburtenrate zu lösen, bevor sie zu einem Problem für die Arbeitskraft wird, verstärkt sie durch ihre Politik gegenüber Frauen und LGBTIQ+-Personen den patriarchalen Kapitalismus.

1. Die „Familie“ und die Reproduktion weiblicher Arbeit für das Kapital

Die Geburtenrate in der Türkei, die im Jahr 2000 bei 2,53 Kindern pro Frau lag, ist bis 2023 auf 1,51 Kinder gesunken. Laut den Projektionen des TÜİK [dem türkischen Statistikamt, dem französischen INSEE entsprechend] wird die Bevölkerung ab 2040 abnehmen.

Kapitalistische Staaten entwickeln Politiken zur Erhöhung der Geburtenrate, um die Arbeitskraft zu erneuern. Die AKP in der Türkei schmückt diesen Prozess mit konservativen Diskursen.

Die Propaganda von „mindestens drei Kindern“ erhöht die unbezahlte Hausarbeit der Frauen und hindert sie daran, an der sozialen Produktion teilzunehmen. Der für das Kapital profitabelste Zustand weiblicher Arbeit besteht darin, Frauen auf unbezahlte Hausarbeit für die Familie und auf prekäre, flexible und schlecht bezahlte Beschäftigungen zu reduzieren.

2. Die natalistische Politik des Staates: Reproduktion in Armut

Um die Geburtenrate zu erhöhen, hat die AKP ihre ideologischen Apparate durch die Schaffung von Familieninstituten und eines Instituts für Bevölkerungspolitik verstärkt.

Die im Rahmen der Förderung von drei Kindern (!) gewährte monatliche Unterstützung beläuft sich auf tragikomische 358,55 Türkische Lira [etwa 10 Euro]. Arbeiter*innenfamilien, die mit einem Gehalt nicht über die Runden kommen, werden durch den Anreiz zu mehr Kindern zur Armut verdammt.

Kindergärten und Betreuungsdienste sind nahezu nicht existent. Während die Kinderarmut und die Probleme beim Zugang zur Bildung zunehmen, benutzt der Staat das Konzept der Familie als Mechanismus, um seine Verantwortung abzuwälzen.

3. Der „Familien“-Diskurs: Wie die Arbeitskraft diszipliniert wird

Für den Kapitalismus ist die Familie nicht nur ein Mittel der biologischen Reproduktion, sondern auch der ideologischen Disziplinierung. Die den Frauen und Kindern der Arbeiter*innenklasse auferlegten Rollen dienen der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung.

Da es unmöglich wird, mit einem einzigen Gehalt zu überleben, werden Frauen entweder vollständig auf Hausarbeit reduziert oder in flexible, sozial ungesicherte und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse gedrängt.

Während der Staat es vermeidet, Maßnahmen zur Entlastung der Frauen bei der Hausarbeit zu ergreifen, versucht er mit seiner Propaganda der „starken Familie“, die Arbeiter*innenklasse in traditionellen Rollen zu halten.

4. Konkretes Kampfprogramm gegen das kapitalistische Familienmodell

  • Der Elternurlaub muss verlängert, für beide Elternteile zugänglich und bezahlt werden.
  • Die Care-Arbeit muss vergesellschaftet, alle Gesundheits- und Pflegedienste enteignet werden.
  • Der gewerkschaftliche Kampf gegen prekäre und flexible Arbeit muss verstärkt werden.
  • Gegen die Ausbeutung weiblicher Arbeit muss der gemeinsame Klassenkampf unter der Führung der Arbeiterinnen gestärkt werden.

5. Der Diskurs von der „heiligen Familie“ und die Feindseligkeit gegenüber LGBTIQ+

Erdoğan und die AKP führen, während sie den Diskurs von der „heiligen Familie“ verstärken, eine systematische Hexenjagd gegen LGBTIQ+-Personen.

Die Feindseligkeit gegenüber LGBTIQ+-Personen ist Teil der kapitalistischen Strategie, die Arbeiter*innenklasse zu spalten. Während das heteronormative Familienmodell die Reproduktion der Arbeitskraft sichert, versuchen die ideologischen Apparate des Kapitalismus, das Konzept der Familie zu stärken, indem sie LGBTIQ+-Personen ignorieren.

Daher ist der Kampf gegen Homophobie nicht nur ein Identitätskampf, sondern ein Kampf für die Emanzipation aller unterdrückten Teile der Arbeiter*innenklasse.

Schlussfolgerung: Arbeiter*innenmacht gegen das kapitalistische Familienmodell!

Die Ausrufung des „Jahres der Familie“ durch die AKP ist nichts anderes als konservativer Druck auf die Arbeiter*innenklasse. Der Rückgang der Geburtenrate zeigt, dass das System in der Krise steckt. Um diese Krise zu überwinden, zielt der Kapitalismus darauf ab, die Ausbeutung der weiblichen Arbeit zu intensivieren, die Arbeiter*innenklasse stärker zu überwachen und den gesellschaftlichen Druck durch die Förderung der Feindseligkeit gegenüber LGBTIQ+-Personen aufrechtzuerhalten.

Angesichts dieser Angriffe muss die Arbeiter*innenklasse eine Kampfstrategie entwickeln, die die Emanzipation der Frauen und aller Unterdrückten ins Zentrum rückt und die sklavenähnlichen Dimensionen des Familienkonzepts ablehnt. Gegen die „heilige Familie“ des Kapitalismus muss die Alternative der Arbeiter*innenmacht gestellt werden, die vergesellschaftete Care-Arbeit, gleiche Rechte für Frauen und die Freiheit der Geschlechter verteidigt!

9. Februar 2025
Zeynep Duman