Am 29. September 2025 hat US-Präsident Donald Trump in Gegenwart des israelischen Premierministers Netanjahu einen 20 Punkte umfassenden „Friedensplan“ zur „Beendigung des Krieges in Gaza“ präsentiert. Netanjahu stimmte ihm öffentlich zu.
In seltener Einmütigkeit klatschen sogar sonst Trump-kritische Medien und kapitalistische Regierungen neben den geschworenen Fans der MAGA-Ideologie Beifall. Die reformistischen Parteien (Labour, Sozialdemokrat*innen oder „Kommunist*innen), die liberalen bürgerlichen (im Sinne der Demokrat*innen) oder grünen Parteien sprechen von einer „Bresche“, einer „Stimme für den Frieden“, einen „ersten Schritt“. Sie konzedieren dem US-Präsidenten, der gerade die Städte der USA als Übungsgelände für die Armee nutzen will, den Titel „Friedensengel des Jahres“.
Aber der Trump-Plan ist keine „Friedenslösung“. Er ist der Versuch:
- den Widerstand der Palästinenser*innen zu zerschlagen,
- die nationale Frage unter eine inter-imperialistische Kontrolle zu stellen,
- die Gaza-Region in ein „Labor“ kapitalistischer Sonderwirtschaftszonen zu verwandeln,
- und die koloniale Herrschaft Israels zu stabilisieren.
Er steht in direkter Kontinuität zu früheren falschen „Friedensplänen“ (UN-Teilungsplan 1948, Oslo-Abkommen 1993, Roadmap 2003, Kushner-Trump-Plan 2020, Biden-Plan 2024), die immer ein Ziel hatten: die Anerkennung des kolonialen Status quo der Besatzung Palästinas und die Verhinderung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes.
Ein religiöser Konflikt?
Die Kolonisierung Palästinas seit Ende des 19. Jahrhunderts durch die zionistische Bourgeoisie mit Hilfe der Großmächte hat eine nationale Frage geschaffen: Die Palästinenserinnen (ob Musliminnen oder Christ*innen) wurden von ihrem Land vertrieben und durch den Kolonialstaat (dessen Gründer weithin atheistisch waren) oder durch andere imperialistische Vasallen (Jordanien, Syrien, Libanon usw.) unterdrückt. Trump behauptet demgegenüber, es handle sich nur um ein religiöses Missverständnis: „Ein Prozess des interreligiösen Dialogs wird etabliert“ (Punkt 10).
Erpressung mit Hilfe
Hilfslieferungen, Infrastrukturaufbau, Rückführung von Gefangenen usw. (Punkte 2, 5, 7, 8) werden nicht als Rechte, sondern als Gefälligkeiten angeboten – unter der Bedingung der politischen Kapitulation. Die humanitäre Katastrophe in Gaza, die Israel selbst durch Blockade und Bombardierungen geschaffen hat, wird so zum Hebel, die Bevölkerung in Geiselhaft zu nehmen.
Einseitige „Entmilitarisierung“
Die Kernpunkte drehen sich um die Entwaffnung der palästinensischen Widerstandsorganisationen (Punkte 1, 6, 13, 15, 16, 17). Das bedeutet: die Entrechtung der unterdrückten Nation soll institutionell verankert werden. Ohne Waffen und Organisationen bleibt das palästinensische Volk der israelischen Zwangsordnung und den westlichen imperialistischen Mächten ausgeliefert.
Begriffe wie „deradikalisiert“ oder „terrorismusfrei“ (Punkt 1), „terroristisch“ (Punkt 13) „Entmilitarisierung“ (Punkt 16), „vom Terrorismus befreite Zonen“ (Punkt 17) dienen dazu, den legitimen Befreiungskampf als „Terrorismus“ zu diffamieren. Damit wird jeder Widerstand kriminalisiert, während die jahrzehntelange koloniale Gewalt des Zionismus als „Sicherheit“ definiert wird.
Übergangsverwaltung
Die Ernennung eines „technokratischen, unpolitischen palästinensischen Komitees“ nicht durch die Palästinenser selbst, sondern durch den „von Donald Trump geleiteten und präsidierten Friedensrat“ (Punkt 9) ist nichts anderes als eine Bevormundung des palästinensischen Volkes.
Riviera oder verlängerte Werkbank?
Der „Wirtschaftsentwicklungsplan von Trump“ für „blühende moderne Städte“ und die Einrichtung einer „Sonderwirtschaftszone “ (Punkte 10, 11) zeigen, dass es nicht um nationale Selbstbestimmung geht, sondern um die Einbindung des Gazastreifens in die imperialistische Weltordnung, eine Pax Americana, als Standort billiger Arbeitskräfte.
Zwei Besatzungstruppen
Die militärische Besetzung bleibt bestehen, wird jedoch teilweise von Israel (für das sie kostspielig ist) auf eine „internationale Stabilisierungstruppe” (Punkt 15) übertragen, die de facto eine Besatzungstruppe aus arabischen oder anderen Hilfstruppen wäre, die zwar nicht amerikanisch sind, aber unter amerikanischem Kommando stehen. Die zionistische Armee behält durch das Recht auf eine „Präsenz in einem Sicherheitsbereich” freie Hand (Punkt 15).
Der Zwei-Staaten-Mythos
Erst „wenn“ Gaza befriedet, entwaffnet und investorenfreundlich ist, und „wenn“ die PA reformiert ist (Punkte 9, 19, 20), dann könnten „die Bedingungen für einen glaubwürdigen Weg zur Selbstbestimmung und zur Schaffung eines palästinensischen Staates gegeben sein“. Schon die Verwendung des Konditionals („könnten“) zeigt, dass es sich um eine klassische Vertröstung handelt: Der Staat Palästina bleibt ein ewiges Versprechen, abhängig von Bedingungen, die von den Imperialisten und von Israels Zustimmung definiert werden – und somit nie erfüllt werden.
Grundcharakter des Plans
Der gesamte Plan ist kein Friedensplan, sondern ein imperialistisches Diktat. Er läuft nicht auf nationale Befreiung hinaus, sondern auf die dauerhafte Unterordnung unter die Interessen Israels und der USA. Dass Trump selbst und Figuren wie Tony Blair als Oberaufseher eines „Board of Peace“ auftreten sollen, macht den neokolonialen Charakter offen sichtbar: Gaza wird wie ein Protektorat behandelt, nicht als Teil eines souveränen palästinensischen Staates.
Die Hamas akzeptiert den von Trump vorgegebenen Rahmen
Trotz allem wird es Netanjahu schwerfallen, den Plan den rassistischen und faschistischen Parteien seiner Regierungskoalition schmackhaft zu machen.
Die Hamas verkündete trotz des unermesslichen Leids der Bewohner Gazas und ihrer eigenen Rückschläge immer wieder ihren Sieg: die Ermordung ihrer Führer im In- und Ausland durch Israel, die Abwendung der Hisbollah im Libanon und der islamistischen Regime in Syrien und im Iran, die Reduzierung auf sporadische Guerillakämpfe in Gaza… Unter dem Druck des Financiers Katars kann sich ihre Führung Trump nicht frontal widersetzen. Am 3. Oktober sandte sie ein positives Signal an die „Vermittlerstaaten” (Ägypten, Katar, Türkei).
Die Hamas erklärte sich am Freitag bereit, im Rahmen des von Donald Trump vorgeschlagenen Plans sofortige Verhandlungen über die Freilassung der in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln und die Beendigung des Krieges aufzunehmen. (L’Orient-Le Jour, 3. Oktober)
Nach der positiven Antwort der islamistischen Regierung in Gaza zeigte sich Trump in einem sofort danach aus Washington gesendeten Video erfreut („Es ist ein großer Tag”) und forderte Israel auf, die Bombardierung des Gazastreifens einzustellen, was bis heute nicht geschehen ist.
Das unterdrückte Volk verteidigen
Die internationale Arbeiter*innenbewegung und ihre Organisationen, Parteien und Gewerkschaften müssen diesen neokolonialistischen Plan entschieden zurückweisen. Auf der Tagesordnung stehen unmittelbar folgende Forderungen:
- Sofortige und bedingungslose Beendigung der Blockade Gazas, Öffnung aller Grenzübergänge.
- Sofortiger Abzug der israelischen Armee aus Gaza, der Westbank, aus dem Libanon und Syrien!
- Internationale Kampagne aller Gewerkschaften für ein Verbot der Produktion und Lieferung von Waffen und Öl an Israel! Wie in Spanien und Italien: Massenkundgebung mit Blockade von zionistischem Militärmaterial in Häfen, Flughäfen und auf Straßen!
- Freilassung aller palästinensischen Gefangenen in israelischen und internationalen Gefängnissen sowie aller Aktivisten, die sich für die palästinensische Sache einsetzen, wie beispielsweise die Mitglieder der internationalen Flottille
- Volles Rückkehrrecht für alle vertriebenen und geflüchteten Palästinenser*innen von 1948 bis heute.
- Für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes: Das palästinensische Volk muss frei über seine politische Zukunft entscheiden können, ohne „internationale Stabilisierungstruppe” oder „Zwischentruppen” der UNO, ohne einen von Trump geleiteten Friedensrat.
- Keine Entwaffnung des Widerstands, sondern das Recht auf Selbstverteidigung gegen koloniale Unterdrückung.
- Verurteilung der arabischen Regierungen, die durch Normalisierung mit Israel und Zusammenarbeit mit den USA und der EU den Befreiungskampf verraten – von Ägypten bis Saudi-Arabien.
- Schluss mit den Plänen für Sonderwirtschaftszonen und kapitalistische Ausplünderungsprojekte. Die Ressourcen Palästinas (inklusive Gaza) gehören dem palästinensischen Volk und allen dort lebenden Arbeiter*innen.
- Unabhängige Organisation der palästinensischen Arbeiter*innen und Jugend gegen die palästinensischen bürgerlichen Führungen (Hamas, Fatah, Dschihad, …).
- Arbeiter*inneneinheitsfront in Israel und im gesamten Nahen Osten: gemeinsame Aktionen der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen gegen Zionismus, Imperialismus und arabische Monarchien und Diktaturen.
- Enteignung der großen Konzerne und Kapitalgruppen (in Israel und in der Region), die von Krieg, Rüstungsproduktion und Bauprojekten profitieren.
- Für ein einheitliches, demokratisches, mehrsprachiges sozialistisches Palästina – vom Jordan bis zum Mittelmeer, mit gleichen Rechten für alle.
- Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens als einzige Perspektive, das palästinensische Selbstbestimmungsrecht mit der Befreiung der arabischen,, kurdischen, persischen, türkischen, jüdischen Massen und dem Sturz des Imperialismus zu verbinden.
4. Oktober 2025
Kollektiv Permanente Revolution (CoReP)
Argentinien, Frankreich, Österreich, Spanischer Staat, Türkei