In Nummer 24 unserer Zeitschrift KLASSENKAMPF haben wir erläutert, warum wir revolutionären Marxistinnen und Marxisten das Amt des Bundespräsidenten ablehnen:
“Das Amt des Bundespräsidenten in seinem derzeitigen Aussehen wurde mit der Verfassungsreform 1929 im Geiste des damals aufstrebenden Austrofaschismus unter dem Druck der Heimwehren erschaffen. Zu den repräsentativen Aufgaben kam eine große Machtfülle hinzu, welche bis heute Gültigkeit hat. Sie umfasst unter anderem die Ernennung und Entlassung der Regierung, des Bundeskanzlers, der Minister und Staatssekretäre, die Gegenzeichnung von Gesetzen, die Einberufung des Parlaments und der Landtage, die Verfügung von Begnadigungen, die Niederschlagung von Strafverfahren, der Oberbefehl über das Bundesheer sowie den Erlass von Notverordnungen. 1933 nutzte Bundespräsident Wilhelm Miklas nach der Auflösung des Parlaments seine Befugnisse derart aus, dass er das Machtvakuum so lange aufrecht hielt, bis seine Christlichsoziale Partei (Vorgängerpartei der ÖVP) den faschistischen Ständestaat errichten konnte”.
Die politische Farce, die sich rund um die Präsidentenwahlen 2016 abspielt, kann nicht damit enden, dass jeder sein eigenes Kuvert zur Wahlurne oder für sein Brieflos – pardon: seinen Brtiefwahlstimmzettel – mitbringt; bereits die Vorgänge, die zur Aufhebung des Ergebnisses des 2. Durchgangs der Wahlen geführt haben, zeigen, wie undemokratisch es in der bürgerlichen “Demokratie” wirklich zugeht:
Da der Kandidat der reaktionären FPÖ gegen den ebenso bürgerlichen, aber in ein paar Punkten “liberaleren” Kandidaten unterlegen war, wurde das Höchstgericht angerufen, das auf Grund unbestreitbarer Formfehler eine Wahlwiederholung beschloss. Dies sogar gegen den Geist der bürgerlichen Verfassung, denn selbst böswillige Wahlmanipulationen hätten am Ergebnis der Wahlen nichts geändert – und dies wäre eine Bedingung für eine Wahlwiederholung gewesen.
Mittlerweile hat die FPÖ verbal und medial aufmunitioniert. Mit allen Mitteln soll versucht werden, Norbert Gerwald Hofer (siehe dazu unseren Kommentar über den berufsunfähigen Kandidaten) in die Hofburg zu hieven. Keine Demagogie, keine Lüge ist zu mies, um nicht über soziale Medien verbreitet zu werden. Ziel ist es nicht, den Grünen Van der Bellen madig zu machen, sondern das bestehende System der indirekten parlamentarischen Demokratie.
Statt dessen wird viel von der “direkten Demokratie” schwadroniert – und das heißt im Klartext: ein starker Präsident (“ihr werdet sehen, was alles geht”), der sich auf eine (FPÖ) Regierung stützen soll, die durch Volksbefragungen regiert. Das Parlament wird so ausgehebelt, das Regieren auf der Basis populistischer Kampagnen vorbereitet.
Wir haben immer erklärt: Die “bürgerliche Demokratie” ist eine verschleierte Diktatur der herrschenden Klasse. Die Interessen der arbeitenden Bevölkerung wurden und werden in den Parlamenten der Herrschenden nie vertreten. Wir haben eine andere Vorstellung von Demokratie, die sich genauso 180-grädig von der populistischen “direkten Demokratie” der Freiheitlichen und anderer Reaktionäre unterscheidet: Die Machtausübung durch direkt von den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Werktätigen und Jugendlichen, den Menschen in den Betrieben, Stadtvierteln, Dörfern, Universitäten, Schulen… direkt gewählte Delegierte, die rechenschaftspflichtig und jederzeit absetzbar sind, wenn sie dem Willen ihrer Wählerinnen und Wähler nicht entsprechen. Diese Rätedemokratie ist der bürgerlichen haushoch überlegen – sie setzt aber voraus, dass die Macht der herrschenden Klasse gebrochen wird.
Leider sind wir von diesem Ziel, das im Rahmen eines sozialistischen revolutionären Prozesses erkämpft werden muss, weit entfernt. Dennoch stellen wir es zur Diskussion. Utopisch? Unmöglich? Wer sagt das in einem Land, in dem ein Staatsapparat mit Ministerien, Beamten, Wahlbehörden und Wahlbeisitzern nicht einmal im Stande ist, klebende Stimmkuverts zustande zu bringen?
Wir lehnen diese bürgerliche Demokratie ab – aber wir verteidigen alle demokratischen Errungenschaften, die sich die Arbeiterinnen und Arbeiter im Laufe der Geschichte unserer Klasse erkämpft haben. Dazu gehört auch das Wahlrecht, daher lehnen wir die Rufe nach einem “direktdemokratischen” starken Staat ab!
Ein erster Schritt muss die Abschaffung des teuren und für die arbeitenden Menschen unnötigen Amts des Bundespräsidenten sein!
Unabhängig davon rufen wir die arbeitenden Menschen, alle Werktätigen, die Jugend auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und ungültig zu wählen.
Für uns ist kein bürgerlicher Kandidat wählbar – weder Cholera noch Pest!