Sie wollen zurück in‘s 19. Jahrhundert – Wir bieten ihnen ein neues 1917!
Am 14.. Juni 2018 sind die Pläne für die Änderungen zum Arbeitszeitgesetz von der blau-schwarzen Mehrheit. durchaus überraschend vom Zeitpunkt her im Parlament vorgestellt worden. Das Thema stand nicht auf der Tagesordnung und provokanterweise sollte der Initiativantrag zur Diskussion dem Wirtschaftsausschuss, nicht dem logisch zuständigen Arbeits- und Sozialausschuss, zugewiesen werden. Das Gesetz soll jetzt noch vor der Sommerpause ohne hinreichende Diskussion und Begutachtungsphase im Juli durchgepeitscht werden . Dagegen gab es Protest der Opposition, über den drübergefahren wurde.Soweit zum Formalen – „speed kills“ darf wieder einmal gesagt werden, und die parlamentarischen Möglichkeiten werden mit Geschäftsordnungstricks ausgedünnt. Auffallend: Der 14. Juni fiel „zufällig“ mit dem letzten Tag des ÖGB-Bundeskongresses zusammen. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache scheinen mit ihrem Timing eine klare Botschaft an den neuen Gewerkschaftsbund-Präsidenten Wolfgang Katzian gesendet zu haben: Tschüs, Sozialpartnerschaft und Konsens, jetzt wird knallhart durchgegriffen.
In der Sache haben wir es bei der sogenannten „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit mit einem direkten Angriff auf ein Herzstück der Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung zu tun, nämlich der Aushebelung eines Schutzgesetzes für ArbeiterInnen: es wird, kurz gesagt, den Kapitalisten erlaubt Arbeit 12h am Tag und 60h in der Woche anzuordnen!
Wenn man sich den Gesetzesentwurf näher anschaut, kommt man zum Ergebnis, dass die Bestimmungen sehr arbeitgeberfreundlich sind und den Wünschen der Wirtschaft entsprechen, wie die folgenden Punkte belegen:
- Die Anhebung der Höchstarbeitszeit auf 12h pro Tag und 60h pro Woche bedeutet, dass ein Großteil der bisherigen Arbeitszeitverstöße nunmehr straffrei wird. Durch diese und die anderen neuen Änderungen werden Risiken für Arbeitgeber aus Kontrollen der Arbeitszeit durch das Arbeitsinspektorat massiv reduziert.
- Arbeitnehmer könnten in Zukunft verpflichtet sein, bis zu 10 Stunden pro Tag und 50Stunden pro Woche zu arbeiten, ohne dies aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen zu können, weil das Gesetz dieses Recht erst ab der 11. Stunde pro Tag bzw 51. Stunde pro Woche greift. Allerdings bleibt die allgemeine Regel, wonach berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Überstundenarbeit an sich nicht entgegen stehen dürfen, unverändert. Die Auswirkungen der Änderungen sind in diesem Punkt noch nicht absehbar.
- Bei Gleitzeit wird darüber hinaus auch die Normalarbeitszeit auf 12 Stunden, fünfmal wöchentlich, erstreckt, d.h. Arbeit bis zu 12h pro Tag und 60h pro Woche ist bei Gleitzeit keine Überstundenarbeit mehr.
- Die einzige wirklich relevante Grenze für die Arbeitszeit wäre damit 48h im Durchschnitt von 17 Wochen, die aus dem EU-Recht kommt.
- Arbeitnehmer können sich in Betrieben ohne Betriebsrat zur Arbeit an bis zu vier Wochenenden pro Kalenderjahr verpflichten. Diese Verpflichtung kann auch durch im Voraus für längere Zeit geregelt werden, wenn der Anlass umschrieben wird. In Betrieben mit Betriebsrat ist eine Betriebsvereinbarung erforderlich.
- Für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit noch weitergehend frei gestalten können, wird das Arbeitszeitgesetz gar nicht mehr gelten.
Diese kursiv angeführten Feststellungen stammen im Übrigen nicht von linken ArbeiterInnen-Vertretern (Betriebsräte oder Gewerkschafter_innen) oder Revolutionär_innen, diese Aussagen kommen von einem Partneranwalt der bekannten Wirtschafts-Anwaltskanzlei Wolf Theiss & Partner in einem Interview mit dem Magazin trend. Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen: die Kapitalist_innen sagen ganz offen, welchen Erfolg sie hier erzielt haben:
- Arbeitszeitverstöße straffrei
- Arbeitsinspektorate werden bei Kontrollen beschnitten
- Freizeit wird eingeschränkt
- Bei Gleitzeit fällt die Überstundenentlohnung weg
- Freiwilligkeit ist ein Hohn bei Betrachten der Machtverhältnisse
- Betriebsratsvereinbarungen sind nicht mehr notwendig
- Längere Arbeitszeit geht zu Lasten der Gesundheit
- Pendler verlieren zusätzlich Zeit für Familienleben
- Unternehmer können elastischer auf Auftragsschwankungen reagieren
- Aufteilung der Arbeit auf viele Hände nicht nötig, Arbeitslose bleiben Druckmittel
Wir müssen sehen, dass die Bürokratie im ÖGB und die SPÖ-Führung in den letzten Jahren den Boden für die jetzige reaktionäre Offensive durchaus selbst vorbereitet hat. Die entsprechenden Passagen im Plan A von Christian Kern und sozialpartnerschaftliche Gespräche in diese Richtung, bei denen die Gewerkschaftsbürokraten ihre prinzipielle Bereitschaft zur Kapitulation schon angedeutet haben, waren deutliche Warnsignale-.
Jetzt allerdings wird von Kurz/Strache umgesetzt, was sich die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer erwarten. Die großen und mittleren Kapitalisten und Investoren, wie KTM-Boss Stefan Pierer, holen sich jetzt die Rendite für die Spenden im Wahlkampf ab. Die FPÖ, die sich seit Jahren frecherweise als „neue Arbeiterpartei“ feiern lässt und angeblich eine soziale Heimatpartei sein will, hat sich wieder einmal gründlich entlarvt. Peinlich, wie Asozialministerin Beate Hartinger-Klein am ÖGB-Kongress versucht hat, sich als Freundin der „Arbeitnehmer“zu präsentieren und dafür berechtigte Pfiffe und Biúhrufe erntete. Zur Ablenkung zünden die Herren Kurz und Strache wieder einmal ihre typischen Nebelgranaten: Da wird von neuen, ausländerfeindlichen Achsen schwadroniert, eine Albanienroute erfunden, ein Konflikt mit muslimischen Religionsgemeinschaften vom Zaun gebrochen, um den unsozialen Umbau der Republik zu vernebeln-.
Wenn ÖGB-Präsident Katzian in Interviews und vor den Fernsehkameras seiner Empörung über das Vorgehen der Regierung freien Lauf lässt, können wir das teilweise unterstützen: Ja, es ist eine Sauerei, mit welcher Unverfrorenheit das Kapital seine Angriffe gegen die arbeitende Bevölkerung durchzieht. Nein, es gibt für uns aber keinen Grund darüber zu lamentieren, dass die Regierung nicht vorher mit dem ÖGB gesprochen hat. „Die Regierung habe mit dem Gewerkschaftsbund nicht einmal gesprochen, kritisierte Katzian weiter. ‚Es ist ihnen wuscht, was wir denken‘“.
Genau das ist der springende Punkt: Für einen ÖGB, der den Namen Gewerkschaft verdient, gibt es in der Frage der sogenannten Flexibilisierung nichts zu verhandeln, außer einer radikalen Senkung der Arbeitszeit und der Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich!
Daher nehmen wir auch die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter beim Wort, die bei ihrer Fraktionskonferenz zu Beginn des ÖGB-Bundeskongresses erklärte: „Statt einer Ausweitung der Arbeitszeit will die FSG eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, denn kürzere Arbeitszeiten sind gesünder und führen zu mehr Produktivität sowie einer besseren Verteilung der vorhandenen Arbeit. Darüber hinaus fordert die FSG die 6. Urlaubswoche für alle.“ Die sozialdemokratischen Gewerkschafter_innen sind damit aufgefordert, den Worten Taten folgen zu lassen.
Denn eines ist mittlerweile sonnenklar: Mit weinerlichen Appellen und Diskussionsangeboten ist dieser Regierung nicht beizukommen. Die Geschäftsführer der heimischen Bourgeoisie, genannt Bundesregierung, haben längst die Samthandschuhe ausgezogen und ballen nun die eiserne Faust. Denn Plänen von Schwarz-Türkis-Blau muss jetzt schnell, entschlossen und vereint Einhalt geboten werden.
Gewerkschafter_innen und Gewerkschafter, Genoss_innen der SPÖ und ihrer Teilorganisationen – kämpft gemeinsam mit allen anderen Lohnabhängigen, welche die Angriffe von Kurz und Strache abwehren wollen, in einer gemeinsamen Front! Statt betteln um Verhandlungen – sofortige Vorbereitung von unbefristeten Streikaktionen! Bildung von Aktionskomitees in Betrieben, Schulen, Universitäten, Stadtteilen und Dörfern!
Die arbeitende Bevölkerung steht vor schwierigen Aufgaben. Diese werden nur zu lösen sein, wenn es politische Klarheit über den Weg und das Ziel des Widerstandes gegen Türkis-Blau gibt. Die Klarheit wird nicht im Kampf spontan entstehen, sie muss vorher und während der Kämpfe geschaffen werden. Damit wir siegen können, muss dieses Programm internationalistisch sein – gegen engstirnigen Nationalismus, gegen die Spaltung unserer Reihen in „Inländer“ und „Ausländer“. Und es muss marxistisch sein – ein Programm, das einen klaren Klassenstandpunkt einnimmt, nicht das Wischiwaschigerede von „Volksinteressen“ wiederkäut oder sich an die rückschrittlichsten Fraktionen unserer Klasse anbiedert; revolutionär, weil die herrschende Klasse jeden Tag deutlicher zeigt, dass der Parlamentarismus mit seiner angeblichen „Demokratie“ für sie selbst aus und erledigt ist; revolutionär heißt: Der verlogenen bürgerlichen Demokratie die echte Arbeiterdemokratie entgegenzustellen, die Macht der in Räten organisierten Lohnabhängigen, direkt gewählt, rechenschaftspflichtig und abwählbar, um die frechen Anmaßungen der Reichen zu beenden und ihre Herrschaft zu brechen. Das erforderliche Instrument, eine revolutionäre Arbeiter_innenaprtei im Rahmen einer revolutionären Arbeiter_inneninternationale wollen wir aufbauen!
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