Der heurige Abschluss in der metalltechnischen Industrie wird von der Gewerkschaftsführung als „sozialpartnerschaftlicher Erfolg“ gefeiert. In Wahrheit handelt es sich um einen klassischen bürokratischen Verrat der Arbeiter*inneninteressen: Am 1. November 2025 steigen die Ist-Löhne und Gehälter um 1,41 Prozent, die Mindestentgelte werden um zwei Prozent angehoben. Am 1. November 2026 steigen die Ist-Löhne und Gehälter um 1,9 Prozent und die kollektivvertraglichen Mindestentgelte um 2,1 Prozent. Der Abschluss liegt damit deutlich unter der rollierenden Inflation von 2,8 Prozent und führt damit zu einem entsprechenden Reallohnverlust. Darüber hinaus gibt es eine Einmalzahlung von insgesamt 1.000 Euro. Die Auszahlung dieser „Kaufkraftsicherungsprämie“ erfolgt in zwei Tranchen zu je 500 Euro im Dezember 2025 und Juli 2026. Außerdem “kann” die Einmalzahlung auch in Form von Urlaubstagen “konsumiert” werden. Zu Recht kann man hier eine Einführung von auftragsbedingter Kurzarbeit durch die Hintertür vermuten. Denn “können” kann leicht zu “müssen” werden – es kommt immer darauf an, wer die Macht im Betrieb hat.
Langfristig führt dieses Einknicken der Gewerkschaft bei Einmalzahlungen zu empfindlichen Einkommensverlusten. Was hier auf den ersten Blick als Stabilisierung der Kaufkraft erscheint, ist nichts anderes als eine systematische Schwächung der Metaller*innen – ein Ergebnis, das die Gewerkschaftsbürokratie bewusst in Kauf nimmt, um ihre Sozialpartnerschaft mit dem Kapital nicht zu gefährden. Posten und Pöstchen in den bürgerlichen Institutionen und die Anerkennung der Unternehmer*innen zählen mehr als die Bedürfnisse der Gewerkschaftsbasis!
Einmalzahlungen: das Loch im Lohn
Das Momentum Institut rechnet nüchtern vor: Wer heute 3.700 Euro brutto verdient, verliert durch den Abschluss über die kommenden zehn Jahre rund 12.000 Euro. Der Grund liegt auf der Hand: Einmalzahlungen gehen nicht in die Grundlöhne ein. Jede weitere prozentuelle Erhöhung wirkt auf einer künstlich gedrückten Basis. Für die Unternehmen bedeutet das eine elegante Möglichkeit, Löhne langfristig niedrig zu halten – für die Arbeiter*innen bedeutet es reale Verluste bei Einkommen, Pension und sozialen Ansprüchen.
Die Gewerkschaftsführung verkauft dies als kurzfristigen Schutz gegen Teuerung. In Wirklichkeit ist es ein brillanter Zaubertrick, vergleichbar mit dem Verschwindenlassen eines Elefanten auf offener Bühne. Löhne werden für ein oder zwei Jahre angeblich stabilisiert, dafür aber auf Jahrzehnte hinaus beschnitten. Die „sozialpartnerschaftliche Lösung“ ist nichts anderes als eine kontrollierte Niederlage.
Die Rolle der SPÖ: Mitverwalterin des Reallohnverlusts
Die SPÖ als stärkste Kraft im ÖGB trägt die Linie der Einmalzahlungen mit und verteidigt sie im Namen des „Standorts“. Statt den Preissteigerungen entschlossen entgegenzutreten, ruft die SPÖ nach staatlichen Zuschüssen und kosmetischen Entlastungen. Damit stellt sie sich klar an die Seite der Unternehmer*innen – und verrät die Interessen der Arbeiter*innenklasse.
Besonders perfide: Der Verrat der Sozialdemokratie kommt in einem Moment, in dem vor allem die Kapitalist*innen der metallverarbeitenden Industrie auf höhere Profite durch die gesteigerten Rüstungsausgaben der Regierungen setzen. Die zunehmende Militarisierung (auch in Österreich) wird ein zusätzliches Argument der Unternehmer*innen neben ihrer verqueren Standort“logik“ sein. Beschäftigte in der Rüstungsindustrie (auch wenn sie anders genannt wird) können leicht mit dem Argument der militärischen Notwendigkeit überausgebeutet werden.
Sozialpartnerschaft: Stabilität für das Kapital, Verluste für die Arbeiter*innen
Der Abschluss zeigt einmal mehr, dass die Sozialpartnerschaft nicht neutral ist, sondern ein Herrschaftsinstrument des Kapitals. Sie dient dazu, Kämpfe zu vermeiden, Konflikte zu entschärfen und jede ernsthafte Mobilisierung im Keim zu ersticken. Während in anderen europäischen Ländern Streiks für zweistellige Lohnerhöhungen geführt werden, beschränkt sich die österreichische Gewerkschaftsbürokratie darauf, „vernünftige Kompromisse“ zu suchen – und sich im Glanz einer kurzfristigen Entlastung zu sonnen.
Die Wahrheit ist: Nur massiver Druck von unten, nur Streiks, die den Produktionsprozess lahmlegen, könnten Löhne durchsetzen, die die Teuerung nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft ausgleichen. Doch die Gewerkschaftsführung fürchtet nichts mehr als die unkontrollierte Eigeninitiative der Arbeiter*innen.
Die Sozialdemokratie hat sich schon vor hundert Jahren von der Idee des Sozialismus zugunsten der Illusion in einen „menschlicheren Kapitalismus“ verabschiedet. Sie hat sich komplett der herrschenden Klasse unterworfen, und damit auch deren Ängste vor dem Klassenkampf der Lohnabhängigen übernommen. Denn diese würden ihre gut gepolsterten Plätze an den Verhandlungstischen mit den Damen und Herren Unternehmer*innen hinwegfegen.
Der Verrat der SPÖ treibt die Arbeiter*innen in die Arme reaktionärer Demagogen
Der Verrat der SPÖ an den Arbeiter*inneninteressen hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern spielt auch reaktionären Populisten in die Hände. Wenn die sozialdemokratische Führung die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung ignoriert, entsteht ein politisches Vakuum, das von faschistoiden Kräften gefüllt werden kann.
Die FPÖ, die sich als „soziale Heimatpartei“ inszeniert, aber in Wirklichkeit die Interessen der Lohnabhängigen verrät, profitiert laut den jüngsten Meinungsumfragen vom Sparkurs der Koalition, die maßgeblich von der SPÖ mitgetragen wird.. Die FPÖ nutzt die Unzufriedenheit der Arbeiter*innen mit der sozialpartnerschaftlichen Politik aus, um sich als Alternative darzustellen. Dabei verfolgt sie jedoch eine Politik, die die Rechte und das Wohl der arbeitenden Bevölkerung untergräbt.
Ein prominentes Beispiel für diese Politik ist die Unterstützung von Javier Milei, dem ultraliberalen Präsidenten Argentiniens. Milei verfolgt eine Politik der brutalen Kürzungen, Privatisierungen und Deregulierung, die zu massiven sozialen Verwerfungen führen. Die FPÖ, insbesondere ihre Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm, hat Milei wiederholt als Vorbild gepriesen und seine Politik gelobt. Kolm, die auch Präsidentin des Hayek-Instituts ist, sieht in Mileis „Kettensäge“-Politik ein Modell für Österreich. Diese Politik führt zu massiven Einschnitten im Sozialstaat, zu Arbeitsplatzverlusten und zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Statt die Interessen der Arbeiter*innen zu vertreten, nutzt die FPÖ die Unzufriedenheit aus, um ihre prokapitalistische Agenda voranzutreiben.
Dazu kommt ihre ausländer*innenfeindliche Hetze, die einzig und allein der Spaltung und damit der Schwächung der Arbeiter*innenklasse dient. Nein, Schuld am Lohnbraub an den Metaller*innen sind nicht die Kolleg*innen mit Migrationshintergrund oder Asylwerber*innen – Schuld sind die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus. Produziert wird gesellschaftlich, die Profite aber werden individuell eingestreift.
Die Lohnabhängigen müssen jeden Versuch der Reaktion, sie für die faschistoide Sache zu vereinnahmen, entschieden bekämpfen. Der Weg zu einer gerechten Gesellschaft führt nicht über die Unterstützung von Parteien, die die Interessen der Lohnabhängigen verraten, sondern über den Aufbau einer klassenkämpferischen Bewegung, die die Macht der Arbeiter*innen stärkt und die sozialen Errungenschaften verteidigt.
Notwendigkeit einer neuen proletarischen Führung
Die Metaller*innen haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass Kampfbereitschaft vorhanden ist. Doch solange ihre Organisationen von Bürokrat*innen kontrolliert werden, die ihre Loyalität eher zur SPÖ und zum Kapital als zur Basis haben, werden sie immer wieder um die Früchte ihrer Arbeit betrogen.
Die Alternative kann nicht ein „besserer Abschluss“ im Rahmen derselben Logik sein. Notwendig ist eine grundlegende politische Neuorientierung: weg von der Illusion der Sozialpartnerschaft, hin zu einer klassenkämpferischen Perspektive. Das bedeutet den Aufbau einer neuen politischen Führung, die sich nicht am „Standort Österreich“, sondern an den Interessen der Arbeiter*innenklasse orientiert.
Für die Herbst-KV-Runde schlagen wir folgendes Sofortprogramm vor:
- Arbeiter*innenkontrolle über Produktion und Löhne: Betriebe müssen unter Mitbestimmung der Beschäftigten geführt werden; alle Entscheidungen über Investitionen, Kündigungen und Arbeitsorganisation liegen in den Händen der arbeitenden Klassen.
- Arbeit auf alle verteilen: Vorhandene Arbeit auf alle Beschäftigten verteilen, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen und Überlastung zu verhindern. Nur so ist eine echte Arbeitszeitverkürzung möglich.
- Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich: 30-Stunden-Woche als Mindestziel — umgesetzt auf Basis der Aufteilung der Arbeit auf alle Hände.
- Gleitende Lohnskala: Löhne müssen automatisch mit Preisen und Teuerung steigen, damit die Kaufkraft der Lohnabhängigen dauerhaft gesichert ist.
- Enteignung bei Massenkündigungen: Unternehmen, die Beschäftigte kündigen, dürfen nicht weiter privat kontrolliert werden — sie müssen unter Arbeiter*innenkontrolle gestellt werden.
- Offenlegung der Geschäftsbüche unter Arbeiter*innenkontrolle: Volle Transparenz über Gewinne, Ausgaben und Investitionen, um Spekulation, Lohnraub, Steuerflucht und verdeckte Subventionen zu verhindern.
Wir müssen die Gewerkschaften zurückerobern, sie den Händen der (hauptsächlich sozialdemokratischen) Bürokrat*innen entreißen.
- Für Betriebsversammlungen, in denen sich die Bürokrat*innen der Kritik der Arbeiter*innen stellen müssen!
- Für eine demokratische, in Betriebsversammlungen und Urabstimmungen gewählte Führung der Gewerkschaften!
- Rechenschaftspflicht und jederzeitige Abwählbarkeit der Gewerkschaftsfunktionär*innen!
- Funktionär*innen dürfen nicht mehr verdienen als das Medianeinkommen qualifizierter Facharbeiter*innen!
- Für klassenkämpferische, arbeiter*innendemokratische Gewerkschaften!
- Für eine revolutionäre Arbeiter*innenpartei auf dem Boden des Klassenkampfs, die an die besten Traditionen unserer Klasse anknüpft!