Abg. Kickl [FPÖ]: Schaffts den ÖGB ab! (Zitat aus dem Protokoll der 50. Nationalratssitzung vom 19. November 2025)
Die Sozialpartnerschaft wird in Österreichs Medien, Politiker*innenreden und Schulbüchern oft als Garant für Stabilität und Wohlstand dargestellt. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs diente sie als institutioneller Rahmen, in dem Vertreter*innen der Unternehmer*innen und Vertreter*innen der Lohnabhängigen Konflikte „vernünftig“ austragen sollten. Tatsächlich war sie von Beginn an ein Instrument, um die Arbeiter*innenklasse zu befrieden und den kapitalistischen Wiederaufbau zu sichern. Heute ist sie ein System, das den gesellschaftlichen Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital verschleiert und durch eine künstliche „Interessengemeinschaft“ ersetzt. Wer behauptet, es gebe eine gemeinsame Grundlage der Interessen – „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ – übernimmt ein Weltbild, das zwar höflich daherkommt, aber im Kern dieselbe Botschaft enthält wie der alte (faschistische) Korporatismus: Die arbeitenden Menschen sollen ihre eigenen Interessen zurückstellen, damit die herrschende Klasse ungestört „wirtschaften“ kann, und Klassen gibt es gar nicht.
Sozialpartnerschaft als Konsequenz reformistischer Gewerkschaftspolitik
Unsere Kritik an der Sozialpartnerschaft ergibt sich nicht aus einer moralischen Empörung oder aus der Vorstellung, die Gewerkschaften seien vom „eigentlichen Weg“ abgekommen. Gewerkschaften entstanden historisch nicht als Organisationen, die den Kapitalismus überwinden wollten, sondern als notwendige Mittel, um innerhalb des bestehenden Systems den Preis der Arbeitskraft so gut wie möglich zu verteidigen. Ihre Aufgabe war es immer, für den bestmöglichen Verkauf der Ware Arbeitskraft zu sorgen. Darin liegt auch der Ursprung der Bürokratie, die sich auf Verhandlungen und Kompromisse spezialisiert hat. Diese Bürokratie ist nicht „vom Weg abgekommen“ – sie erfüllt vielmehr genau jene Rolle, die der Gewerkschaft im Kapitalismus objektiv zugeschrieben ist: Konflikte zähmen, Spannungen abfedern, den Betrieb der Wirtschaft sichern.
Die Sozialpartnerschaft war nichts anderes als die Verstaatlichung dieser Funktion: eine Einbindung der Gewerkschaften in einen Mechanismus, der gesellschaftliche Kämpfe kontrollierbar macht. Die Arbeiter*innen sollen nicht kämpfen, sondern „mitreden“, und dieses Mitreden ist so gestaltet, dass es den Kern des Systems nie angreift. Die Sozialpartnerschaft schafft ein Klima, in dem die Lohnabhängigen glauben sollen, ihre Interessen ließen sich mit jenen der Unternehmer*innen vereinbaren. In Wahrheit aber wird nur die Unterordnung der arbeitenden Klasse unter die Interessen des Kapitals zur Norm erhoben.
FPÖ – die reaktionäre Kritik an der Sozialpartnerschaft
Vor diesem Hintergrund tritt die FPÖ seit Jahren als Kritikerin der Sozialpartnerschaft auf. Doch ihre Kritik hat einen völlig anderen Charakter als unsere. Während wir die Sozialpartnerschaft als Mechanismus der Befriedung und Entmündigung der arbeitenden Klasse zurückweisen, greift die FPÖ vor allem die Arbeiterkammer und die Pflichtmitgliedschaften an. Sie stellt sich als Gegnerin „bürokratischer Strukturen“ dar und behauptet, sie wolle die Menschen von Zwangsbeiträgen befreien. Das Ziel dahinter ist jedoch keineswegs die Stärkung der Arbeiter*innen, sondern eine Schwächung ihrer verbliebenen kollektiven Schutzmechanismen.
Entscheidend ist: Die FPÖ richtet sich nicht in erster Linie gegen die formalen Kammern – sie richtet sich gegen den ÖGB. Dieser ist die freiwillige Organisation der Lohnabhängigen, eine Massenstruktur, die trotz aller Beschränkungen aus dem Kapitalismus heraus entstanden ist. Genau das macht ihn für eine reaktionäre Kraft wie die FPÖ verhasst. Denn eine freiwillige Organisation der Arbeiter*innen birgt immer die Möglichkeit, dass die Lohnabhängigen sich nicht nur verwalten lassen wollen, sondern beginnen, sich selbst zu mobilisieren. Darum stehen die Angriffe der FPÖ langfristig nicht im Zeichen einer „Demokratisierung“, sondern zielen auf eine Entwaffnung der Arbeiter*innenklasse. Was übrig bliebe, wäre ein „entkernter“, autoritär geformter Staatsapparat, in dem die Unternehmerhand deutlich schwerer wiegt als jede Form organisierter Gegenkraft der Arbeitenden und der Jugend.
FPÖ für autoritären Korporatismus
Wenn die FPÖ gegen die Sozialpartnerschaft wettert, tut sie das nicht, weil sie deren befriedende Funktion kritisiert. Sie tut es, weil sie die wenigen verbliebenen Instrumente kollektiver Selbstverteidigung der Arbeiter*innen beseitigen will. Die Sozialpartnerschaft soll nicht überwunden werden, um den gesellschaftlichen Gegensatz zwischen Ausbeuter*innen und Ausgebeuteten offenzulegen; sie soll beseitigt werden, damit das Kapital ungestört durchregieren kann. Die FPÖ will nicht weniger Korporatismus – sie will einen autoritären Korporatismus, in dem die Arbeiter*innen keine Stimme mehr haben.
Die propagierte Beseitigung der Wirtschaftskammer, gegen die sich die ÖVP als traditionelle „Wirtschaftspartei“ des heimischen Kapitals mit Händen und Füßen wehrt, ist von der FPÖ einerseits als Schwächung ihres bürgerlichen Konkurrenten gedacht – andererseits aber als Befreiungsschlag für die aggressivsten kapitalist*ischen Fraktionen. Eingebunden in das institutionelle Korsett der Sozialpartnerschaft, dem Zwang von Kollektivverträgen unterworfen, können diese Unternehmen nicht so schalten und walten, wie sie wollen. Die Kehrseite der antisozialpartnerschaftlichen Wut der FPÖ ist die einseitige Deregulierung der Sozialgesetzgebung zuungunsten der Arbeiter*innenklasse. Die “soziale Heimatpartei” konnte etwa in Gestalt der Sozialministerin Hartinger-Klein von Jänner 2018 bis Mai 2019 zeigen, was ihre Politik in der Praxis bedeutet: Die “Kassenreform” hebelte die Selbstverwaltung der Sozialversicherung aus, die “Patientenmilliarde” war ein reiner PR-Gag, dafür können die Unternehmen seit September 2018 die Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden ausdehnen.
Gewerkschaften verteidigen – aber nicht die Sozialpartnerschaft!
Unsere Kritik geht in die entgegengesetzte Richtung. Wir verteidigen Gewerkschaften gegen staatliche oder politische Angriffe, aber wir verteidigen nicht die Sozialpartnerschaft. Die Gewerkschaften müssen unabhängige, demokratische Kampforgane der Arbeiter*innen sein, und sie müssen aus dieser Rolle herauswachsen können. Das ist nur möglich, wenn die Sozialpartnerschaft überwunden wird und die Gewerkschaften nicht länger als Co-Verwalter der Wirtschaft fungieren. Statt Verhandlungstischen braucht es organisierte Gegenmacht, Aktionen und politische Klarheit über den wirklichen Charakter des Systems.
In den Thesen des CoReP “Für kommunistische Strömungen in den Massengewerkschaften, für Arbeiter*innenräte” haben wir unsere Position darrgelegt:
“Die Gewerkschaften sind in der Regel in den Händen einer Bürokratie, die es nicht duldet, dass ihr Monopol auf die Organisation und ihre Praxis der Klassenzusammenarbeit infrage gestellt wird. Gegen die Gewerkschaftsbürokratie muss die Gewerkschaft selbst ein Rahmen für eine elementare Arbeiter*inneneinheitsfront werden. Gewerkschaftsdemokratie! Tendenzrecht! Gewählte und jederzeit abwählbare Funktionär*innen! Bezahlung der hauptamtlichen Gewerkschafter*innen auf dem Niveau des Durchschnittslohns der jeweiligen Branche! Rotationsprinzip für Funktionäri*nnen! Ausschluss von Verräter*innen!Überall – insbesondere in Staaten mit niedriger Organisationsgrad oder mit gespaltenen Gewerkschaften – müssen revolutionäre Kommunist*innen, sobald Massenkämpfe ausbrechen, daran arbeiten, die alten Führungen beiseite zu schieben und den Kampf unter die Kontrolle der gesamten Arbeiter*innenklasse zu stellen. Vollversammlungen, die entscheiden! Wahl von Kampfkomitees! Streikposten und Selbstverteidigung für Demonstrationen, Streiks, Versammlungsorte! Zentralisierung der Komitees!”
Die Sozialpartnerschaft ist eine Klammer, die die Arbeiter*innenklasse fesselt. Die FPÖ will diese Klammer nicht sprengen, sie will sie durch straffere Ketten ersetzen. Unsere Aufgabe ist es, jede Form gesellschaftlicher Unterordnung der Lohnabhängigen zurückzuweisen – egal, ob sie im Ton höflich oder autoritär daherkommt. Die arbeitenden Menschen müssen lernen, sich selbst zu vertreten, außerhalb der Fesseln eines Systems, das ihnen nur die Rolle des Manövriermasse zugesteht. Und nur aus dieser Perspektive kann sich eine Kraft entwickeln, die nicht nur anpasst oder verwaltet, sondern die Grundlage für eine wirkliche Befreiung der Klasse schafft: die neue, revoltionäre, Arbeiter*innenpartei!



