Die Unternehmer provozieren: Streiken wir, bis sie nachgeben!

Nachdem sich die Vertreter des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie unter ihrem Obmann Christian Knill in fünf Verhandlungsrunden weigerten, die Forderungen der Gewerkschaften  PRO-GE und GPA-djp zu erfüllen, sind ab 12. November “Warnstreiks” in 350 metallverarbeitenden Betrieben in ganz Österreich geplant.

Unter anderem fordern die Gewerkschaften:

 

  • Erhöhung der Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter um 5 Prozent
    Erhöhung der IST-Löhne bzw. IST-Gehälter um 5 Prozent / Besondere Berücksichtigung der BezieherInnen niedriger Einkommen
  • Aufrechterhaltung der Vertragsgemeinschaft aller fünf Fachverbände
  • Anhebung der Lehrlingsentschädigungen auf: 700/900/1.200 bzw. 1.600 Euro
  • Rahmenrechtliche Verbesserungen, Herbeiführung eines Interessensausgleichs im Zusammenhang mit der Novelle zum AZG bzw. ARG
  • Für Arbeit nach der 9. Arbeitsstunde an einem Wochentag gebührt ein Zuschlag von mindestens 75 %
  • Für Arbeit nach der 10. Arbeitsstunde an einem Wochentag gebührt neben einem Zuschlag von mindestens 100 % eine auf die zulässige Arbeitszeit anzurechnende bezahlte Pause von 15 Minuten
  • Verkürzung der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit insbesondere für jene ArbeitnehmerInnen, die besonders belastende Arbeit leisten
    Gesicherte Antrittsrechte für den Verbrauch erworbener Zeitguthaben zur Erlangung längerer Freizeitblöcke; 4 Tage-Woche
    Festsetzung einer Mindestabgeltung für Rufbereitschaft
  • Leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche
  • Wahlrecht für Beschäftigte bei allen Überstunden, ob diese in Freizeit oder Geld abgegolten werden; ebenso sollen auf deren Wunsch Schicht- und Nachtarbeitszulagen auch in Form zusätzlicher Freizeit konsumiert werden können

 

  • Klare, rechtssichere, branchen- und praxisgerechte Gewährleistung des Freiwilligkeitsprinzips bei Überstunden (Aussendung des ÖGB, 20.9.2018)

Am 9. November erklärte der oben erwähnte Knill, einer der “Top-1000-Manager Österreichs” (laut dem “industriemagazin” der Industriellenvereinigung IV): „Wir haben heute einen wirklich fairen Vorschlag vorgelegt und waren bereit, die Löhne und Gehälter in unserer Branche rückwirkend ab 1. November um 2,7 % zu erhöhen. Außerdem haben wir in intensiven, und aus unserer Sicht auch sehr konstruktiven, Gesprächen deutliche Verbesserungen im Rahmenrecht besprochen. Damit wäre das Gesamtangebot mehr als 3 Prozent wert gewesen. Die Gewerkschaften haben trotzdem das Gespräch unerwartet abgebrochen. Sie legen es offenbar ausschließlich darauf an, ihre geplante Kampagne öffentlichkeitswirksam umzusetzen. Dafür sind wir aber nicht zu haben.“

Die Fairness-Lüge der Kapitalisten

Seit sie mit Hilfe der Spenden der Industriellenvereinigung und der Großunternehmer an die Macht gekommen sind, erzählen uns die schwarzblauen politischen Geschäftsführer des österreichischen Kapitals, wie toll doch die Wirtschaft beisammen sei, wie alles wachse und brumme, und das nur dank des wirtschaftsfreundlichen Klimas durch die FPÖVP-Regierung. Und tatsächlich liegt der Industrieproduktionsindex in Österreich mit 112,6% deutlich über jenem in der Euro-Zone (105%) und Deutschland (104,8%). Ist die Lage also wirklich so schlimm, dass sich die heimischen Kapitalisten keine Lohnerhöhungen von 5% leisten können?

Für die österreichischen Unternehmer hat sich die Finanzierung von ÖVP und FPÖ ausgezahlt: Mit der Einführung des 12-Stunden-Tags und der 60-Stunden Woche, der Zerschlagung der bisherigen Strukturen der Sozialversicherung und der damit verbundenen Senkung der “Lohnnebenkosten” haben sich die Wahlkampfspenden  bereits rentiert.

Die ÖVP hat die gesetzlich limitierten Wahlkampfkosten dank der massiven Zuwendungen der Unternehmer fast um das Doppelte überschritten, die FPÖ um gut zwei Drittel. Beide Parteien haben im Wahlkampf  Stein auf Bein geschworen, dass sie sich an alle gesetzlichen Regelungen hielten – in Wahrheit haben sie mit Geldgeschenken der Reichen und Spekulanten einen schmutzigen Wahlkampf geführt und einen “Sieg” eingefahren, den man angesichts der Umstände  wohl Wahlbetrug nennen kann.

Die Quittung dafür bekommen  gleich in mehrfacher Höhe die arbeitenden und arbeitslosen Menschen in diesem Land, die Frauen, die Jugend, die Migrantinnen und Migranten. Mehr arbeiten, weniger Sozialleistungen, Kürzungen im Gesundheitsbereich – und derweil freuen sich die Konzerne über satte Gewinne. Noch im vorigen Spätsommer ließ die IV wissen:

Österreichs Unternehmen geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Im abgelaufenen zweiten Quartal ist das Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung (IV) aus einer Umfrage unter 403 Firmen von 34 auf 39 Punkte gestiegen. Dies ist der höchste Wert seit neuneinhalb Jahren. Dennoch will IV-Chefökonom Christoph Helmenstein nicht von einem ‘Boom’ sprechen, sondern nur von einem ‘Konjunktursommer’.” (Wiener Zeitung, 18.7.2017)

Gewerkschaftliche Kompromisse rächen sich

Seit 2012 gibt es keinen einheitlichen Metallerkollektivvertrag mehr. Seit 2001 haben sich Fachverbände der Industrie aus dem gemeinsamen KV-Verbund gelöst und verhandeln unabhängig. Neben der metalltechnischen Industrie sind das die Fahrzeugindustrie, Bergbau-Stahl, Gießereiindustrie, Nichteisen-Metallindustrie und die Gas- und Wärmeversorgung. Das hat die Schlagkraft der einst mächtigen MBE (Metall-Bergbau-Energie-Gewerkschaft) deutlich geschwächt.

Wobei “Schlagkraft” relativ ist, weil die Politik der sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsbürokratie mit ihrer in Stein gemeißelten Sozialpartnerschaftsverherrlichung über Jahre zu Reallohnverlusten und einer sinkenden Mobilisierungsfähigkeit in den Betrieben geführt hat.

Das ritualisierte Spiel mit “letzten” Angeboten der Gewerkschaft und schließlichem Einlenken aus “Verantwortungsgefühl” für “die” Wirtschaft hat in zahlreichen Betrieben zu einer Entfremdung der Belegschaften und Betriebsräte von der Gewerkschaftsbürokratie geführt. Als es 2011 um eine KV-Lohnerhöhung von 5,5% ging und die Unternehmer so wie heute die Arbeiter_innen mit deutlich niedrigeren Angeboten frotzelten, verloren die ÖGB-Bürokraten kurzfristig die Kontrolle über die Warnstreiks. Ohne “Weisung” von oben kam es etwa bei Böhler-Uddeholm in Kapfenberg, auch gegen den Willen des Betriebsrats, zu Streiks. Trotz einer kampfbereiten Basis kapitulierten die Gewerkschaftsverhandler bei 4 bis 4,4%.

Sagen, was ist

Die Bindung der Gewerkschaftsbürokratie an die Ideologie und Praxis der Sozialpartnerschaft führt nicht nur dazu, dass sie sich auf sehr moderate Forderungen beschränkt. Vor allem versucht sie sowohl  den Unternehmern (was durchaus OK sein kann) als auch der eigenen Basis – was einem Verrat gleichkommt – Sand in die Augen zu streuen.

Statt bei den diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen offen zu sagen, dass es darum geht, die Arbeitszeitoffensive der Kapitalisten zu stoppen, spielen die Gewerkschaftssprecher die Unschuldslämmer und tun so, als ginge es um rein wirtschaftliche Fragen.

Während sogar Kurz und Strache gezwungen sind, angesichts der bekannt gewordenen Fälle von brutaler Durchsetzung des 12-Stundentages durch Kündigungen und Drohungen in die Defensive zu gehen und empört tun, dass Kapitalisten die “Freiwilligkeit” der Mehrarbeit nicht akzeptieren; die Nebelgranate zünden, dass das Arbeitsinspektorat die Freiwilligkeit von Überstunden prüfen solle (wozu es keine rechtliche Grundlage gibt); währenddessen lässt sich die Gewerkschaftsführung auf Verhandlungen über “Rahmenbedingungen” ein, statt die klare Forderung zu erheben:

  • Weg mit dem Arbeitszeitgesetz!

Als Ausgleich für die matten Lohnrunden der Vergangenheit sind die 5% Lohnerhöhung ein guter Start. Allerdings gehört diese Forderung ergänzt um die automatische Anpassung der Löhne an die Teuerung, und zwar nicht auf der Basis des “offiziellen” Warenkorbes, sondern der realen Teuerung, vor allem bei den Mietpreisen und Heizkosten. Diese Teuerung muss von den Betroffenen selbst ermittelt werden.

Warnstreiks sind ein guter Beginn – aber nicht mehr. Während die IV bereits Rechtsgutachten erstellen lässt, auf Grund derer sie “Streikführer” mit Schadenersatzklagen eindecken will, sagen wir: es sind nur unbegrenzte Streiks, organisiert von demokratisch in den Betrieben abgehaltenen Betriebsversammlungen, die ihre eigenen Streikkomitees wählen, die etwas bewegen werden.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter dürfen kein Vertrauen in die hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre haben, die trotz der immer aggressiveren Politik der Regierung nach wie vor auf eine Auferstehung der alten Sozialpartnerschaft hoffen.

  • Für Demokratie im ÖGB!
  • Jederzeitige Wählbarkeit, Rechenschaftspflicht und Absetzbarkeit aller Funktionäre!
  • Rotationsprinzip und Begrenzung der Gehälter der Hauptamtlichen auf einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn!

Das ist die Voraussetzung, um gegen das Kapital und seine Regierung zu gewinnen!

  • Weg mit dem 12-Stundentag!
  • Statt immer mehr arbeiten – runter mit der Arbeitszeit, Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich!
  • Für gewählte Aktions- und Streikkomitees in den Betrieben, die den Widerstand und die Selbstverteidigung der Streiks organisieren!

Das Flugblatt als PDF zum Ausdrucken und Verteilen!