Deutschland: Im Sog der imperialistischen Krise

Milliarden für die Rüstung – Vorleistung auf die Koalition

Die anhaltende wirtschaftliche Stagnation, Ausdruck der weltweiten Überakkumulationskrise des Kapitals, hat im November 2024 zum Bruch der sogenannten „Ampelkoalition“ aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP geführt. Dieser Zerfall war nicht bloß Ausdruck von „Auffassungsunterschieden“, sondern Spiegel tiefgreifender Interessengegensätze innerhalb der herrschenden Klasse selbst: Während SPD und Grüne bemüht waren, über keynesianisch inspirierte Investitionsprogramme zumindest zeitweilig den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stabilisieren, trat die FDP offen für die Interessen des Finanzkapitals und der Exportindustrie ein. Ihre Forderungen – darunter die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Senkung der Unternehmenssteuern, die Ablehnung von Mindestlöhnen, die Kürzung des „Bürgergeldes“ und der Rückbau klimapolitischer Maßnahmen – zielten auf eine umfassende Offensive gegen die Arbeiter*innenklasse.

Die daraufhin notwendig gewordenen Neuwahlen vom 23. Februar 2025 führten zu einem markanten politischen Rechtsruck: Die CDU/CSU gewann mit 28,5 % der Stimmen (+4,4 %), die AfD verdoppelte ihren Stimmenanteil auf 20,8 %. Die SPD erlitt mit 16,4 % (-9,3 %) ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Bündnis 90/Die Grünen verloren 3,1 % und landeten bei 11,6 %. Die FDP stürzte auf 4,3 % ab und verfehlte den Wiedereinzug in den Bundestag. Die Partei Die Linke erzielte mit 8,8 % ein im Verhältnis zu früheren Erwartungen solides Ergebnis. Das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) verfehlte mit 4,98 % knapp den Einzug ins Parlament.

Mittlerweile schreiben wir Mitte April, und nach wie vor ist CDU-Vorsitzender Friedrich Merz in  Koalitionsverhandlungen mit CSU und SPD verstrickt. Allerdings gibt es bereits massive Vorzeichen, was die wohl unausweichliche Koalition für die arbeitende Bevölkerung in Deutschland bedeutet.

Am 18. März 2025 stimmte eine erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag für insgesamt drei Änderungen im Grundgesetz, welche die 2009 beschlossene „Schuldenbremse“ aufheben. Konkret werden Ausgaben des Bundes in den folgenden Bereichen nur noch bis 1 Prozent des BIP für die Schuldenquote berücksichtigt; alle darüber hinausgehenden Kreditaufnahmen sind fortan von der Schuldenbremse ausgenommen: 

  • Verteidigungsausgaben 
  • Zivil- und Bevölkerungsschutz 
  • Nachrichtendienste 
  • Schutz informationstechnischer Systeme 
  • Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten.

Durch den letzten Punkt werden auch Auslandshilfen für die Ukraine ausgenommen. Zudem dürfen auch die deutschen Bundesländer zusammen Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen (Wikipedia).

Daneben wird ein schuldenfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro eingerichtet, um zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz zu ermöglichen. 

Soziale Polarisierung

Das Wahlergebnis vom Februar muss im Lichte der sozialen Polarisierung betrachtet werden: Die Erosion der klassischen SPD ist Ausdruck der Unfähigkeit der Sozialdemokratie, in der Krise des Kapitals eine sozial befriedende Rolle zu spielen. Die massive Stimmenzunahme der AfD zeigt die zunehmende Attraktivität autoritär-nationalistischer Lösungen in weiten Teilen der Bevölkerung, insbesondere im Osten. Der Teilerfolg der Linken spiegelt das Fortbestehen eines Potentials für eine Oppositionspolitik, die sich der sozialen Frage widmet – jedoch ohne revolutionäre Orientierung. Das BSW wiederum vereint diffuse sozialpolitische Versatzstücke mit stalinistischem Autoritarismus und migrationsfeindlicher Demagogie – ein Ausdruck des ideologischen Vakuums in Zeiten politischer Verwirrung.

Die CDU/CSU ist zwar auf dem Papier „Wahlgewinnerin“ – in Wirklichkeit werden die traditionsreichen Unionsparteien des deutschen Kapitals mittlerweile von der faschisoiden AfD vor sich her getrieben. Häme über die Verluste der SPD, die für den „Erfolg“ der CDU/CSU verantwortlich sind, konnte im bürerlichen Lager nicht aufkommen – die Unionsparteien selbst haben ja das zweitschlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte hinzunehmen. 

Die regionalen Unterschiede im Wahlverhalten – mit einer starken AfD im Osten und dominierender CDU/CSU im Westen – verweisen auf unbewältigte gesellschaftliche Bruchlinien seit der Abwicklung der DDR 1989/90. Während im Osten DDR-Nostalgie, soziale Entwurzelung und ein Gefühl der permanenten Abwertung virulent sind, ist im Westen die autoritäre Formierung des Bürgertums weiter fortgeschritten. 

Am 1. Juli 1990 hatte der damalige Unions-Bundeskazler Helmut Kohl im Fernsehen anlässlich des Inkrafttretens der sogenannten Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion die berühmte Ansage getroffen:

„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“

De facto hatte sich das deutsche Kapital mit der Einverleibung der DDR eine Kolonie in den eigenen Grenzen geschaffen. Und die SPD- und Gewerkschaftsbürokratie spielte mit, indem sie unterschiedliche. Natürlich niedrigere,  Löhne, in den „Neuen Ländern“ hinnahm. Während einerseits erfolgreiche DDR-Betriebe privatisiert oder zerstückelt wurden, gab es andererseits starke Abwanderungstendenzen Richtung der „alten Länder“. Statt blühender Landschaften wuchsen die Industriefriedhöfe an.

Die negativen Erfahrungen mit dem stalinistischen Regime führten nach dem Zusammenbruch der DDR reflexartig auch in Teilen des Proletariats und bei den Kleinbäuerinnen zu einer Stärkung der bürgerlichen Parteien. Der von den herrschenden, weil BRD-dominierten, Massenmedien propagierte Antikommunismus ließ alle, wenn auch teilweise verzerrten, Errungenschaften der nicht-kapitalistischen Ära im kollektiven Gedächtnis verblassen.

Von der Professorenpartei zur faschistoiden Massenkraft – Die Entwicklung der AfD

Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde 2013 ursprünglich als rechte Abspaltung aus dem konservativen Lager der CDU/CSU gegründet. In ihren Anfängen war sie vor allem eine wirtschaftsliberale, europakritische Sammlungsbewegung akademischer Nationalökonomen, die gegen die Euro-Rettungspolitik opponierte. Ihr Gründungskern – unter anderem Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel – entstammte dem wirtschaftsbürgerlichen Spektrum, das eine Rückkehr zu einer „ordnungspolitisch sauberen“ Marktwirtschaft forderte.

Mit dem Aufkommen der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 vollzog die AfD eine rasante ideologische und personelle Transformation: Die wirtschaftsliberalen Gründer wurden entmachtet, die Partei orientierte sich nun stark an rassistischen und völkischen Positionen. Mit der Wahl von Frauke Petry und später Alexander Gauland sowie Jörg Meuthen wurde der Kurswechsel zementiert. Die Partei öffnete sich bewusst nach rechts außen – zu Teilen der sogenannten Neuen Rechten, identitärer Bewegung und geschichtsrevisionistischen Kreisen. Das Parteiprogramm radikalisierte sich entlang klassischer völkisch-nationalistischer Achsen: Abschottung, „Remigration“, Militarismus, Anti-Feminismus und völkische Ideologie.

Mit dem sich verschärfenden Charakter der kapitalistischen Krise wurde die AfD systematisch von Teilen der herrschenden Klasse als Druckmittel gegen das politische Establishment hofiert. Während CDU, FDP und sogar SPD lange auf einen wirtschaftlich stabilisierenden Konsens auf Rücken der arbeitenden Bevölkerung setzten, sprach die AfD gezielt jene an, die sozial abgehängt wurden – allerdings nicht mit einem solidarischen, klassenbewussten Programm, sondern mit nationaler, rassistisch gefärbter Demagogie.

Der Hauptangriff der AfD richtet sich dabei nicht gegen das Kapital, sondern gegen seine Opfer: Migrant*innen, Geflüchtete, Erwerbslose, feministische Bewegungen, Gewerkschaften und linke Organisationen. In der Form gibt sich die AfD radikal – im Inhalt reaktionär und systemstabilisierend.

Die Anziehungskraft der AfD auf Schichten der Lohnabhängigen ergibt sich nicht aus einem echten Klasseninteresse, sondern aus einer ideologischen Verwirrung infolge jahrzehntelanger Anpassungspolitik der Sozialdemokratie und der Bürokratisierung der Gewerkschaften. Die AfD besetzt ein Vakuum, das durch den Verrat traditioneller Arbeiterparteien entstand. Sie spricht reale soziale Ängste an – Arbeitsplatzverlust, Wohnungsnot, Perspektivlosigkeit – kanalisiert diese aber auf reaktionäre Weise in Hass und Nationalismus.

In prekären Milieus erscheint die AfD als „Anti-Establishment-Partei“, die sich gegen „die da oben“ richtet – doch in Wahrheit ist sie nichts anderes als das soziale Ersatzheer“ des Kapitals. Ihr Programm enthält keine wie immer geartete Kritik an den Eigentumsverhältnissen. Im Gegenteil: Sie fordert Steuersenkungen für Konzerne, Sozialabbau, Repression – alles im Interesse der herrschenden Klasse. Heute ist die AfD keine „normale“ bürgerliche Partei mehr. Sie ist ideologisch kohärent faschistoid: mit völkischer Basis, offenem Rassismus, autoritärem Staatsverständnis und dem Willen zur Zerschlagung demokratischer, gewerkschaftlicher und linker Strukturen. Ihre Jugendorganisation (Junge Alternative) und viele Mandatsträger*innen sind tief in das Netzwerk der faaschistischen oder nazistischen Rechten eingebunden – bis hin zu faschistischen Umsturzplänen (siehe Remigrationspapiere, Wannseekonferenz der Neuen Rechten u. a.).

Die AfD strebt die ideologische und praktische Zurichtung der gesamten Gesellschaft entlang nationalistischer, autoritärer Linien an – eine Entwicklung, die wir im Lichte des historischen Faschismus als Warnung ernst nehmen müssen.

Die AfD kann nur durch den konsequenten Aufbau einer klassenkämpferischen, revolutionären Arbeiterbewegung bekämpft werden – nicht durch bürgerliche Appelle an „Demokratie“, sondern durch eine Politik, die die sozialen Ursachen ihrer Stärke angreift: Prekarisierung, politische Ohnmacht und die Krise des Reformismus. Nur ein sozialistisches Programm, das die Eigentumsfrage stellt und die Arbeiter*innenklasse in ihrer Gesamtheit organisiert – unabhängig von Herkunft, Religion oder Staatsangehörigkeit – kann eine realistische Alternative zur nationalistischen Reaktion bieten.

Die AfD gelingt es, die Wut auf das Establishment rassistisch umzulenken, während DIE LINKE nur punktuell, etwa mit dem Thema Wohnen, Resonanz findet. Die Grünen, in ihrer Rolle als ökologisch getarnte Verwalter des Kapitals, verlieren an Glaubwürdigkeit, je sichtbarer der Widerspruch zwischen Klimarhetorik und kapitalistischer Realpolitik wird.

DIE LINKE – Zwischen reformistischem Apparat und linker Basis

DIE LINKE entstand 2007 aus der Fusion der PDS – dem Überrest der stalinistischen Staatspartei der DDR – und der WASG, einem Bündnis enttäuschter Gewerkschafterinnen und Sozialdemokratinnen im Westen. Schon dieser Gründungsakt war von innerer Widersprüchlichkeit geprägt: Bürokratischer Parteiapparat traf auf klassenkämpferische Ansätze. Der Versuch, eine „neue linke Volkspartei“ zu formen, blieb institutionell orientiert – mit Blick auf Parlamentsarbeit, nicht auf revolutionäre Umwälzung.

In den folgenden Jahren wurde DIE LINKE zunehmend in das bürgerliche Parteiensystem integriert – in Landesregierungen wie Berlin, Thüringen oder Bremen agierte sie als loyale Verwalterin kapitalistischer Sachzwänge: Kürzungen, Privatisierungen, Polizeiaufrüstung. Statt Klassenkampf: Regierungsfähigkeit. Statt Bruch mit dem System: Integration. In den Hochphasen von Bewegungen (etwa um die Krankenhausstreiks oder Mietenproteste) spielte sie höchstens unterstützende Rollen, nie eine führende.

Diese innere Widersprüchlichkeit kulminierte 2023 in der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), das mit national-sozialpopulistischen Parolen in offene Konkurrenz zur Parteiführung trat. Das war keine äußere Attacke – es war die Folge einer jahrzehntelangen Unentschlossenheit der Parteiführung: zwischen Antikapitalismus in Worten und Pragmatismus in Taten. Dazu kam die Anpassung an die universitäre und akademische „Linke“, die den aus den USA herübergeschwappten Kurs auf Identitätspolitik in DIE LINKE hineingetragen hatte. Wagenknecht und ihrer Gruppe fiel es leicht, sich als „anti-woke“, bodenständig-proletarische Alternative zur §political correctness“ kleinbürgerlicher Strömungen zu präsentieren. Dass es hier aber keine ernsthafte Kritik an der Identitätspolitik gab, sondern eine Übernahme der dumpfen Vorurteile reaktionärer Boulevardblätter und des neurechten Spektrums, wurde auch in der LINKE selbst nur unzureichend thematisiert.

Nach der Spaltung versuchte DIE LINKE, sich als progressive „sozial-ökologische Partei“ neu zu profilieren – mit Schwerpunkten auf Klima, Soziales und Feminismus. Doch ohne klare Klassenorientierung bleibt sie politisch schwankend. In der Außenpolitik lehnt sie zwar Aufrüstung und Krieg ab, ohne jedoch eine unabhängige proletarische Perspektive gegen NATO wie auch gegen das russische Regime zu entwickeln. Ihre programmatische Ambivalenz spiegelt sich in der Haltung zu zentralen Fragen wie Enteignung, Migration oder EU-Imperialismus.

Trotz aller Widersprüche und Begrenzungen bleibt DIE LINKE für viele Arbeiter*innen, Erwerbslose, Migrant*innen und Aktivist*innen ein Orientierungspunkt – mangels revolutionärer Alternative. Ihre Wahlerfolge – wie 2025 – sind oft Ausdruck eines diffusen Protests gegen den  Mainstream, nicht aber Resultat einer konsequenten revolutionären Praxis.

DIE LINKE ist Ausdruck der Krise des Reformismus unter den Bedingungen der imperialistischen Dekadenz. Sie ist weder ein Instrument des Klassenkampfes noch eine Brücke zum Sozialismus – aber sie existiert im Feld des Widerspruchs: zwischen linker Rhetorik und systemischer Einbindung. Für Revolutionär*innen stellt sich die Aufgabe, innerhalb und außerhalb der Partei geduldig für ein klassenbewusstes, sozialistisches Programm zu wirken – mit dem Ziel, die Fesseln der reformistischen Apparate zu sprengen und eine neue revolutionäre Arbeiterpartei aufzubauen.

Deutschland in den Turbulenzen der imperialistischen Neurdnung

Die Krise des deutschen Imperialismus verschärft sich unter dem Druck globaler Umbrüche. Deutschland befindet sich im dritten Rezessionsjahr. Die frühere Stärke Deutschlands – technologische Führerschaft kombiniert mit internationalisierter Produktion – wird zunehmend unterminiert durch den Aufstieg Chinas. In zentralen Sektoren wie der Elektromobilität hat Deutschland den Anschluss verloren. Während chinesische Konzerne wie BYD westliche Standards übernommen und weiterentwickelt haben, stehen Massenentlassungen in der deutschen Autoindustrie bevor. 

Die schwierige wirtschaftliche Lage wird neben dem Dilemma der Autoindustrie maßgeblich von der Zollpolitik der USA verschärft. Zu allem Überdruss ist der Kurs des Euro zum US Dollar gestiegen und verteuert daher deutsche Exporte in die USA. 

Doch statt in die dringend notwendige technologische Umstellung – etwa auf emissionsfreie Mobilität, nachhaltige Energieproduktion oder sozialen Wohnbau – zu investieren, forcieren SPD und CDU/CSU gemeinsam mit der EU eine historische Aufrüstungswelle. Unter dem Banner der „Zeitenwende“ und gestützt auf das EU-weite Programm Rearm Europe wird die europäische Militärindustrie massiv subventioniert, die Rüstungsproduktion zentralisiert und der Verteidigungshaushalt in mehreren EU-Staaten auf Rekordniveau gebracht. Deutschland spielt dabei die Rolle des wirtschaftlichen Motors dieser Entwicklung und prescht mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro voran – Geld, das dem Gesundheitswesen, dem Bildungssektor oder dem sozialen Wohnungsbau systematisch entzogen wurde.

Das Ziel dieser Politik ist nicht bloß ökonomische Belebung durch massive staatliche Investitionen und eine Steigerung der Nachfrage nach Rüstungsgütern, sondern die strukturelle Umstellung ganzer Sektoren auf eine militarisierte Ökonomie. Die Debatte über eine sogenannte „Kriegswirtschaft“ – zuletzt von Verteidigungsminister Pistorius und führenden Industriellen offensiv befeuert – bedeutet nichts anderes als die systematische Vorbereitung auf kommende militärische Großkonflikte. Die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, die engere Verzahnung von Rüstungsindustrie und zivilen Hochschulen („Dual Use“), die staatlich orchestrierte Produktion von Munition, Panzern und Flugzeugen – all das sind Elemente eines sich herausbildenden neuen Typus kapitalistischer Mobilmachung.

Diese Entwicklung ist keine rein „deutsche“ Angelegenheit. Sie ist Ausdruck des neuen Stadiums der imperialistischen Konkurrenz: Mit dem Rearm Europe-Programm antwortet der europäische Kapitalblock auf den globalen Bedeutungsverlust gegenüber den USA und insbesondere China. Die EU-Imperialismen – allen voran Deutschland und Frankreich – setzen zunehmend auf politische, ökonomische und militärische Eigenständigkeit, wozu auch die Schaffung eines gemeinsamen „Verteidigungsraums“ gehört. Diese Militarisierung stellt keinen Ausweg aus der Krise dar – sie bereitet einen neuen, noch verheerenderen historischen Bruch vor.

Die Arbeiter*innenklasse in Europa wird zur Beute dieses Programms gemacht: Ihr Lebensstandard wird gesenkt, ihre Kinder sollen zu Kanonenfutter werden, ihre soziale Reproduktion dem Diktat des Militärs unterworfen. Der Kampf gegen die Militarisierung ist daher kein „Friedensappell“, sondern ein Klassenkampf – und er muss mit dem Kampf gegen das kapitalistische System, das diese Kriege hervorbringt, verbunden werden.

Die Bourgeoisie in der Führungskrise

Allerdings steckt nicht nur das deutsche Proletariat in einer Führungskrise – auch die herrschende Klasse steckt in einer solchen. Während Merz weiter an einer Koalition mit der SPD bastelt, schwimmen seiner Union in den Meinungsumfragen weitere Wählerschichten weg: Laut „ARD-Deutschlandmonitor“ vom 2.4.2025 sacken  CDU/CSU auf 26 Prozent ab, das ist der tiefste Wert seit Oktober 2022. Die AfD erreicht mit 24 Prozent einen neuen Höchststand.

Die SPD käme auf unverändert 16 Prozent. Die Partei der Grünen würden bei elf Prozent (-1) landen. Die Linke würde zehn Prozent (+1) erzielen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht und die FDP würden wie schon bei der Bundestagswahl den Einzug ins Parlament mit je vier Prozent der Stimmen verpassen.

Tatsächlich zeigen die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute und der Medien recht einheitlich eine 50-prozentige Zustimmung der Bevölkerung (also auch innerhalb der Arbeiter*innenklasse) für höhere Rüstungsausgaben. Differenzierter verhält es sich mit der Haltung in der Bevölkerung zur Diskussion um die Einführung der Wehrpflicht: Für deren Wiedereinführung für Männer votieren 18 Prozent der Befragten, weitere 45 Prozent sind für eine Wehrpflicht für Männer und Frauen. 32 Prozent der Befragten lehnen eine Wehrpflicht ab. Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht  (wahlweise bei der Bundeswehr oder im sozialen Bereich) wird von 79 Prozent der Befragten unterstützt, 19 Prozent sind strikt dagegen.

Das Anheizen der Kriegsängste ist allerdings für die Bourgeoisie eine mehr als riskante Strategie. Denn hier kann sich die AfD locker als Spitzenkraft positionieren. Alice Weidel hatte im Februar zwar noch eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen von zwei Jahren gefordert, mittlerweile ist die Partei auf 10 Monate zurückgegangen. 

Dafür plädiert Rüdiger Lucassen, der verteidigungspolitische Sprecher der AfD, nun vehement für eine atomare Aufrüstung. Der ehemalige Oberst der Bundeswehr nutzt die aggressive Haltung der US-amerikanischen Administration gegenüber den europäischen Imperialisten, um einen scheinbaren Mittelkurs vorzschlagen. Zwar glaubten er und die AfD nicht an eine mögliche russische Aggression gegen Deutschland, angesichts des nun fehlenden Schutzes durch die Militärmacht USA müsse nun aber Deutschland selbst für ein atomares Schutzschild sorgen. 

Die Politik der Parteien in Deutschland sind auch ein Spiegelbild der Einflüsse imperialistischer Interessen. CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP setzen in bewährter Manier auf die EU als Rahmen, in dem Deutschland und Frankreich die Hauptrollen spielen. AfD und BSW verfolgen hingegen einen Russland freundlichen Kurs. Sie fordern folgerichtig eine Beendigung der EU Sanktionen gegen Russland und liebäugeln vor allem mit dem Import von russischem Erdgas. 

Revolutionärer Antimilitarismus

Kein Wunder, dass sowohl die Unionsparteien als auch die SPD, mit mehr oder minder offener Unterstützung bzw. Duldung der Grünen und der LINKEN versuchen, die wachsende Sorge in der Bevölkerung vor neuen Kriegen für eine  Art „nationaler Einheit“ zu nützen, um von den Klassenfragen abzulenken. 

Die Arbeiter*innenklasse in Deutschland, unabhängig von ethnischer Herkunft, muss sich für eine heftige Angriffswelle der Bourgeolsie und ihrer Parteien auf ihren Lebensstandard vorbereiten – im Namen der „Verteidigung“ des Landes oder gleich der Verteidigung ganz Europas, gegen wen auch immer. 

Gerade das reale und verbale Säbelrasseln der herrschenden Klassen weltweit erfordert jetzt allergrößte Klarheit über die Ursachen von Handels- und sonstigen Kriegen. Es geht hier nicht um abstrakte Werte wie die „Verteidigung der liberalen Demokratie“ oder der „staatlichen Souveränität“. Die sich zuspitzenden Konflikte sind Ausdruck der innerimperialistischen Widersprüche. Bei diesen Konflikten zwischen imperialistischen Interessensgruppen hat die Arbeiter*innenklasse keinerlei Interesse, eine der beteiligten Seiten zu unterstützen, schon gar nicht die“eigene“ Bourgeoisie im Namen einer angeblichen Vaterlandsverteidigung.

Die herrschenden Klassen wollen den arbeitenden Klassen einreden, dass es angesichts möglicher Kriege unstatthaft ist, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen. Dass angesichts der notwendigen „Verteidigungsanstrengungen“ auf höhere Löhne, soziale Absicherungen etc. verzichtet werden müsse. So, wie die Lohnabhängigen nicht bereit sein dürfen, für die Krise der Kapitalist*innen zu bezahlen dürfen sie erst recht nicht bereit sein, für die Kriege der Imperialist*innen Opfer zu bringen.

Die herrschende Klasse, die mit ihrer Profitgier die wirkliche Verursacherin der Kriege  ist, muss gestürzt werden – das ist die einzige Möglichkeit, um die Kriegsgefahr zu bannen. Die Lösung ist nicht Pazifismus, sondern entschlossener Klassenkampf zum Sturz der Bourgeoisie, ihrer Institutionen und ihres Staates. Die weltweite Solidarität der Arbeiter*innen ist die Voraussetzung für eine friedliche Welt – und diese Welt wird kommunistisch sein. Denn erst, wenn die arbeitenden Menschen selbst über ihr Schicksal entscheiden, weltweit durch eine demokratisch geplante Wirtschaft Hunger, Elend und die Zerstörung der Natur beseitigen, ist wirklicher Frieden möglich.