[DEUTSCHLAND] Bundestagswahl 2017: Regierungslosung statt bloßer Wahlempfehlung!

Print Friendly, PDF & Email

Zum Wahlaufruf der Gruppe Arbeitermacht, deutsche Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, zugunsten der Partei „Die Linke“ bei den Bundestagwahlen am 24.09.2017

Ihre Infomail vom 08. September 2017 widmet die „Gruppe Arbeitermacht“ (in der Folge: GAM) ausschließlich der aktuellen Situation in Deutschland zur Bundestagswahl und den Aufgaben danach.

Eine Stimme für DIE LINKE – der Weisheit der GAM letzter Schluss?

Tobi Hansen formuliert unter „Aufruf: Wählt Linkspartei, aber organisiert den Kampf!“ die politische Linie bei Wahlen, die die GAM und ihre Vorläufer schon seit den 90er Jahres des letzten Jahrhunderts einnehmen. Die SPD wird zwar als „größere, reformistische Partei“ erkannt, aber als „treu zum deutschen Imperialismus“ stehend definiert. Die Partei „Die Linke“ wird als „bürgerliche Partei“ bestimmt, die „also auf dem Boden von Parlamentarismus und Privateigentum“ steht. Im weiteren Verlauf wird sie als „linkere reformistische Partei“ tituliert.

Als Kommunisten bezeichnen wir Parteien, die sich auf relevante Teile der Arbeiterklasse stützen und vorgeben, deren Interessen zu artikulieren und für diese einzutreten, aber keine originäre Arbeiterpolitik betreiben, die auf die „Umwälzung aller bisherigen Verhältnisse“ (Karl Marx) ausgerichtet ist, als „bürgerliche Arbeiterparteien“. Ihre Politik ist letztlich bürgerlich, da sie an den Eigentumsverhältnissen im Kapitalismus nichts ändert und nichts ändern wollen. Die Partei „Die Linke“ hebt sich von dem „Reformismus light“ der SPD dahingehend ab, dass sie zur Bundestagswahl 2017 ein klassisch reformistisches Wahlprogramm aufgelegt hat, in dem sie gar von der „Revolution“ spricht. Als Ziel gibt sie eine „Gerechtigkeitsrevolution“ aus.

Der Partei „Die Linke“ wirft die GAM in Gestalt von Tobi Hansen vor, eine „Beteiligung auf Bundesebene“ (gemeint ist: Koalition aus „SPD“ / “Die Linke“ / “Bündnis‘90/Die Grünen“) anzustreben, „(E)gal wie viele Knüppel und Minen die SPD in den Weg legt“. Konsequent ist dann, im Weiteren die reformistische Arbeiterpartei SPD aus der Betrachtung auszuschließen und damit die sozialdemokratisch orientierte Arbeiterklassenwählerschaft der SPD, also ca. 20 Millionen, als Adressat revolutionärer Arbeiterpolitik auszuschließen. Zur Ausgrenzung wird u.a. angeführt, dass, „(A)nders als die SPD, die Linkspartei und ihr Umfeld ein Teil der außerparlamentarischen Mobilisierungen“ sind. Doch um den Wahlaufruf allein zugunsten der Partei „Die Linke“ vor der eigenen Mitgliedschaft rechtfertigen zu können, muss die Führung der GAM etwas Positives an deren Politik finden. Und tatsächlich: „In der aktuellen Konstellation repräsentiert eine Stimme für die Linkspartei – trotz ihrer halbherzigen reformistischen Politik – eine Ablehnung der aktuellen Angriffe der Festung Europa (jedenfalls in ihrer schlimmsten Form) sowie des europäischen Imperialismus.“

Also: Mit einer Stimmabgabe allein zugunsten der Partei „Die Linke“ sollen wir uns gegen die Angriffe des europäischen Imperialismus „in ihrer schlimmsten Form“ wehren, das heißt, gegen die Auswüchse des europäischen Imperialismus, nicht aber grundsätzlich gegen ihn. Das heißt: Aufruf zur Stimmabgabe für „Die Linke“ als kleineres Übel. Die GAM merkt selbst, dass dies etwas zu wenig ist. Nun werden die „Millionen von WählerInnen der Linkspartei“ (3,5 Mio. bei der BTW 2013) sozusagen als Kronzeugen herangezogen, dass sie „ein antikapitalistisches Zeichen setzen“ wollen, „gegen Hartz IV, NATO, Kriegseinsätze, Rassismus und Faschismus“. Inwiefern die Ablehnung von „Hartz IV, NATO, Kriegseinsätze, Rassismus und Faschismus“ per se antikapitalistisch ist, wird nicht erklärt. Dann müsste die GAM z.B. auch die SPD als antikapitalistische Partei definieren, die in vielen Städten und Gemeinden Deutschlands gemeinsam mit CDU, FDP und Grünen „Bündnisse gegen rechts“ aktiv unterstützt, die alle eins gemeinsam haben: das Einschwören auf die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“, die es „gegen rechts und links“ zu verteidigen gelte („wehrhafte Demokratie“). Auch die bloße Ablehnung von Krieg, Militär und Gewalt ist nicht per se antikapitalistisch, wie die Friedensbewegung der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts belegt. Anti-Rassisten finden sich in Deutschland und weltweit auch in allen kleinbürgerlichen und bürgerlichen Parteien.

Zu guter Letzt bemüht die GAM „das Selbstvertrauen vieler ArbeiterInnen und AktivistInnen“, dass es zu stärken gelte. Für sie sei es ein „Unterschied, ob z.B. die Linkspartei stärker als die AfD wird“. Mit der Stimmabgabe für die Partei „Die Linke“ soll auch „eine schwarz-gelbe (i.e. CDU/CSU/FDP) Traumregierung des Kapitals verhindert“ werden. Wieder die Linie des kleineren Übels. Dann wird noch allen gedroht, die dem Wahlaufruf der GAM allein für „Die Linke“ nicht folgen: Dann „stärkt (man; V.B.) dadurch indirekt die bürgerlichen Parteien.“

Um das Ganze abzurunden, schlägt die GAM der Linkspartei vor, „möglichst rasch nach den Wahlen gemeinsam mit anderen Linken, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen eine Aktionskonferenz“ zu organisieren, „auf der die Politik der nächsten Regierung analysiert und ein Forderungs- und Mobilisierungsplan verabschiedet wird“ und fordert dazu vorbereitende Treffen. Diese aber bitte nicht deutschlandweit in Stadt und Land, sondern nur „in allen Großstädten, an Schulen, Unis und in den Betriebs- und Gewerkschaftsgruppen“. Dass damit erneut Millionen aus der städtischen und ländlichen Arbeiterklasse von Anfang an aus der Mobilisierungsperspektive ausgenommen werden, scheint der GAM nicht aufzufallen.

Der GAM muss daher der Vorwurf gemacht werden, dass sie weder bei Mobilisierungen noch bei ihren Wahlempfehlungen die Herstellung der Klasseneinheit als wesentliches Ziel revolutionärer Arbeiterpolitik unter den Bedingungen bürgerlicher Herrschaft anstrebt. Revolutionären kann es nicht darum gehen, sich zwischen Pest (SPD) und Cholera (Die Linke) zu entscheiden. Unsere Aufgabe besteht darin, gegen die reformistischen Apparate der bürgerlichen Arbeiterparteien SPD und Die Linke und der Gewerkschaften für die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse als Voraussetzung für die Abschaffung des Kapitalismus anzugehen. Egal, mit welcher Rhetorik sie auch immer ihre bürgerliche Politik gegen die Arbeiterklasse zu verbrämen suchen. Ein teilweises Schüren von Illusionen in reformistische Parteien, wie die GAM es tut, verbietet sich grundsätzlich.

Natürlich müssen wir derzeit nachwievor von vielen Illusionen großer Teile der Arbeiterklasse, der Jugend und der Frauen in die Politik der reformistischen Arbeiterparteien ausgehen. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir das Sichtbarmachen der Klassenlinie als Grenze des grundlegenden Gegensatzes zwischen den Hauptklassen im Kapitalismus (Bourgeoisie und Proletariat) aus den Augen verlieren.

In Deutschland drückt sich dies aktuell immer noch im Aufruf für eine SPD-/Linke-Regierung aus. Die Grünen als kleinbürgerliche Partei sind da außen vor. Nicht aber viele ihrer Mitglieder und Wählerinnen und Wähler. Viele von ihnen sind Angestellte (Lehrer, Dienstleistungen) oder prekär beschäftigt. Sie gilt es ebenso für eine revolutionäre Arbeiterpolitik zu gewinnen.

Die beiden reformistischen Arbeiterparteien würden bei der anstehenden Bundestagswahl zusammen etwa 33% der abgegebenen Stimmen bekommen. Keine Chance auf eine Regierung. Das Erringen der Regierungsmacht im bürgerlichen Staat kann auch nicht das Ziel revolutionärer Politik sein. Es bleibt nur ein taktisches Verhalten auf Wahlebene, um in weiteren Klassenauseinandersetzungen den Zugang zur Arbeiterklasse zu finden und für eine genuine Arbeiterpolitik zu kämpfen. Der erste Adressat mag zwar die „linkere reformistische Partei“ sein können. Aber dort sind die reformistischen Illusionen auch noch stärker ausgeprägt. Das wird kein leichter Weg. Eine Abkürzung gibt es nicht. Es gibt keine Alternative zum mühevollen Weg der Herstellung der Klasseneinheit in den kommenden Kämpfen.

Eine Empfehlung zu einer Wahl von Parteien zu einem bürgerlichen Herrschaftsinstrument (Parlament) kann für Revolutionäre daher nur den einen Sinn haben: die für die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse wichtigsten Versprechen kritisch zu analysieren und gemeinsam mit den dafür offenen Mitgliedern und WählerInnen der bürgerlichen Arbeiterparteien für die uneingeschränkte Umsetzung zu kämpfen. Diese gemeinsame Arbeit hilft uns dann auch, gemeinsam mit ihnen gegen die unvermeidlichen Angriffe einer Regierung der bürgerlichen Arbeiterparteien gegen die Errungenschaften der Arbeiterklasse den Widerstand zu organisieren.

Wir wissen: reformistische Politik jedweder Art wird an den grundlegenden Machtverhältnissen im Kapitalismus nichts ändern. Die Teilnahme an Wahlen zu bürgerlichen Parlamenten eben so wenig. Aber von vornherein den Dialog mit wesentlichen Teilen der Arbeiterklasse auszuschließen, verunmöglicht es, überhaupt Gehör bei den auch nur bei den schon fortgeschritteneren, klassenbewußteren Teilen der Arbeiterklasse zu finden.  

In diesem Sinne:

Für eine SPD-/Linke-Regierung !

Die Erststimme (Direktkandidat) für die SPD-KandidatInnen !

Die Zweitstimme (Listenwahl) für Die Linke !

 

Bremen, den 17.09.2017