Im Zuge der aktuellen KV-Verhandlungen meldete sich ÖGB-Vorsitzender Katzian zu Wort. Unter anderem verglich er den Umgang mit den Lohnabhängigen im Handel mit dem eines nassen Fetzen. Ob jetzt der Fetzen ein umgangssprachliches Nicht Genügend, ein unansehnliches Kleidungsstück oder unkontrolliert zerkleinertes Stückwerk ist, ihm wohnt, wahrscheinlich auch wegen seinem in der Aussprache deutlich vernehmbaren Zischen, eher etwas abwertendes, erniedrigendes inne. Wird dieses Objekt auch noch nass, mindert es den Wert noch mehr. Das kann sogar bis zum Ärgernis führen. Es sei denn, der nasse Fetzen findet Verwendung in der Reinigung wie beim Aufwaschen des Bodens. Nun ist aber auch das Putzen nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der feinen Gesellschaft, also bleibt trotz der Nützlichkeit und der über Jahrhunderte hinweg bewährten Anwendung zum Wohle der Zivilisation ein fahler Beigeschmack.
Ob sich die Reaktion der Wirtschaftsvertreter konkret auf diesen Vergleich bezieht, lässt sich natürlich nur vermuten. Klare Aussagen aus dieser Ecke kann man sich meistens ja nur wünschen. Jedenfalls beklagte die Vertretung der Unternehmerschaft die unentspannte Atmosphäre und die rüde Wortwahl. Im Zusammenhang mit dem nassen Fetzen könnte mensch dem durchaus zustimmen.
Der Vergleich der Arbeitenden im Handel mit einem minderwertigen Objekt ist unangebracht und sollte gerade von ihren Vertretern nicht sorglos ins Spiel gebracht werden. Gerade die Handelsangestellten sind es, die das Geschäft am Laufen halten, ohne die ja eigentlich gar nichts geht. Das ist ihre Stärke und ihre Macht, die bei einer Situation wie den Gehaltsverhandlungen zu ihren Gunsten von deren Vertretern hervorgehoben und ins Spiel gebracht werden muss. Mit einem nassen Fetzen hat das dann nichts mehr zu tun! Außer, der Gewerkschaftsboss würde fortfahren: “Wenn die Unternehmer*innen aber die Handelsangestellten weiter so häkerln wie bisher, könnte es sein, dass wir sie mit nassen Fetzen davonjagen”. Das ist aber nur ein frommer Wunsch. Denn auf diese Idee – die Kapitalist*innen zu vertreiben – kommt ein biederer sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionär nicht einmal im Traum.
Dazu gibt es ein unrühmliches Beispiel aus der Zeit der ersten Republik, als von Seiten der SDAP, Vorgängerin der SPÖ, die herandrohende Gefahr des Faschismus durch die Christlichsozialen (heute ÖVP) damit heruntergespielt wurde, man werde sie mit nassen Fetzen davonjagen. Tatsächlich wurde von vielen Funktionären der Aufstand im Februar 1934 sabotiert und verraten. Worte sind nur dann stark, wenn entsprechende Taten folgen können, sonst nennt man das Bluff…
10.1.2024
“Wir haben es geduldig lange genug mit angehört: Faschisten? Lächerlich! Wenn es dazu kommt, werden wir sie mit nassen Fetzen verjagen. Dann kam der 7. Oktober: und die Faschisten sind im roten Wiener-Neustadt aufmarschiert. Dann in Wien. Und so ging es weiter.“