Am 26. Jänner 2024 nahmen in Wien einige tausend Menschen an einer antifaschistischen, prodemokratischen Kundgebung vor dem Parlament teil. Sie folgten einem Aufruf diverser NGOs, von „Fridays for Future“ über „Black Lives Matter“ bis zur „Volkshilfe“. Diese wollten mit einer breiten Kundgebung Stellung gegen den immer offener zu Tage tretenden Rassismus und faschistische Tendenzen beziehen. Auslöser war das gar nicht so geheime Treffen zwischen AfD-Leuten, CDU-Mitgliedern, Anhängern der rechtsextremen „Werteunion“ und österreichischen Reaktionären, die hingerissen dem „Masterplan“ des österreichischen Identitärenbosses Martin S. lauschten, der seinen Fantasien von Massenausweisungen und Deportationen von „Nichtdeutschen“ gegen gutes Geld freien Lauf lassen durfte.
Am 14. März 2024 organisierte die FPÖ am Keplerplatz eine Kundgebung „Favoriten hat genug“. Auslöser waren von den Gratiszeitungen seit Wochen orchestrierte Berichte über eine angeblich explodierende, durch Migrant*innen ausgelöste Kriminalitätswell im 10. Wiener Gemeindebezirk. Die FPÖ-Kundgebung demonstrierte im vollen Tageslicht den Schulterschluss zwischen den Freiheitlichen, deren Jugendorganisation RFJ und den faschistischen Identitären. Die dominierten nicht nur mit Transparenten, auf denen zur ethnischen Säuberung aufgerufen wird, das Bild der Kundgebung, sie waren auch gemeinsam mit Parteigängern der FPÖ an Angriffen auf ein Kamerateam von Puls 24 beteiligt.
Kein Einzelfall. Der oberösterreichische RFJ propagiert offen diese Forderungen der Identitären nach Massenabschiebungen. Für Möchtegern-Volkskanzler Kickl sind die Identitären keine Faschisten, sondern eine „rechte NGO“.
Tatsächlich entsteht hier eine gefährliche Melange aus einer scheinbar seriösen, da im Parlament und in Landesregierungen vertretenen, extrem reaktionären ausländer- und arbeiterfeindlichen Partei und einer faschistischen außerparlamentarischen Bewegung.
Wenn nun NGOs und verschiedene „linke“ Parteien und Organisationen zur „demokratischen Einheit“ gegen den „Rechtsextremismus“ aufrufen und, wie am 26. Jänner, selbst oder durch Künstler*innen einen vermeintlichen „Verfassungsbogen“ als Feuermauer gegen den Faschismus propagieren, wird das den Vormarsch der reaktionären und faschistoiden Kräfte nicht stoppen.
Demokratische Freiheiten – und um die geht es ganz konkret und nicht um eine abstrakte „Demokratie“ – werden nicht nur durch die FPÖ mit ihren Machtgelüsten gefährdet. Wer hat denn Herbert Kickl 2017 zum Innenminister gemacht? Und seinen im steirischen Korruptionssumpf untergehenden Kameraden Mario Kunasek zum Heeresminister? Das war die ach so (christ)demokratische ÖVP, deren Landesparteien in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg mit den Freiheitlichen in Koalitionsregierungen sitzen. Gerade die fremdenfeindliche Politik der ÖVP, ihre Angriffe auf das Asylrecht, Abschiebungen und Polizeieinsätze bis ins Standesamt, ihre Kumpanei mit reaktionären Regierungen in Osteuropa bereitet den Boden für die offen faschistischen Kräfte.
Wenn Bundeskanzler Karl Nehammer beim sogenannten „Dritten Migrationsgipfel“ im Sommer 2023 demonstrativ mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksander Vučić die Hände übereinander türmt wie die drei Musketiere in einem alten Kostümschinken, ist das mehr als eine Geste. “Wer seine Grenzen schützt, muss unterstützt werden. Solange die EU hier nicht ausreichend eingreift, müssen wir uns selbst helfen” – Nehammers Aussage ist die Light-Version von Kickls „Festung Österreich“ und dem identitären Projekt „Defend Europe“. Ins Bild passt auch, wie sich Nehammer jüngst in Kairo neben der italienischen ex-, post- oder Nochfaschistin Giorgia Meloni ins Bild drängte, als es darum ging, Ägyptens Militärdiktator Abd al-Fattah as-Sisi mit 7,4 Milliarden Euro auszustaffieren, um als vorgeschobener Außenposten der EU bei der „Abwehr“ von Migrant*innen zu dienen.
024 ist ein Wahljahr, und da ist viel von „Demokratie“ die Rede. Im Aufruf zur Demonstration/Kundgebung am 23.3. heißt es: „Es braucht uns immer wieder auf den Straßen, um zu zeigen, dass der Rechtsextremismus nicht von heute auf morgen verschwindet und wir von den Parteien keine Koalition mit Rechtsextremen dulden. Also komm vorbei und errichten wir gemeinsam eine starke Brandmauer gegen Rechtsextremismus“. Welche Parteien, die „keine Koalition mit Rechtsextremen“ dulden, sind da gemeint?
Bei der Großkundgebung am 26. Jänner wurde dezidiert von einigen Redner*innen die ÖVP eingeladen, Teil der „Brandmauer“ gegen den „Rechtsextremismus“ zu werden. Die ÖVP ist, ebenso wie die FPÖ (nur deutlich geschickter und „kultivierter“), seit Jahren auf einen autoritären Kurs eingeschwenkt. Der unter ihrem schnell verglühten Kometen Sebastian Kurz begonnene Weg der Aushöhlung der Rolle des Parlaments (Sabotierung von Untersuchungsausschüssen, Zunahme von Entschließungsanträgen, um Gesetze durchzubringen etc.), der Einschränkung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit durch verschärfte Polizeimaßnahmen, der Versuch, die Pressefreiheit durch Zitierverbote deutlich zu beschränken, der Ruf nach „Waffenverboten“, der der Polizei einen Vorwand für jedezeitige Leibesvisitationen geben würde … all das ging unf geht auch ohne einen Volkskanzler Kickl.
Fakt ist: rund 1,4 Millionen Menschen über 16 Jahre, die innerhalb der Grenzen Österreichs leben, haben aufgrund fehlender oder anderer Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht und damit keine politische Mitsprachemöglichkeit. Natürlich sind die meisten von ihnen Arbeiter*innen oder in Ausbildung. Für sie hat die „Festung Österreich“ die Zugbrücke bereits hochgezogen. Auf sie zielen die Deportationsfantasien der Identitären, der FPÖ und – offensichtlich auch von Teilen der Volkspartei. Sie sprechen von Massenausweisungen auch von Menschen mit Migrationshintergrund, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Viele haben ohnehin keine politischen Rechte. Es geht vordergründig um „völkische Reinheit“ – in Wirklichkeit geht es gegen die Arbeiter*innenklasse. Sie soll gespalten werden. Mit dummen und dumpfen Parolen sollen „echte“ Österreicher*innen gegen „Zuwander*innen“ ausgespielt werden. Die Arbeiter*innenklasse war und ist immer international gewesen. Ein Beispiel, das wohl alle verstehen: kein Spital in diesem Land könnte funktionieren, müssten ausschließlich die von den Faschisten hofierten „weißen Europäerinnen“ alle Arbeiten verrichten, vom Putzen bis zur Schädeloperation.
Mit ihrer Demagogie gegen die „Fremden“, die „unser“ Sozialsystem ausnutzen, wollen FPÖ und ÖVP den Generalangriff auf Sozialleistungen aller Art rechtfertigen. Die „Sparmaßnahmen“, also die Verarmungspolitik, richten sich aber genauso gegen die autochthonen Lohnabhängigen.
Die vielbeschworene „Demokratie“ ist in Wirklichkeit die durch Wahlen maskierte Machtausübung der wirtschaftlich Herrschenden, der Kapitalist*innen. Sie verfügen über die Medienmacht, welche die politische Stimmung im Land „macht“, über Meinungs“forschungs“institute, die zur Manipulation der Wähler*innen eingesetzt werden, wie seit der Amtszeit des Sebastian Kurz hinlänglich bekannt ist. Die einerseits immer häufiger stolz ein paar Waffenfunde bei Neonazis feiert, und gleichzeitig den Identitären, Burschenschaftern und Coronaleugner*innen die Straßen freiprügelt.
Der Faschismus wird nicht durch Demonstrationen und nicht an der Wahlurne gestoppt. Es gilt, eine offensive Politik im Interesse der arbeitenden Menschen und der Jugend in Ausbildung umzusetzen, um den rechtsextremen Hetzern das Wasser abzugraben.
Wir sagen, dass hier alle Kräfte, die sich auf die Arbeiter*innenbewegung berufen, zusammenstehen müssen: Gewerkschaften, Sozialdemokratie, KPÖ, alle anderen Arbeiter*innenorganisationen. Eine gemeinsame Klassenfront heißt nicht, dass es in jedem Punkt und jeder Frage Übereinstimmung geben muss oder soll. Getrennt marschieren, vereint den Faschismus schlagen, muss die Parole sein.
Für uns sind die Eckpfeiler einer solchen Politik:
- Gleitende Lohnskala – Anpassung der Löhne an die Inflation zur Bekämpfung der Armut!
- Aufteilung der Arbeit auf alle Hände bei vollem Lohnausgleich!
- Gleichstellung der arbeitenden Frauen – Schluss mit den Lohnunterschieden, weg mit Billiglöhnen!
- Wer hier arbeitet, soll auch hier politisch mitentscheiden! Gegen jede Diskriminierung wegen Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Religion!
- Selbstverteidigung gegen faschistische Umtriebe! Demonstrationen, Lokale von Arbeiter*innenorganisationen, Kundgebungen, Streiks selbständig schützen!
- Einheitsfront der Arbeiter*innenorganisationen gegen den Faschismus!
- Für den Aufbau einer klassenkämpferischen, internationalistischen, revolutionären Partei zum Sturz des Kapitalismus!