Wenn von „Faschismus“ die Rede ist, haben viele Aktivist*innen ein konkretes Bild vor Augen, das geprägt ist vom Schulunterrricht, von Fernseh- und Onlinedokus und zumeist den Nationalsozialismus in unterschiedlichen Facetten umfasst.
Auf Österreich bezogen hat das lange geheißen, dass der Austrofaschismus irgendwo „unter dem Radar“ durchgetaucht ist. Tatsächlich ist es aber weder neu noch eine österreichische Besonderheit, dass es in einem Land durchaus unterschiedliche und einander sogar konkurrierende oder sogar bekämpfende Faschismen geben kann. Waren das in Österreich die „bodenständig gewachsenen“ Klerikalfaschist*innen, die ihr Weltbild auf den anti-marxistischen päpstlichen Enzykliken und den ständischen Elementen der katholischen Soziallehre aufbauten, gab es daneben mit der (phasenweise verbotenen) NSDAP die Vertreter*innen des aggressiv-völkischen, deutsch-nationalen, antireligiösen Faschismus. Gemeinsame Schnittmenge war der „Antimarxismus“, also das Ziel, die Arbeiter*innenorganisationen ihrer im Kapitalismus eroberten Bastionen zu berauben und diese zu zerschlagen: Parteien, Gewerkschaften, Kultur- und Freizeitvereine. Ebenso gab es Übereinstimmung im Antisemitismus, wobei die Begründungen auf der einen Seite im religiösen, auf der anderen im „rassischen“ gesucht und gefunden wurden. Wie aber der italienische „Ur-Fascismus“ gezeigt hatte, ist der Antisemitismus kein konstituierendes Merkmal – der Klassenhass gegen das Proletariat und die arme Land(arbeiter)bevölkerung aber sehr wohl.
In Österreich haben sich nach 1945 politische Parteien formiert, die via personeller, oft aber auch programmatischer Bezüge, als „Erben“ der Faschismen der Zwischenkriegszeit angeshen werden können.
Die FPÖ hat zu Zeiten Jörg Haiders noch sehr stark die völkische Karte gespielt, die historischen Verbindungen zu den „ehemaligen“ NS-Typen und Organisationen war eine in Wirklichkeit biografische Konstante der Partei. In den letzten 15 bis 20 Jahren hat sich der Fokus, auch bedingt durch die Ideologie der Identitären, etwas verschoben. Zum völkischen Element ist ganz stark die Kulturkomponente des Christlichen (Abendlandes) getreten. Heute wird von FPÖ-Vertreter*innen regelmäßig betont, Christ zu sein.
Die ÖVP andererseits hat beginnend mit Schüssel, ähnlich wie konservativ-kapitalistische Kreise in der Weimarer Republik, versucht, die FPÖ durch Regierungsbeteiligung „einzuhegen“. (eigentlich wäre schon Alois Mock bereit gewesen). Das schien erfolgreich im Sinne einer dem Kapital dienenden Politik und einer Fragmentierung der FPÖ – bis der Wiederaufstieg dieser Partei unter Strache Mitte der 2000er Jahre begann. Und Strache ließ sich während seines Aufstieges bereits mit einem Kreuz abbilden – eine ikonografische Mischung aus Exorzist und der Männermörderin Blauensteiner.
Nach dem gescheiterten Einhegungsversuchs unter Schüssel näherte sich Sebastián Kurz den protofaschistischen Positionen der FPÖ über die völkische Schiene an, indem er die Reinheit des österreichischen Volkes durch Schließen der Balkan-Route zu erreichen versuchte und der FPÖ damit tatsächlich das Wasser abgraben konnte. Kurz sprach auch die „Achse der Willigen“ Berlin-Wien-Rom an, eine klare Botschaft an NS-Nostalgiker. Gleichzeitig spielte die erzkonservative katholische Kirche auch bei den Türkisen eine wichtige Rolle, Stichwort Kirche zu St. Rochus, oder die Katholo-Fundamentalistin Kugler im Nationalrat. Zugleich wurde unter Kurz auch der traditionelle Anti-Parlamentarismus seiner Vorgänger wiederbelebt. Manchmal braucht die Reaktion keine Springerstiefel, wenn sie aufmarschiert – m anchmal tun es auch türkise Socken
im Nationalratsplenum.
Wir können also eine starke ideologische Annäherung der Nachfolger beider zu bekämpfenden Faschismen in der österreichischen Realpolitik beobachten.
Die Corona Denonstrationen haben gezeigt, dass es eine noch nie in der 2. Republik vorhandene Bereitschaft von rechtsextremen Gruppierungen (Neonazis, Identitären) gibt, gewaltbereit die Straße zu erobern. Voran marschiert, wenn’s opportun ist, der kleinen Trommler Herbert Kickl.
Daneben steht ein Innenminister Karner, Dollfuß-Verehrer und Hardliner in der Asylfrage; Bundeskanzler Nehammer, der sich brüstet, die Grenzzäune in der EU salonfähig gemacht zu haben. Hier wächst auf (klein)bürgerlicher Seite zusammen, was zusammengehört …
Waldhäusl, der in der FPÖ paradigmatisch ist und keineswegs alleine steht, stellt die politische Seite dar, die Identitären und die Nazi-Strassenbewegung sind die vorhandene reale Bedrohung. Diese Bedrohung richtet sich, weil es der Mainstream im Moment hergibt, zunächst gegen migrantische Minderheiten. Die Arbeiter*innen-Klasse sollte sich aber bewusst sein, dass diese Formationen immer auch gegen sie vorgehen wird, sobald sie sich als starke proletarische Bewegung gegen das Kapital wendet. Natürlich gibt es in diesem „Einheitsfaschismus“ immer Strömungen, die sich auch antikapitalistisch geben, aber im Grunde wird sich wie schon in Deutschland der 30er Jahre die Verbindung des Kapitals mit dem Faschismus durchsetzen.
Das kann man auch bei einer Kickl-FPÖ immer heraushören, wenn diese das Eigentum (der Anständigen) regelmäßig als unantastbar bezeichnet und jede Art von Verteilungsgerechtigkeit als sozialistische Bevormundung brandmarkt.
Klar ist: hier geht es nicht um links oder rechts, es geht um den Klassenkampf. Auch beim Antifaschismus müssen wir deutlich zwischen bürgerlichem und proletarischem Antifaschismus unterscheiden. Beispiel die Kundgebung am Reumannplatz in Wien am 6.2.2023, wo die Grünen die ÖVP (!!!) zu einer „Anti-Waldhäusl“-Protestaktion eingeladen haben. Hallo Cholera, machst Du beim Protest gegen die Pest mit? Daher heißt es vorsichtig sein, wenn klassenübergreifende Bündnisse im Kampf gegen Faschismus propagiert werden. Durchaus auch „gutmeinend“, mit scheinbar kämpferischen Slogans wie „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ oder „Alle gegen den Faschismus!“. Wir suchen uns die Schulter, mit der wir uns zusammenschließen wollen, nicht irgendwo aus – sondern auf unserer Seite der Barrikade!