12. Februar – warum wir für den Feiertag kämpfen

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Im Zuge der Propaganda für das „Bündnis 12. Februar“ und die Forderung, den 12. Februar als „Tag des Aufstands gegen den Austrofaschismus“ zum gesetzlichen Feiertag zu erheben, gab es immer wieder Diskussionen über Begriffe: „Feiertag? Der 12. Februar 1934 war doch eine Niederlage für die österreichische Arbeiter*innenbewegung!“. „Aufstand? Das war doch ein verzweifelter Widerstandskampf!“. Unterton: 12. Februar – was gibt’s denn da zu feiern?

Ein bisschen Sprach- und Gesetzeskunde vorab

Ehe wir auf inhaltliche Fragen eingehen, ist es sinnvoll, ein paar semantische Dinge zu klären. Laut Wikipedia bedeutet Feiertag:

Unter einem Feiertag (ahd.fîra aus lateinischfēria‚Festtag‘, ‚der religiösen Feier gewidmeter, arbeitsfreier Tag‘; dazu feiern, ursprünglich ‚die Arbeit ruhen lassen‘, ahd. fîrôn von lateinischfēriāri;[1] vgl. Feierabend, Ferien) oder Festtag (lateinischdies fēstus, ‚ein der [öffentlichen] religiösen Feier gewidmeter Tag‘;[2] vgl. Fest) wird im deutschen Sprachraum allgemein ein arbeitsfreier Tag mit besonderer Feiertagsruhe verstanden. Alle Kulturen und Völker feiern regelmäßig bestimmte Ereignisse von gesellschaftlichem oder religiösem Rang. Diese sind oft durch die Rechtsordnungen der einzelnen Staaten besonders geschützt. Man spricht dann von gesetzlichen Feiertagen.

Im süddeutschen und österreichischen Raum wenig verbreitet (außer durch den Konsum von Filmen) ist die im Norden Deutschlands übliche Redewendung „krank feiern“, was kein Synonym für ein glückliches gesundheitliches Leiden, sondern ein anderer Ausdruck für „aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten gehen“ ist.

Der „Deutsche Wortschatz“ gibt als eine der Bedeutungen von „feiern“ an:

die Arbeit ruhen lassen

Beispiele:

die Arbeiter mussten (einige Tage, unfreiwillig) feiern

feiernde Dockarbeiter stehen am Hafen herum

Wenn solche Köpfe feiern, / Wie viel Verlust für meinen Staat [ SchillerCarlosIII 10]

Die Bureaus und Werkstätten feierten [ Th. MannKönigl. Hoheit7,364]

Bezüglich der gesetzlichen Feiertage in Österreich weiß die Wikipedia:

Die Feiertage in Österreich oder arbeitsfreien Tage werden entweder nach Bundesrecht oder Landesrecht verbindlich eingeführt oder durch Kollektivvertrag zwischen den Sozialpartnern vereinbart. (…) Die gesetzlichen Feiertage nach Bundesrecht sind im Arbeitsruhe- und im Feiertagsruhegesetz geregelt. Auf Basis von §7 des Arbeitsruhegesetzes gibt es 13 gesetzliche Feiertage für alle. § 7a des Arbeitsruhegesetzes garantiert Arbeitnehmenden zudem einen weiteren Tag pro Jahr, den sie einseitig als Urlaubstag konsumieren können, umgangssprachlich spricht man hier vom “persönlichen Feiertag“. (…) Von den 13 gesetzlichen Feiertage basieren acht aufgrund des Konkordats der Republik Österreich mit dem Heiligen Stuhl, das am 5. Juni 1933 im Vatikan unterfertigt wurde und unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß mit 1. Mai 1934 in Kraft getreten ist.[4] Durch das Konkordat sind neben Sonntage folgende acht Feiertage geschützt: Neujahrstag (1. Jänner), Epiphanie (6. Jänner), der Himmelfahrtstag, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt (15. August), Allerheiligen (1. November), der Tag der unbefleckten Empfängnis (8. Dezember) und der Weihnachtstag (25. Dezember).[1]

Vor dem Hintergrund dieser Klarstellungen könnten wir also die Forderung des „Bündnis 12. Februar“ in die etwas sperrigere Formulierung umwandeln:

Wir fordern, dass in jedem Jahr der 12. Februar bundesweit ein bezahlter arbeitsfreier Tag ist, an dem des Aufstands von Teilen der österreichischen Arbeiter*innenklasse gegen den Faschismus gedacht wird.

Einfacher und schneller ist es wohl, die Einführung eines Feiertags am 12. Februar zu fordern.

12. Februar – was gibt es da zu feiern?

Wir haben in verschiedenen Gesprächen und Diskussionen feststellen müssen, dass es verschiedene Blickwinkel auf den 12. Februar gibt.

Generell ist der 12. Februar weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis der arbeitenden Bevölkerung dieses Landes verschwunden. Nur eine kleine Minderheit der Lohnabhängigen und der Jugend können mit diesem Datum etwas anfangen. Das ist für uns – unabhängig von unserer Mitarbeit im „Bündnis 12. Februar“ – ein wesentlicher Grund, warum wir uns alljährlich mit diesem bedeutenden Ereignis beschäftigen. Für uns ist es wichtig, dass die Arbeiter*innenklasse ihr eigenes Geschichtsbewusstsein entwickelt. Die Kenntnis über die Kämpfe der vorhergehenden Generationen ist keine Symbolpolitik und keine Traditionspflege – sie ist ein wesentlicher Beitrag dazu, die Mechanismen und die Funktionen der bürgerlichen Gesellschaft zu illustrieren, verständlich zu machen und Lehren für Gegenwart und Zukunft daraus zu ziehen. Das Bündnis hat das sehr schön mit dem Slogan „Gedenken heißt kämpfen!“ auf den Punkt gebracht.

Aus historischen Gründen ist die bei den bewussteren Teilen der Klasse verbreitetste Lesart der Bedeutung des 12. Februar 1934 die sozialdemokratische: Am 12. Februar gab es einen verzweifelten letzten Versuch von überwiegend sozialdemokratischen Arbeiter*innen, dem Faschismus entgegenzutreten und für die Demokratie zu kämpfen. Das endete mit einer blutigen Niederlage, der alljährlich mit Kranzniederlegungen und Kundgebungen gedacht wird.

Ein zweiter Strang der Erinnerungskultur sind die Feiern der KPÖ und ihrer Teilorganisationen, die primär die reformistische Politik der Sozialdemokratie in der 1. Republik und die Rolle von Kommunist*innen in den Februarkämpfen thematisieren. Mit mehr oder minder großen Schwankungen wird die historische Aufarbeitung im Sinne einer stalinistischer Tradition dadurch erschwert, dass es natürlich auch eine Nachgeschichte des 12. Februar 1934 gibt:

Von den in die Tschechoslowakei geflüchteten Schutzbündlern fanden 750 Zuflucht in der Sowjetunion8, 160 von ihnen fuhren 1936/37 nach Spanien, um als Angehörige der Internationalen Brigaden (meist im „12.-Februar-Bataillon“) im dreijährigen Bürgerkrieg die republikanische Regierung gegen die Franco-Putschisten zu verteidigen, über 200 kehrten noch vor 1938 nach Österreich zurück. Von den rund 400 in der UdSSR verbliebenen Schutzbündlern fielen vermutlich rund 150 dem stalinistischen Terror zum Opfer, weitere 20 bis 30 kehrten erst nach jahrelanger Lagerhaft zurück. 46 Schutzbündler wurden zwischen 1939 und 1941 den Behörden Nazi-Deutschlands übergeben, einige davon kamen in Konzentrationslagern ums Leben. Das Schicksal dieser Menschen, von denen der größte Teil Mitglieder der Kommunistischen Partei war, blieb auch nach den Enthüllungen Chrustschows über Stalin auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 innerhalb der KPÖ ein Tabu, das erst in den späten 1980er Jahren gebrochen wurde – zunächst, noch zögerlich, in der 1987 erschienenen Parteigeschichte9 und nach der teilweisen Öffnung der sowjetischen Archive in Form eines Forschungsauftrags des Parteivorstands an Barry McLoughlin, der 1991, gemeinsam mit Walter Szevera, die erste Liste mit Biografien rehabilitierter „Stalin-Opfer“ publizierte, die zu einem Großteil aus ehemaligen Februarkämpfern bestand.10 (Winfried R. Garscha: Die KPÖ und der 12. Februar 1934)

Die dritte Position ist die der Revolutionär*innen: Der 12. Februar 1934 war für die internationale Arbeiter*innenbewegung von historischer Bedeutung, weil sich zum ersten Mal relevante Teile des Proletariats eines Landes bewaffnet gegen den Faschismus erhoben. Sie kämpften nicht nur gegen faschistische Banden (Freikorps, SA, Squadristi, wie auch immer), sondern gegen bewaffnete Formationen des bürgerlichen Staates (Bundesheer, Polizei, Gendarmerie), der bereits seit März 1933 in den Händen der Faschisten war.

Diese unterschiedlichen Blickwinkel bedingen zwangsläufig einen anderen Umgang mit dem „Februargedenken“.

Gedenken, trauern, feiern – über den Umgang mit den Lehren der Geschichte

Für uns gilt:

  • Wir sind bedingungslos bereit, mit allen Kräften, die sich zur Arbeiter*innenklasse und ihren Traditionen bekennen, für den bezahlten arbeitsfreien 12. Februar zu kämpfen.
  • Als Gruppe KLASSENKAMPF anerkennen wir das selbstverständliche Recht aller Parteien und Organisationen der Arbeiter*innenbewegung, bei ihren Veranstaltungen und Kundgebungen zum 12. Februar ihre spezifischen Schwerpunkte und Positionen zu setzen. Wer das Gedenken an die Ermordeten in den Vordergrund stellen will, soll das ebenso tun, wie andere die Rolle ihrer Genoss*innen herausstreichen; all das passt in die Bandbreite eines gesetzlichen Feiertages – ebenso wie die Erinnerung an den heldenhaften Aufstand einer Minderheit des Proletariats gegen den Austrofaschismus.
  • Wir glauben, dass es kontraproduktiv ist, den Begriff „Feiertag“ mit einer konkreten Vorgabe für Veranstaltungen zu verknüpfen. Sehr wohl treten wir aber dafür ein, dass das „Bündnis 12. Februar“ jedes Jahr an diesem Tag eine möglichst breite Demonstration von Arbeiter*innen- und Jugendorganisationen organisiert, um als Einheitsfrontinitiative die Parole „Gedenken heißt kämpfen“ zu vertreten. Ebenso sind wir dafür, dass das Bündnis am 12. Februar oder allgemein zu diesem Thema Veranstaltungen, Symposien etc. organisiert, die unterschiedlichen Strömungen der Arbeiter*innenklasse und Wissenschaftler*innen eine Plattform zur Diskussion über Aspekte des Kampfes gegen den Faschismus, des Austrofaschismus und aktuell damit zusammenhängende Themen bietet.

Warum der 12. Februar?

Genoss*innen aus dem Umfeld von SPÖ oder KPÖ, aber auch Gewerkschafter*innen, haben immer wieder skeptisch darauf reagiert, den „traurigen“ 12. Februar zum Feiertag erheben zu wollen. In ihrem Verständnis ist dieser Tag mit der Niederlage und nicht mit dem heldenhaften Aufstand 1934 verknüpft. Statt dessen wurden wiederholt der 12. November bzw. der 8. Mai als potenzielle Alternative vorgeschlagen.

Hier sei uns eine historische Analogie gestattet: Wir gedenken jedes Jahr am 18. März der Proklamierung der Pariser Commune 1871 – der bewaffneten Erhebung der Arbeiter*innen von Paris, die, mit allen Fehlern und Schwächen, die erste Arbeiter*innenregierung der Geschichte errichteten, die erste „Diktatur des Proletariats“. Am 28. Mai gedenken wir der Opfer der triumphierenden Konterrevolution, die mit einer bis dahin unbekannten Bestialität einen Arbeiteraufstand im Blut ertränkte.

So wie wir im Gegensatz zur bürgerlichen Geschichtsschreibung nicht einzelne „große Frauen und Männer“ als die Motoren der Geschichte sehen, begnügen wir uns bei historischen Rückblicken nicht mit „Momentaufnahmen“. Auch wenn Niederlagen gegen den Faschismus verheerend waren und die Arbeiter*innenklasse weit zurückgeworfen haben – die Klasse hat weitergelebt, sie hat sich wieder organisiert und weiter gekämpft. So, wie wir natürlich um jedes Opfer unserer Klasse trauern, sind wir stolz auf unsere Vorgänger*innen, die sich bewaffnet und unbewaffnet der faschistischen Flut entgegenstemmten. Ihnen gilt es zu folgen, und es gilt, die Voraussetzungen für den Sieg gegen den Reaktion zu schaffen.

Wir treten für den 12. Februar als gesetzlichen Feiertag ein, weil wir sagen: Die Hauptklasse der bürgerlichen Gesellschaft, die produzierende Klasse, hat ein Recht auf einen Feiertag, der ein herausragendes Ereignis in ihrer Geschichte in der Erinnerung wach hält. Der 12. Februar ist für uns ein proletarischer Klassenfeiertag.

Der „Republikfeiertag“ der Ersten Republik (12. November) wurde im Nationalrat als „Feiertag zum immerwährenden Gedenken an die Ausrufung des Freistaates Deutschösterreich“ beschlossen. Die Sozialdemokratische Partei bezeichnete den 12. November als „Republikfeiertag“. Nach der Niederschlagung der Arbeiter*innenbewegung 1934 wurde der 12. November als Staatsfeiertag von den Austrofaschisten abgeschafft.

Eine Wiederbelebung des 12. November als Feiertag ist für uns kein Thema. Der Wechsel von einer Herrschaftsform der Bourgeoisie (Monarchie) zu einer anderen, auch wenn diese theoretisch günstigere Kampfmöglichkeiten für das Proletariat schafft, ist nichts, was wir an sich als „feiernswert“ betrachten. Gerade in einem durch jahrzehntelange Sozialpartnerschaft geprägtem politischen Klima würde an einem derartig reanimierten „Republikfeiertag“ mit Sicherheit das Hohelied der „republikanischen“ Klassenzusammenarbeit angestimmt. Wir halten es da lieber mit den revolutionären Kräften der Ersten Republik, die mit dem Sprechchor „Republik, das ist nicht viel – Sozialismus ist das Ziel!“ auf die Straße gingen.

Der 8. Mai als Tag der Erinnerung an die Kapitulation der Deutschen Wehrmacht bzw. „Reichsregierung“ mag zwar ein Anlass sein, die formale militärische Niederlage des Nationalsozialismus zu „feiern“ – vergessen wird oft, dass der asiatische Verbündete Hitlerdeutschlands, das kaiserliche Japan erst im September 1945 kapitulierte; das nach dem „Tag der Freude“ in Hiroshima und Nagasaki Hunderttausende Zivilist*innen Opfer US-amerikanischer Atombomben wurden, in den Kolonien der „demokratischen Länder“ die Unabhängigkeitsbestrebungen der unterdrückten Völker grausam bekämpft wurden. Im Namen eines klassenunspezifischen „Antifaschismus“ wird die formal-staatliche Beendigung eines imperialistischen Krieges, der teilweise auch ein Krieg gegen den ersten (degenerierten) Arbeiter*innenstaat der Geschichte war, in der offiziellen Geschichtsschreibung als „Sieg der Demokratie“ über den Faschismus dargestellt. Das kann für die Arbeiter*innen, die Hauptleidtragenden in den Kriegen der Imperialist*innen, kein Grund zum Jubeln sein.

Wir hoffen, dass sich im kommenden Jahr die Basis für die Demonstration am 12. Februar weiter verbreitern wird. Wir werden jedenfalls energisch weiter dafür arbeiten.

Gruppe Klassenkampf (öst. Sektion des CoReP)