In Österreich finden zum ersten Mal seit dem Ende des 2. imperialistischen Weltkrieges vor 75 Jahren keine massiven Maidemonstrationen der Massenorganisationen der österreichischen Arbeiterklasse statt. Zum ersten und letzten Mal seit der Errichtung der Republik 1918 hat die autoritäre Regierung Dollfuß 1933 vor Errichtung der austrofaschistischen Diktatur die Demonstration der Sozialdemokratie verboten. Nicht einmal ein Jahr später, im Februar 1934, haben die Faschisten nach einem heldenhaften bewaffneten Widerstandskampf die Arbeiterorganisationen zerschlagen, und damit auch die legalen Maikundgebungen.
Heute ist es die Corona-Krise die Massenkundgebungen unmöglich macht – und die autoritären Verordnungen der bürgerlichen Koalitionsregierung aus Volkspartei und Grünen.
Mitte April waren in Österreich 588.000 Menschen arbeitslos und über 1,1 Millionen auf Kurzarbeit gesetzt. Um die Dimensionen zu erkennen: 2019 waren 4,4 Millionen erwerbstätig.
Die gleiche Regierung, die ab Februar der Ausbreitung des Corona-Virus im Tourismusgebiet Tirol tatenlos zusah und die Verharmlosungspolitik der dortigen Landesregierung – auch Volkspartei und Grüne! – deckte, weil die Profitinteressen der Tourismuswirtschaft vor dem Schutz der menschlichen Gesundheit stand, begann ab Anfang März mit drakonischen Zwangsmaßnahmen, um die Ausbreitung der Pandemie zu bekämpfen.
Diese Maßnahmen – staatlicher Zwang statt Mobilisierung der Solidarität, Panikmache statt korrekter Information der Bevölkerung, Eingriffe in das Sozial- und Arbeitsrecht, um Entlassungen und Kurzarbeit zu fördern, nationalistische Propaganda – waren nicht nur Ausdruck der generellen Hilflosigkeit einer auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden Regierung, wenn es um die Abwehr der Folgen einer letzten Endes durch die kapitalistische Naturzerstörung ausgelösten weltweiten Pandemie geht. Für die österreichische Bundesregierung und ihr Aushängeschild, Bundeskanzler Sebastian Kurz, war die Corona-Krise der willkommene Vorwand, den antiparlamentarischen, tendenziell autoritären Kurs zu intensivieren und massiv in durch die Verfassung geregelte Gesetze einzugreifen. Faktisch wurde ein Versammlungs- und Demonstrationsverbot erlassen, die Präsenz der Polizei in den Straßen erhöht und deren Willkür Tür und Tor geöffnet.
Zugleich gelang es es Regierung durch den Druck der Massenentlassungen und Kurzarbeit, den starken österreichischen Gewerkschaftsbund im Namen einer “nationalen Kraftanstrengung” zum Komplizen ihrer Maßnahmen zu machen. Das “Team Austria” ist die österreichische, rot-weiß-rote Ausprägung der “nationalen Einheit”.
Unmittelbar vor Ausbruch der Corona-Krise hatten 135.000 Beschäftigte im Bereich der Sozialwirtschaft einen erbitterten Kampf für die 35-Stunden-Woche geführt, weil die Arbeitssituation in diesem Bereich mit vielen weiblichen Beschäftigten erbärmlich ist. Zum erstenmal seit Jahren gab es in ganz Österreich Massendemonstrationen, und auch andere Arbeiterinnen und Arbeiter solidarisierten sich mit diesem Kampf. Es gab Streiks und Betriebsversammlungen, in denen die Arbeiter*innen sagten; “Die 35-Stunden-Woche ist unsere Minimalforderung”.
Kaum hatte die Regierung den “Lockdown” proklamiert, gingen die involvierten Gewerkschaften in die Knie und stimmten einer geringfügigen Lohnerhöhung und dem Versprechen einer Arbeitszeitverkürzung in der Sozialwirtschaft ab 2022 zu. Das “Team Austria” hätte seinen Klassencharakter nicht besser zeigen können.
Die Sozialpartnerschaft, welche Kurz und seine bürgerlichen Verbündeten – die faschistoide FPÖ und jetzt die pseudobasisdemokratischen Grünen – erbittert bekämpft und faktisch bereits zerschlagen hatten, wurde nun plötzlich wieder aus dem Hut gezaubert, weil die Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Folgen letztlich nicht ohne Unterstützung durch die Arbeiter*innenbürokratie möglich sein wird.
Mit sentimentalen Worten lobt Kanzler Kurz die “Held*innen” der Arbeit, die das Land – sprich: den Kapitalismus – am Laufen halten: Supermarktverkäufer*innen, Krankenpfleger, Müllabfuhr… Wie zeigt sich der Dank der Kapitalisten für diese Proletarier*innen? In Massenarbeitslosigkeit, Lohnverlust, einem faktischen Einfrieren der medizinischen Versorgung abseits der Pandemie. Unverhohlen werden Pensionist*innen, die “unproduktiv” sind, durch soziale Isolation an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Und auch die bekannten ausländerfeindlichen Phrasen tauchen wieder auf, während gleichzeitig tausende osteuropäische Erntehelfer*innen und rumänische Pflegekräfte in Massentransporten herangekarrt werden.
Kurz und seine grünen Koalitionspartner tun alles, um den Nationalismus und den Autoritarismus zu fördern. Offensichtlich verfassungswidrige Verordnungen und Gesetze werden mit einer lässigen Handbewegung abgetan: Es sei nicht die Zeit für juristische Spitzfindigkeiten; die vielbeschworene europäische Einheit à la EU endet heute an den plötzlich wieder geschlossen Grenzbalken. Aus “gesundheitlichen” Gründen lässt man Geflüchtete an den EU-Außengrenzen verrecken. Kanzler Kurz unterstützte zwar mitten während der Corona-Krise der US-imperialistische Kampagne gegen den venezolanischen Präsidenten Maduro – zu seinem EVP-Kumpel Viktor Orban, der in Ungarn die demokratischen Freiheiten kassiert hat, fällt ihm hingegen nichts ein.
Es gilt jetzt, im internationalen Maßstab den Widerstand gegen die Maßnahmen der Kapitalist*innen und ihrer Regierungen vorzubereiten. Die 1. Mai-Erklärung des CoReP hat hier den Rahmen abgesteckt.
In Österreich wird das bedeuten, den Kampf gegen die nationale Einheit und die domestizierte Gewerkschaftsbürokratie zu organisieren; die Selbstorganisation der lohnabhängigen Massen zu propagieren. Und vor allem den Schuldigen an dieser Krise zu benennen: Die kapitalistische Produktionsweise, das internationale imperialistische Profitsystem.