Der neue Kriegsplan des US-Imperialismus gegen das palästinensische Volk

Erklärung des Kollektivs Permanente Revolution

Am 28. Januar enthüllte der amerikanische Präsident in Washington in Anwesenheit des israelischen Premierministers Netanjahu das „Abkommen des Jahrhunderts“, seinen „Friedensplan“ für „zwei Staaten“ in Palästina, der den Plänen von Reagan (1982) und Bush senior (1991) nachfolgt. Der Plan wurde von seinem Berater (und Schwiegersohn) Jared Kushner und dem US-Botschafter in Israel, David Friedman, vorbereitet. Als der Präsident Friedman die Ehre erwies, unterlief ihm ein Versprecher und er sagte: „Ihr Botschafter“. Netanjahu brachte, an der Seite Trumps, seine Zufriedenheit zum Ausdruck.

Nakba und die Geburt des letzten Kolonialstaates

Der Widerstand der arabischen Bevölkerung Palästinas, einer ehemaligen Provinz des Osmanischen Reiches, die 1917 unter britische Kontrolle kam, begann zu jener Zeit, als die Zionisten (eine nationalistische Bewegung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts für die Ausreise der Juden aus Europa an einen ihnen von Gott gegebenen Ort eintrat) begannen, Land zu kaufen.

Nach Hitlers Sieg 1933 versuchten zionistische Führer, mit dem Nazi-Regime zusammenzuarbeiten. Die demokratischen bürgerlichen Staaten (Schweiz, Vereinigte Staaten, Frankreich, Großbritannien…) weigerten sich ihrerseits, ihre Grenzen für verfolgte Juden zu öffnen, was Hunderttausende von ihnen nach Palästina führte. Die Vernichtung der Juden in Europa gab dem Zionismus einen unerwarteten Auftrieb. Gleichzeitig wurde die UNO von den ehemaligen Alliierten, d.h. den westlichen imperialistischen Mächten und der stalinistischen Bürokratie der UdSSR, gegründet. Im November 1947 stimmte die UNO-Generalversammlung auf Initiative der von der UdSSR unterstützten USA für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat (Resolution 181). 

Ohne abzuwarten, entfesselten die zionistischen Terrororganisationen (Haganah, Lehi-Stern, Irgun) im März 1948 den Dalet-Plan, um so viele Araber wie möglich zu vertreiben. Israel wird im Mai 1948 gegründet. Die Armeen der benachbarten bürgerlichen Staaten (Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, Irak) erklären ihm den Krieg. Der schwedische UN-Vermittler wird von der zionistischen Terrororganisation Leni-Stern ermordet. Die arabischen Staaten schließen mit Israel Waffenstillstandsabkommen ab. Trotz des „Sozialismus“, den die meisten von ihnen beanspruchen, werden sie die Juden ihrer eigenen Länder verfolgen, die zionistische Ideologie stärken und Israel eine bedeutende Einwanderung ermöglichen.

Das Ergebnis der ethnischen Säuberung von 1947-1949 (Nakba) ist, dass von 1,5 Millionen Palästinensern 160.000 in Israel überleben, eine Million im Gazastreifen (dessen Kontrolle Ägypten übernimmt) oder im Westjordanland (von Jordanien annektiert) landen und mehr als 300.000 in anderen Staaten, die meisten von ihnen in Lagern. Israel wurde von der UNO im Mai 1949 (Resolution 273) mit dem Votum der imperialistischen Länder und der UdSSR anerkannt. 

Obwohl von den atheistischen Führern der Mapai (Arbeiterpartei), dem Gründer der Haganah, aufgebaut, ist Israel alles andere als säkular: Eheschließungen erfolgen religiös, religiöse Fundamentalisten sind vom Militärdienst befreit, die Rabbiner definieren, wer Jude oder Jüdin ist… Seine Arbeiterbewegung ist überwiegend kolonialistisch; folglich ist sie vom Geist der  Klassenzusammenarbeit durchdrungen und mit Rassismus infiziert. Die Mapai und der Gewerkschaftsbund Histadrout lehnen arabische Arbeiter ab. Nur die Maki (Israelische Kommunistische Partei) und deren Abspaltung von 1962, die Matzpen, die vom Trotzkismus beeinflusst ist, organisieren Juden und Araber. Israel setzt nach seiner Proklamation die Zerstörung arabischer Dörfer innerhalb seiner Grenzen fort. Unter Missachtung internationaler Verträge rüstet es sich mit Hilfe Frankreichs mit Atomwaffen aus, kollaboriert mit dem Apartheidregime Südafrikas und befindet sich im permanenten Kriegszustand. 

Die historische Kapitulation der palästinensischen Führer

Der palästinensische bürgerliche Nationalismus (Fatah) zielte darauf ab, einen eigenen, möglichst großen Staat zu gründen, indem er Flüchtlinge gegen Israel mobilisierte, in den 1960er und 1970er Jahren sogar zu den Waffen griff und auf den Druck der UdSSR sowie der bestehenden arabischen Staaten setzte, um an den Grenzen Israels einen Guerillakrieg zu führen. Aber die Bürokratie der UdSSR hatte Israel bei seiner Gründung anerkannt und die Armeen der arabischen Nachbarstaaten erwiesen sich als unfähig, der israelischen Armee Widerstand zu leisten. Bestimmte Fraktionen der arabischen Bourgeoisie massakrierten selbst palästinensische Kämpfer und Flüchtlinge (Jordanien, Libanon, Syrien). 

Mit der Wirtschaftskrise in der UdSSR in den 1980er Jahren und dem Rückgang des panarabischen Nationalismus zugunsten des Islamismus führte die PLO unter Führung von Arafat (Fatah) ab 1978 Gespräche mit Israel, stimmte 1988 der Teilung in zwei Staaten zu, verhandelte 1991 mit den Vereinigten Staaten und Israel, unterzeichnete 1993 die Abkommen Oslo I und 1995 Oslo II und revidierte 1996 offiziell die PLO-Charta. Die PDFL (Demokratische Volksfront Palästinas)  erkannte Israel ebenfalls an; die PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) lehnte Israel ab, blieb aber in der PLO. Im Gegenzug wurde die PLO 1996 unter dem Namen „Palästinensische Autonomiebehörde“ mit der Verwaltung des Gazastreifens und des Westjordanlandes beauftragt. Arafat starb 2004 unter seltsamen Umständen. Der Polizeiapparat der „Palästinensischen Gebiete“ wurde von den Vereinigten Staaten geschaffen und arbeitet seither mit Israel zusammen. 

Dieser Verrat der Fatah, der den linken Flügel der PLO (UPDF, PFLP) in Verruf brachte, ermöglichte es der Hamas, dem klerikalen Flügel der palästinensischen Bourgeoisie, die Wahlen von 2006 zu gewinnen. Die Fatah behielt mit Unterstützung des Imperialismus die Macht im Westjordanland, verlor sie aber im Gazastreifen. Israel hat den Gazastreifen innerhalb von elf Jahren dreimal zerstört und unterwirft ihn seit 2007 einer Land-, Luft- und Seeblockade. Der Gaza-Streifen erhält weiterhin Hilfe von der Europäischen Union; darüber hinaus wird die Hamas von zwei islamistischen Regimes (Katar und Iran) finanziell und militärisch unterstützt. Unter dem Druck Israels und Ägyptens hat die Hamas, ohne Israel formell anzuerkennen, die Koexistenz zweier Staaten akzeptiert. Im Jahr 2017 änderte sie ihre Charta, die die Teilung Palästinas gemäß den Grenzen von 1967, d.h. die Position der UNO, akzeptiert.

Die „zwei Staaten“, Legitimierung der Kolonisierung

Trump behauptet, seine Position sei „ausgewogen“, da sie das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat einschließt. Nichts Neues, denn dies war die Lösung der Peel-Kommission 1937, der UNO 1947, des Oslo-Abkommens 1994, des Wye-River-Abkommens 1998, der „road map“ von 2003… Doch ein ehemaliger israelischer Unterhändler der Oslo-Abkommen bedauert, dass das neue US-Projekt die politischen Vertreter der palästinensischen Bourgeoisie nicht ausreichend schont.

Es besteht ein Unterschied zwischen einer Kapitulation und einem Friedensplan. Aber selbst die Bedingungen einer Kapitulation sind wahrscheinlich nachhaltiger, wenn sie so aufgebaut sind, dass sie der unterlegenen Seite einen gewissen Anschein von Würde lassen. (Daniel Levy, Der amerikanische Plan, 30. Januar)

Tatsächlich war nie die Rede von zwei gleichberechtigten Staaten, da dies mit dem zionistischen Projekt, mit der Kolonialisierung, unvereinbar ist. Für Israel und die imperialistischen Mächte ging es darum, weniger als einen Staat zu gewähren – eine wie ein Staat aussehende Kulisse.

Im März 1991, als die Vereinigten Staaten begannen, Druck auf die PLO auszuüben, um das Oslo-Abkommen zu erreichen, empfing der US-Außenminister (James Baker) in Washington heimlich den Gesandten des Königs von Jordanien (Adnan Abu Odeh). 

Hören Sie, Mr. Odeh, als Außenminister sage ich Ihnen eines. Es wird keinen palästinensischen Staat geben. Es wird eine Entität [einheitliches Ganzes] geben –  weniger als ein Staat, mehr als Autonomie. Das ist das Beste, was wir mit den Israelis erreichen können. (zitiert von David Hearst, 4. Februar 2019, Website der Französischen Jüdischen Union für den Frieden)

Kurz bevor er von einem zionistischen Fanatiker ermordet wurde, der nicht akzeptierte, dass er mit den Palästinensern verhandelte, hatte der israelische Premierminister (damals von der Arbeitspartei) klar gemacht:

Die Grenzen des Staates Israel werden außerhalb der Grenzen liegen, die vor dem Sechstagekrieg bestanden. Wir werden nicht zu den Linien vom 4. Juni 1967 zurückkehren. Die Sicherheitsgrenze des Staates Israel wird im Jordantal, im weitesten Sinne des Wortes, liegen… Daneben wird eine palästinensische Einheit liegen… Wir möchten, dass es eine Entität ist, die weniger als ein Staat ist und die das Leben der Palästinenser unter ihrer Autorität unabhängig verwaltet. (Yitzhak Rabin, Ansprache an die Knesset zu den Abkommen von Oslo II, 5. Oktober 1995)

Immer neue Forderungen an die Palästinenser

Wie es ein ehemaliger Exilführer der  dahingeschiedenen revolutionären und antizionistischen Matzpen-Organisation ausdrückt, folgen die aufeinander folgenden „Friedenspläne“ einer Logik.

Jedes Mal wird den Palästinensern und den Israelis ein Plan vorgelegt. Die Palästinenser akzeptieren diesen entweder oder lehnen ihn ab. Wenn sie ihn ablehnen, werden sie dafür verantwortlich gemacht. Wenn sie ihn akzeptieren, dann stellen die Israelis neue Bedingungen. (Moshe Machover, Weekly Worker, 20. Februar)

Zu den neuen Forderungen gehört, dass der palästinensische Staat sein Volk „erziehen“ müssen, um „Hassreden“ ein Ende zu setzen: „Der Staat Israel, der Staat Palästina und die arabischen Länder werden zusammenarbeiten, um der Hisbollah, dem IS (Daesh), der Hamas … und allen anderen terroristischen Gruppen und Organisationen sowie anderen extremistischen Gruppen entgegenzutreten“. 

Nichts dergleichen wird von Israel verlangt, während die Massenmedien, der Likud und seine politischen Partner Hassreden gegen Araber halten, während Soldaten täglich Palästinenser misshandeln, während rassistische Siedler, die von der israelischen Armee bewaffnet und geschützt werden, regelmäßig Besitzungen und Menschen in den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde angreifen.

Der neue Plan tilgt den Begriff der Flüchtlinge und befürwortet das Ende der Finanzierung des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten durch die USA (gefolgt von der Schweiz und den Niederlanden) im Jahr 2018. Der Trump-Netanjahu-Plan verbietet den Nachkommen der Vertriebenen ausdrücklich die Rückkehr in ihre Heimat. Das „Flüchtlingsproblem“ muss von den arabischen Staaten gelöst werden, die „eine moralische Verantwortung haben, sie in ihre Länder zu integrieren, so wie die Juden in den Staat Israel integriert wurden“. Palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachkommen werden sich nur mit dem Einverständnis Israels im palästinensischen Staat niederlassen können. 

Schließlich werden die palästinensischen Vertreter Israel als „Nationalstaat des jüdischen Volkes“ anerkennen müssen, was den zionistischen Mythos legitimiert, dass Israel nicht der Staat seiner Bürger, sondern aller Juden der Welt ist, in Übereinstimmung mit Netanjahus Änderung des „Grundgesetzes“ (Verfassung Israels) im Jahr 2018. 

Dies schwächt die Position der Araber (20% der israelischen Bevölkerung), die politisch Bürger zweiter Klasse und wirtschaftlich der am meisten ausgebeutete Teil der israelischen Arbeiterklasse sind. Darüber hinaus plant Trump, die arabische Bevölkerung des „Dreiecks“, in dem mehr als 260.000 israelische Araber leben, aus den Grenzen Israels herauszunehmen und in den künftigen „palästinensischen Staat“ zu verbannen.

„Der palästinensische Staat“ nach Trump und Netanjahu

In den Abkommen von Oslo stand nichts, was die Fortsetzung der Kolonisierung in den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde verbieten würde.

Fast jeder, den ich damals kannte, auch ich selbst, wurde von dem Hype um das Ende der Besetzung getäuscht. (Michel Warschawski, ehemaliger Matzpen-Führer und Mitglied der pabloistischen „4. Internationale“, zitiert von Jonathan Cook, 17. September 2018, Website der Französischen Jüdischen Union für den Frieden).

Heute wird Israel von Washington das Recht zuerkannt, neuerlich große Teile der Gebiete Palästinas zu annektieren: alle jüdischen Enklaven in Jerusalem und im Westjordanland sowie zusätzlich das Jordantal (700.000 Siedler). Jerusalem ist als „unteilbare“ Hauptstadt Israels vorgesehen, wie die US-Regierung bereits Ende 2017 erklärte.

Der verbleibende Rest wäre kein echter Staat. Er hätte weniger Macht als die Bantustans, die durch das Apartheidregime Südafrikas in den 1970er Jahren geschaffen wurden. Der Gazastreifen wird das Testgelände für die in die ganze Welt exportierten Rüstungsgüter israelischer Konzerne bleiben. 

Die Mehrheit der Palästinenser unter israelischer Kontrolle in Gaza und im Westjordanland spielt in der israelischen Wirtschaft kaum eine Rolle. Sie werden hauptsächlich zum Testen von Sicherheitsausrüstung und Waffen eingesetzt. Sie sind die Versuchskaninchen, an denen diese Produkte eingesetzt werden, so dass man sagen kann, dass sie sich in der Praxis und nicht nur in Simulationen bewährt haben. (Moshé Machover, Weekly Worker, 20. Februar)

Der einzige Hinweis auf die Gewalt, unter der die Bevölkerung dieses Ghettos von zwei Millionen Menschen leidet, ist, dass sie „zu lange unter dem repressiven Hamas-Regime gelitten hat“

Israel wird „die Hauptverantwortung für die Sicherheit des Staates Palästina“ tragen und für „die Sicherheit an allen internationalen Grenzübergängen zum Staat Palästina“ verantwortlich sein, was bedeutet, dass der neue Staat keine Kontrolle über irgendeine seiner Grenzen haben wird. Israel wird auch „weiterhin den Luftraum“ und die Telekommunikation kontrollieren.

Dem „palästinensischen Staat“ wird es nicht erlaubt sein, militärische Einrichtungen zu besitzen. Er wird „nicht das Recht haben, Militär-, Geheimdienst- oder Sicherheitsabkommen mit einem Staat oder einer Organisation zu schließen, die die Sicherheit des Staates Israel, wie sie vom Staat Israel definiert wird, nachteilig beeinflussen“.

Israel wird nicht nur das fruchtbare Land an sich reißen, sondern es wird auch die Kontrolle über das Wasser haben.

Gemäß dem „Deal des Jahrhunderts“ wird Israel die Gesamtkontrolle über das Wasser behalten. Israel hat bereits den Löwenanteil. Palästinensern ist es beispielsweise nicht erlaubt, neue Brunnen zu graben. Wenn Sie die Siedlungen im Westjordanland besuchen, werden Sie Schwimmbäder und grüne Rasenflächen sehen. Auf der anderen Seite steht den palästinensischen Bauern nur ein kleiner Teil des Wassers zur Verfügung. (Moshe Machover, Weekly Worker, 20. Februar)

Überall im so genannten „Palästinenserstaat“ und besonders im Gazastreifen wird der Mangel an Trinkwasser von vornherein auf der Tagesordnung stehen.

Adnan Ghosheh, Chief Water and Sanitation Specialist, erinnert sich an eine nicht allzu lange zurückliegende Zeit, als jeder in Gaza Wasser aus dem Wasserhahn trinken konnte. Das war in den späten 1990er Jahren. Seither wird der Grundwasserspiegel so stark ausgebeutet, dass Meerwasser in ihn versickert und das Leitungswasser untrinkbar wird, weil es zu salzig ist. Dieser Faktor erklärt unter anderem, warum nur 10 Prozent der Bewohner*innen Gazas Zugang zu Trinkwasser haben, der Rest ist von Tankwagen abhängig. Etwa 150 Betreiber stellen mehr oder weniger entsalztes Wasser zur Verfügung, das, einmal gefiltert, getrunken oder zum Kochen verwendet werden kann. Es kostet mehr, und nach unseren Kriterien für Wasser, das sicher genug zum Trinken ist, ist es nicht wirklich trinkbar. (Weltbank, 22. November 2016)

Die Ohnmacht der palästinensischen Bourgeoisie

Zurück in Israel sagte Netanjahu, dass „die Palästinenser wahrscheinlich lange brauchen werden, um an den Anfang dieses Weges zu gelangen“. In der Tat können selbst Abbas und Fatah den Trump-Netanjahu-Plan nicht akzeptieren, ohne politischen Selbstmord zu begehen.

Mahmoud Abbas, 84 Jahre alt, begnügte sich damit, Nein zu sagen, „tausendmal Nein“, mit einer Verzweiflung, die ihm den Atem raubte. Er bekräftigte: „Jerusalem steht nicht zum Verkauf. Unsere Rechte stehen nicht zum Verkauf“, umringt von Vertretern palästinensischer Fraktionen, einschließlich des Islamischen Dschihad, einer radikalen bewaffneten Gruppe in Gaza. (Le Monde, 29. Januar)

Bereits das Verbot der islamistischen Bewegung in Israel (Muslimbruderschaft) im Jahr 2015, die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem im Jahr 2018, die wiederholten Tötungen von Demonstranten an den Grenzen des Gazastreifens im Jahr 2018, die Erstürmung der Al-Aqsa-Moschee durch Siedler am Eid-Tag 2019 hatten nicht viel Widerstand seitens der palästinensischen Führer und arabischen Staaten hervorgerufen. Abbas ist kaum in der Lage, auf den Trump-Netanjahu-Plan zu reagieren, da der PA (Palästinensische Autonomiebehörde) von Israel und den Vereinigten Staaten Hände und Füße gebunden werden. 

In den letzten Tagen hatte seine [Abbas]Umgebung die Gefahr einer Einschränkung der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel oder sogar der Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde heraufbeschworen, die Israel die Verantwortung für die alleinigen Sicherheitskontrollen im Westjordanland überlassen würde, wie dies bereits vor den 1993 unterzeichneten Osloer Abkommen der Fall war. Diese Bedrohung ist nicht neu, aber sie wurde nie deutlich präzisiert. (Le Monde, 29. Januar)

Abbas Spielraum wird darauf reduziert, auf das Scheitern Trumps bei den Präsidentschaftswahlen 2020 zu hoffen, was nichts an Israels Würgegriff auf das Westjordanland und Jerusalem ändern würde. Die arabischen bürgerlichen Staaten, die einst Popularität erlangten, indem sie die palästinensische Sache mit Worten unterstützten, werden destabilisiert (Syrien, Irak) oder ziehen sich zunehmend zurück. Die meisten von ihnen sind militärisch von den Vereinigten Staaten abhängig (Golfmonarchien, Ägypten…). Das Hauptanliegen mehrerer von ihnen ist die Bekämpfung des Iran, was sie enger an die Vereinigten Staaten und Israel heranführt. 

Was die Hamas betrifft, die den zionistischen Staat durch Raketenbeschuss und Selbstmordattentate unter Druck zu setzen versucht (oder es ihrem bigotten und antisemitischen Rivalen, dem Islamischen Dschihad, ermöglicht, ihn unter Druck zu setzen), hat sie sich vorsichtig vom Dschihad distanziert, den die israelische Armee im Februar in Gaza und in Syrien angegriffen hat. Die Hamas respektiert weiterhin den im Mai 2019 mit dem zionistischen Staat vereinbarten Waffenstillstand.

Kapitulation vor dem Kapitalismus führt zur Anerkennung Israels

Die meisten Gewerkschaftsbürokratien und sozialimperialistischen Parteien folgen ihrem Herrn, der Bourgeoisie ihres jeweiligen Staates. Deshalb unterstützen sie die UNO und ihre Zwei-Staaten-„Lösung“ und erkennen Israel an. Wenn sie Trumps Politik im Nahen Osten kritisieren, so geschieht dies im Namen der Interessen „ihrer“ Bourgeoisie und der imperialistischen Weltordnung.

Die Sozialdemokratie steht mehrheitlich hinter der israelische Bourgeoisie. So kapitulierte der ehemalige pro-palästinensische Abgeordnete Corbyn, einst an der Spitze der britischen Labour-Partei, vor seiner Bourgeoisie, erkannte Israel an und erlaubte sogar eine Hexenjagd gegen die Antisemiten gleichgesetzten Antizionisten in der Partei. Die Erben des Stalinismus oszillieren zwischen den beiden Fraktionen der arabischen Bourgeoisie, den Überlebenden des pseudosozialistischen panarabischen Nationalismus und dem Islamismus. 

In dieser wie in anderen Fragen verbünden sich ihre zentristischen Satelliten mit den Bürokratien der Arbeiterbewegung und verleugnen das kommunistische Programm, das zwischen dem Nationalismus der Unterdrückten und dem der Unterdrücker unterscheidet, das die Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung von der Bourgeoisie der beherrschten Länder verteidigt, das die Ausgebeuteten mit einer revolutionären Arbeiterpartei ausstatten will. 

Die hardystische Lutte Ouvrière (LO) in Frankreich und ihre Franchisenehmer in der „Union Internationalistischer Kommunisten UCI für den Wiederaufbau der  4. Internationale“ haben Israel immer anerkannt.

Wir halten das Verschwinden des Staates Israel weder für notwendig noch für wünschenswert. Wir glauben sogar, dass seine Existenz für die gesamte arabische und jüdische Bevölkerung des Nahen Ostens von Vorteil sein könnte. (Lutte de classe, Juli 1967)

Das grantistische CWI/KAI ist auf der gleichen Position.

Vor allem gilt es, die Legitimität des Anspruchs der Palästinenser und Israelis auf einen eigenen Staat anzuerkennen.  (CWI, Antisemitismus, Israel/Palästina und die Linke, 15. Mai 2018)

Als die PLO den Guerillakrieg führte, sprach sich die „Vierte Internationale“ von Pablo für die Zerstörung Israels aus, aber nur, weil sie sich dem panarabischen bürgerlichen Nationalismus und seinem palästinensischen Flügel anschloss. Mit den Abkommen von Oslo erkannte sie die Legitimität eines zionistischen Staates an. Die cliffistische SWP und ihre Internationale Sozialistische Organisation folgten der gleichen Entwicklung wie die Pablo-Mandelisten. Im Namen der antiimperialistischen Einheitsfront ist die SWP dem Islamismus gegenüber noch opportunistischer als die pabloistische IV. Internationale..

Auch die morenistischen Spaltungen der pabloistischen „Vierten Internationale“ passen sich dem Islamismus an (einige sind so weit gegangen, zu behaupten, dass in Syrien die Dschihadisten eine „permanente Revolution“ anführten), und die healyistischen „Vierten Internationalen“ (die der WRP und die der SEP) bleiben der Baath-Partei und dem massenhaften Folterer des syrischen Volkes Assad treu. Auf diesem Boden,wie auch anderswo, ist die Fahne der 4.. Internationale in den Dreck gezogen und diskreditiert worden.

Die Illusion der Boykottkampagne gegen Israel

Unter der Bezeichnung „Boykott, Desinvestition und Sanktionen“ (BDS) versucht die palästinensische Nationalbewegung seit 2005, den bereits 1945 von der Arabischen Liga (einem Ableger der bürgerlichen Staaten der Region) beschlossenen Boykott Israels wieder aufleben zu lassen. Die UNO hat ihr gerade Auftrieb gegeben, indem sie die Unternehmen aufgelistet hat, die von den illegalen Siedlungsaktivitäten Israels im Westjordanland profitieren (Februar 2020).

Die Legende der kleinbürgerlichen Pazifisten, die den bewaffneten Kampf des ANC verdrängen, besagt, dass die Kampagne für den Boykott südafrikanischer Orangen durch die westlichen Konsumenten die Apartheid zu Fall brachte, während es in Wirklichkeit die kollektiven Kämpfe, Arbeiterstreiks und der Aufstand der Schwarzen in den Shantytowns waren, die die Apartheid zu Fall brachten.

Internationalistische Kommunist*innen sind nicht gegen den Verbraucherboykott israelischer Produkte, der von vielen reformistischen Parteien und den meisten zentristischen Organisationen unterstützt wird. Aber sie sind skeptisch hinsichtlich seiner Wirksamkeit und feindselig gegenüber seiner Ausweitung auf Sport, Kultur und Forschung. 

Von Israel exportierte Waffen werden an Palästinensern getestet, von Israel importierte Waffen werden zur Terrorisierung und Massakrierung von Palästinensern eingesetzt. Warum weigern sich die Transportarbeitergewerkschaften aller Länder nicht, Waffen nach Israel (das sechzehntgrößte Militärbudget der Welt für die numerisch auf Platz 98 der Welt liegende Bevölkerung) oder aus Israel (dem achtgrößten Waffenexporteur der Welt) zu transportieren? Weil diejenigen, die ihre Führung stellen,  in Wirklichkeit Sozialpatrioten sind, die ihrer eigenen Bourgeoisie, „ihren“ Waffenexporteuren oder „ihren“ Streitkräften keinen Schaden zufügen wollen.

Noch weniger Illusionen darf es über die Aufrufe zur „Desinvestition“ durch die Kapitalisten und die Plädoyers an die imperialistischen Staaten für diplomatische Sanktionen geben. Während sich die Initiatoren dieser Kampagne alle auf die Respektierung der Grenzen von 1967 berufen, darf diese Boykottkampagne für die internationalistischen Kommunisten keinesfalls als Ersatz für die Forderung und das Ziel dienen, das für jeden, der echte Solidarität mit dem palästinensischen Volk zum Ausdruck bringen will, zentral bleiben muss: die Zerstörung des rassistischen Siedlerstaates Israel. 

Warum Israel zerschlagen werden muss

Der Zionismus rechtfertigt die Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Angesichts nationaler Unterdrückung, Apartheid, Kolonialisierung und ethnischen Säuberungen können die Arbeiter*innen nicht neutral sein. Die Apartheid konnte im Süden der Vereinigten Staaten durch den Kampf der Nachkommen der Sklaven, die einen großen Teil des Proletariats und der Kleinbourgeoisie repräsentierten, bekämpft werden; in Südafrika wurde sie beseitigt, weil die Nachkommen der Ureinwohner und Einwanderer für Gleichheit kämpften, während sie die Mehrheit der Arbeiterklasse repräsentierten. Aber das Ziel der israelischen Bourgeoisie ist nicht die Ausbeutung der arabischen Arbeiter, sondern ihre Vertreibung. 

Ein großer Teil der Juden entschied sich dafür, außerhalb Israels zu leben. Es ist in Bezug auf Einkommen und Vermögen eines der ungleichsten Länder in der OECD. Es ist ein klerikaler Staat. Es ist militarisiert und überbewaffnet, es besetzt ganz Jerusalem, es nimmt sich das Recht heraus, im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien militärisch einzugreifen, wann immer ihm danach ist, und seine Geheimdienste ermorden  Menschen bis hinein in den Iran.

Die Anerkennung der nationalen Unterdrückung, unter der die Palästinenser leiden, führt zwangsläufig dazu, dass der zionistische Staat als Hindernis für jede demokratische Lösung in Frage gestellt wird. Die Zerstörung der Mauer, die Gleichheit zwischen Juden und Arabern, das Rückkehrrecht von Millionen von Flüchtlingen kann nicht durch die Aufrechterhaltung eines Kolonialstaates erreicht werden, der seit seiner Entstehung von der „internationalen Gemeinschaft“, d.h. dem Weltimperialismus, vorangetrieben wird. 

Das Ende der Unterdrückung der Palästinenser erfordert die Zerschlagung des zionistischen Staates, der klerikal und rassistisch, kriegstreiberisch und ein Instrument des westlichen Imperialismus im Nahen Osten ist. Gegen alle Bourgeoisien (amerikanische, israelische, arabische, türkische, iranische…) wird die Mobilisierung der Arbeiter*innen in Jerusalem, im Westjordanland, Gaza, Israel, Jordanien… die Errichtung eines sozialistischen Palästina ermöglichen, in dem Araber*innen und Juden, Muslime, Angehörige der jüdischen Religion, Christen und Atheisten zusammenleben können. 

Nur die Arbeiterklasse kann die palästinensischen Araber befreien. Um diese Rolle spielen zu können, müssen sich die Arbeiter*innen unabhängig von ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, ihrem Geschlecht und ihrer Religion international zusammenschließen. Die Arbeiterklasse, die Bauern und Studenten um sich sammelt, ist die einzige gesellschaftliche Kraft, die dem religiösen Fanatismus entgegenwirken und den Säkularismus etablieren, die zionistische Kolonisierung in Palästina und die säkulare Unterdrückung der Kurden beseitigen, der imperialistischen Herrschaft und der islamistischen Reaktion ein Ende setzen, die Jugend und die Frauen emanzipieren, den Bauern Land geben, die Jugend ausbilden, allen Arbeit geben und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung für alle gewährleisten kann.

Die Arbeiter- und Bauernregierung des vereinigten Palästina kann nur aus den Trümmern des rassistischen, kriegstreiberischen Kolonialstaates, dem Instrument des Imperialismus im Nahen Osten, geboren werden. Als Ausdruck der Macht der Arbeiterräte wird die Arbeiter- und Bauernregierung die von der Kolonialisierung ererbten Grenzen abschaffen und die Perspektive der sozialistischen Föderation des Nahen Ostens eröffnen.

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

14. März 2020

Kollektiv Permanente Revolution
14.März 2020