Das ist weder Übertreibung noch Überraschung, sondern vorhersehbar und eine Tatsache, die sich immer wieder aufs Neue zeigt. Eine weitere Bestätigung liegt im geplanten Vorhaben zur bundesweiten Einführung einer Sachleistungskarte, welche über die Medien als Bezahlkarte einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.
Ab 2025 soll bundesweit ein einheitliches System zur Grundversorgung in Form einer Bezahlkarte umgesetzt werden. Schwarz und Blau zeigen sich dabei in bester Eintracht. Ein Innenminister – vormals Bürgermeister jener kleinen Gemeinde in Niederösterreich, die als Betreiber des im Ort ansässigen (und zwischenzeitlich aufgelösten) Engelbert-Dollfuss-Museums (bekanntlich jener Kanzler, der Österreich in der Zwischenkriegszeit in die Diktatur führte) zweifelhafte Bekanntheit erlangte – der keinerlei Berührungsängste zum Austrofaschismus der 1930er Jahre wie auch zu gegenwärtig zunehmenden faschistischen Tendenzen zeigt, trifft auf Udo Landbauer, FPÖ Politiker und Landesrat in Niederösterreich, der wie viele andere seiner Parteikonsorten für auffälliges und extrem rechtslastiges Verhalten bekannt ist und vor einigen Jahren aufgrund seiner Unbekümmertheit gegenüber nationalsozialistischem Liedgut als Spitzenkandidat zurücktreten musste. Doch worum geht es konkret?
Bei der Konferenz der Landesflüchtlingsreferenten vom 4. Juni 2024 wurde der Beschluss zu einer bundesweit einheitlichen Regelung zur Einführung einer Bezahlkarte gefasst, die konkrete Umsetzung liegt in Landeskompetenz (Bund-Ländervereinbarung nach Art. 15a B-VG). Betroffen sind von dieser geplanten Maßnahme alle Asylwerber (eine treffendere Bezeichnung wählt das UNHCR – The UN-Refugee in Form des Begriffes „Asylsuchende“) – also jene Menschen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben und auf die Entscheidung warten, ob sie Schutz erhalten oder nicht. Die den Asylsuchenden in dieser Wartezeit zustehenden Leistungen der Grundversorgung sollen gebündelt auf einer Karte bereitgestellt werden. Aufbauend auf den Erfahrungen eines Pilotprojektes in Oberösterreich wird seit Anfang Juni in Niederösterreich das System getestet: Die Leistungshöhe von sechs Euro pro Tag, somit 186 Euro pro Monat, wird auf diese Karte aufgebucht, ein Taschengeld in Höhe von vierzig Euro wird in bar ausbezahlt. Mit dieser Vorgehensweise soll Missbrauch in unterschiedlicher Form verhindert werden.
Im Anschluss an die seit Juni laufende Testphase wird das System „Bezahlkarte“ in Niederösterreich nun schrittweise auf das gesamte Bundesland ausgerollt. Tag für Tag werden sechs Euro auf die Karte gutgeschrieben. Nicht möglich für die Empfänger sind: Überweisungen, Online-Einkäufe, Bargeldabhebungen, der Kauf von Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, der Einkauf in Sozialmärkten sowie der Kauf von Alkohol und Zigaretten.
Die Leistungserbringung in Form der Bezahlkarte ist generell abzulehnen, der niederösterreichische Weg zur Umsetzung stellt eine besonders perfide Lösung dar. Einkäufe erfolgen in der Regel nicht ausschließlich täglich, sondern je nach Produkt wird für einen längeren Zeitraum eingekauft, manche Waren sind auch nur in größeren Gebinden erhältlich. Mit sechs Euro – jeweils täglich verfügbar – wird sinnvolles Wirtschaften somit unmöglich. Das Verbot zum Einkauf in Sozialmärkten ist völlig unverständlich, da gerade die Ärmsten der Armen – die bereits ihre Heimat, oftmals ihre Familie, ihr Hab und Gut auf Grund von Krieg, Landraub, (globaler) kapitalistischer Ausbeutung oder Verfolgung zurücklassen mussten – auf günstige Einkaufsmöglichkeiten angewiesen sind. In den Grenzregionen der einzelnen Bundesländer liegen die Einkaufsmöglichkeiten mitunter im benachbarten Bundesland, aber auch diese Möglichkeit zum Einkauf wird mit der Unmöglichkeit des Kaufes von Fahrkarten und der ausschließlichen Gültigkeit der Einkaufskarte im ausstellenden Bundesland unterbunden. Und das Argument, dass Überweisungen an Schlepper oder ins Heimatland verhindert werden sollen, geht bei den zur Verfügung stehenden Beträgen wohl völlig ins Leere. Überschüsse, die ins Ausland abwandern, sind da wohl nicht zu erwarten.
Widerlicher geht es nicht, aber es ist leider Realität. Neid, Zynismus und Bosheit stehen bei den moral- und charakterlosen (Provinz)Politikern handlungsleitend im Vordergrund. Anstelle einer fairen Asylpolitik mit zumutbaren Verfahrensdauern, mit aktiven Maßnahmen zur gesellschaftlichen Integration, der Bereitschaft zur Anerkennung von Qualifikationen und gezielten und diskriminierungsfreien Eingliederung von Arbeitskräften in den österreichischen Arbeitsmarkt, werden mit falschen Argumenten die wahren Verhältnisse der Realität und auch die zu erwartenden Folgen eines solchen – nicht nur politisch – verwerflichen Handelns verdeckt, die Bevölkerung getäuscht. In administrativer bzw. politischer Hinsicht scheint ohnehin ein teures Chaos vorhersehbar: einerseits äußerte der Wiener Sozialstadtrat Hacker Bedenken in rechtlicher und technischer Hinsicht und befürchtet überdies eine “Superbürokratie“, der Bund plant hingegen eine eigene Lösung. Ein Hoch auf den Föderalismus!
Das Boulevardblatt „Heute“ berichtet am 20.8.2024 von einer geplanten Klage: der Jurist Thomas Trentinaglia sieht in der geplanten Maßnahme eine „rechtswidrige Einschränkung der Grundversorgung“ und eine „Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verpflegung“. Seitens der bürgerlichen Medien (auch solchen, die im Umgang mit Asylsuchenden nicht zimperlich sind) wird heftige Kritik an der Bezahlkarte geübt: Profil weist in einem Faktencheck nach, dass die vom NÖ Landesrat Luisser behauptete Einsparung falsch ist.; OE24 berichtet von Schikane, da etwa in als Vertragspartner angeführten Lebensmittelgeschäften die Bezahlung mit der Bezahlkarte verweigert wird; Eric Frey im Standard bezeichnet das Modell Bezahlkarten statt Bargeld als fragwürdige Schikane für Asylwerber. Ebenso heftige Kritik kommt von Seiten der NGOs, so sehen Caritas und Diakonie keinen Grund für diese Regelung, es handelt sich vielmehr um eine Diskussion über ein Problem, das es nicht mehr gibt. Eine höchstwahrscheinlich verfassungswidrige, jedenfalls schikanöse Regelung wird also nicht nur in Kauf genommen, nein – sie wird vielmehr bewusst herbeigeführt, denn immerhin kann im Zeitraum bis zur Aufhebung dieser Rechtsnorm ein menschenverachtendes System angewendet werden.
Wie immer, wenn es ernst wird, geht die SPÖ in die Knie. Zu Wort meldete sich diesmal aber nicht der Schilfrohrbomber aus Eisenstadt, sondern eine Landesrätin aus Klagenfurt:
“Die Kärntner Asyl-Landesrätin Sara Schaar (SPÖ) steht dem Projekt positiv gegenüber. ‘Es war der Antrag von Kärnten zur Bezahlkarte, der bei der letzten Länderkonferenz Einstimmigkeit durch alle Bundesländer gefunden hat. Darauf aufbauend kann nun der Bund eine Ausschreibung durchführen, die Vorteile zur Karte liegen aus unserer Sicht in der Verwaltungsvereinfachung, auch in der Sicherheit’.” (https://kaernten.orf.at/stories/3270278/)
Die Bundes-SPÖ zeigt sich schweigsam – kein Wunder, müssen doch die Giftpfeile aus den eigenen Reihen gegen den Parteivorsitzenden und das Wahlprogramm der Partei abgewehrt werden. Da will man sich offenbar in dieser durch die Berichterstattung am Boulevard angeheizten Frage nicht auch noch mit FPÖ und ÖVP matchen.
Für die Zukunft ist zu befürchten, dass Asylsuchende verstärkt zu gesetzwidrigen Handlungen bzw. Umgehungen getrieben werden – einfach um überleben zu können! Was dann folgt, ist allen klar!
Die bürgerlichen Parteien sind bereit, zynisch menschenverachtende Maßnahmen durchzupeitschen. Das bringt Wählerstimmen, zugleich wird der Boden dafür bereitet, derartige Verschärfungen bei Sozialleistungen auch gegen autochthon österreichische von der Armut betroffene Menschen anzuwenden. Die bürgerliche Arbeiter*innenpartei SPÖ zieht den Schwanz ein – programmatisch hat sie sich ja ohnehin schon seit längerem vom sozialistischen Anspruch distanziert, und Solidarität herrscht nicht einmal in den eigenen Reihen. Auch wenn wir eine kleine politische Gruppe sind, können wir auf der prinzipiellen Ebene sehr wohl Antworten auf die brennenden Fragen formulieren. Zentral wird es sein, die österreichischen Arbeiter*innen und Angestellten, die Lohnabhängigen und die Jugend, in einer Partei zu organisieren, die nicht nur keine Angst davor hat, das bestehende System in Frage zu stellen, sondern den Sturz des Kapitalismus auf ihre Fahnen geschrieben hat. Wir brauchen eine revolutionäre sozialistische Partei als Teil einer revolutionären kommunistischen Internationale.
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