Trump und Mamdani: Zerreissprobe für MAGA

„Denken Sie immer noch, dass Präsident Trump ein Faschist ist?“, will eine Reporterin vom neuen New Yorker Bürgermeister Zohran Mamdani wissen. „Ich habe darüber gesprochen…“, setzt dieser zu einer ausweichenden Antwort an, als ihm Trump lachend auf den Arm klopft: „Ist schon okay: Sagen Sie es einfach… ist mir egal!“ Mamdani wirkt verdutzt. „Okay“, antwortete er. (Diverse Nachrichtenagenturen)

Das Treffen zwischen Donald Trump und New Yorks Bürgermeister Zohran Mamdani am 21. November 2025 hat in den großen US-Medien für Aufsehen gesorgt. Doch jenseits der Inszenierung verweist es auf eine tiefere Dynamik: Die herrschende Klasse der USA sieht sich mit einer sich verschärfenden sozialen Krise konfrontiert und versucht, mit kontrollierten Manövern den Druck von unten zu entschärfen.

Die MAGA-Bewegung bröckelt ab

Trumps politische Macht stützt sich traditionell auf eine heterogene Allianz aus Teilen des verarmten Kleinbürgertums, Polizei- und Militärapparat, konservativen Milieus und Segmenten der Arbeiter*innenklasse. Heute beginnen Risse sichtbar zu werden. Ein Teil seiner Anhänger*innen entfremdet sich von ihm – moralische Skandale treffen seine religiöse Basis, wirtschaftliche Belastungen die arbeitenden Schichten.

Der ökonomische Kern der Unzufriedenheit ist eindeutig: Die Lebenshaltungskosten steigen, und besonders die Nahrungsmittelpreise lasten schwer auf den Haushalten. Die aggressive Zollpolitik auf Importgüter wirkt wie eine verdeckte Steuer. Rund 75 % der US-Lebensmittelimporte sind inzwischen mit 10–30 % Zöllen belegt. Verschiedene Studien beziffern den dadurch verursachten Preisauftrieb auf rund 2,5–3 % allein im Lebensmittelsektor. Besonders betroffen sind Produkte, auf die die USA strukturell angewiesen sind:

  • Kaffee: +20 % im Jahresvergleich
  • Rindfleisch (Steaks): +16,6 %
  • Zitrusfrüchte und Meeresfrüchte: deutliche zweistellige Anstiege

Für Millionen Arbeiter*innen verschärft dies die existenzielle Belastung. Es ist kein Zufall, dass Food-Banks und Hilfsorganisationen steigende Nachfrage melden.

Trump: Mehr Brüning als Hitler

Politische Organisationen und Parteien, die sich auf die Arbeiter*innenbewegung berufen (nicht nur in den USA) sprechen häufig im Zusammenhang mit Maßnahmen der Trump-Administation von Faschismus. Tatsächlich kann man sagen: In vielen seiner Äußerungen macht Trump kein Hehl daraus, dass er faschistischen Allmachtsträumen nachhängt. Für die Mehrheit der US-amerikanischen Bourgeoisie ist aber die Errichtung einer faschistischen Diktatur, in erster Linie also die komplette Zerschlagung sämtlicher Arbeiter*innenorganisationen, die Beseitigung aller in der Verfassung festgeschriebenen bürgerlichen Freiheiten, die lückenlose Unterwerfung der Medien unter staatliche Kontrolle derzeit keine notwendige Option. Trump vertritt den autoritären Pol der bürgerlichen Herrschaft, aber er stützt sich nicht auf eine zentralisierte paramilitärische Massenbewegung, hat keine organische Verbindung zu einem einheitlichen faschistischen Apparat und ist gezwungen, mit Teilen der Bourgeoisie zu manövrieren, statt sie zu unterwerfen.

Damit ist nicht gesagt, dass der autoritäre Flügel eines Teils des amerikanischen Kapitals nicht zu einer faschistischen „Lösung“ drängt, wenn die soziale Unzufriedenheit in der Arbeiter*innenklasse, der Jugend und den kleinen und verschuldeten Farmer*innen zunimmt. Für die Bourgeoisie (auch die angeblich liberale der Demokratischen Partei!) ist es alarmierend, wenn sich der massive physische Widerstand gegen die Razzien der ICE gegen mutmaßliche Migrant*innen in einigen Städten zu noch unbewaffneten, aber massenhaften Protesten formiert. 

Wer die Analogie zur Weimarer Republik bemüht, darf die Ära Brüning nicht ignorieren: Auch dieser regierte zwischen 1930-32 autoritär und stützt sich auf Notverordnungen. Die SPD verhinderte den Sturz Brünings und tolerierte seine Maßnahmen , da sie sich vordergründig im Rahmen der bürgerlichen Demokratie bewegten . Ziel der sozialdemokratischen Parteiführung war es, „Schlimmeres zu verhüten“. Es war ein fataler Irrtum der KPD und der Komintern in der ultralinken Phase der „Dritten Periode“, Brüning als faschistisch zu denunzieren. Wenn Brüning schon faschistisch regierte, konnte Hitler mit seiner NSDAP wohl kaum noch eine Steigerung bedeuten. Das war ein fataler und für das deutsche Proletariat verhängnisvoller ultralinker Kurs.

Faschismus: Derzeit kein Bedarf, aber griffbereit

Die US-Bourgeoisie braucht derzeit kein faschistisches Regime, sondern eine starke Exekutive innerhalb demokratischer Formen, um die Krise zu verwalten und das Klassenbewusstsein unten zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund ist auch der aufsehenerregende Videoaufruf von sechs demokratischen Abgeordneten an die Angehörigen der Streitkräfte und der Geheimdienste zu verstehen, keine illegalen Befehle zu befolgen. Das Video vom 18. November zeigt Senatorin Elissa Slotkin (D-MI), eine ehemalige Agentin der Central Intelligence Agency; Senator Mark Kelly (D-AZ), einen ehemaligen Kapitän der Marine, die Abgeordnete Maggie Goodlander (D-NH), eine ehemalige Offizierin der Marine, den Abgeordneten Chris Deluzio (D-PA), einen ehemaligen Offizier der Marine, die Abgeordnete Chrissy Houlahan (D-PA), eine ehemalige Offizierin der Luftwaffe, und den Abgeordneten Jason Crow (D-CO), einen ehemaligen Offizier der Armee. Trumps Reaktion, gleich einmal von Landesverrat und Aufruhr zu sprechen und gar mit der Todesstrafe zu drohen, drückt eher die psychische Befindlichkeit des Präsidenten als die wirkliche Haltung der herrschenden Klasse aus. Wie auch Demokratische Politiker*innen immer wieder unterstreichen, haben sie nichts gegen den Einsatz der staatlichen Repressivkräfte gegen Streiks oder soziale Proteste – sie müssen sich eben nur in den Bahnen der bestehenden Gesetze bewegen.

Trumps Kehrtwendung

In dieser Situation sucht das bürgerliche Lager nach Wegen, die wachsende Unzufriedenheit zu kanalisieren, ohne ihre strukturellen Ursachen anzutasten. Mamdani als „Demokratischer Sozialist“ vertritt in seinen Reden und mit seinem Programm jene Schichten, für die Fragen wie Wohnkosten, Versorgungskrisen, ungenügende Gesundheitsversorgung, schlechte soziale Infrastruktur, zu teure öffentliche Verkehrsmittel existenzielle Probleme darstellen. Seine Lösungsansätze bewegen sich aber klar innerhalb bestehender institutioneller Bahnen. Sie sind für die Bourgeoisie als Klasse verträglich, auch wenn einzelne Kapitalist*innen vielleicht Federn lassen müssen.

Das Treffen mit Mamdami erlaubte Trump zweierlei: Er konnte sich als jemand präsentieren, der „zuhört“ und „über den Tellerrand hinaus“ blickt; und er konnte in die Rolle des lernfähigen erfahrenen Staatsmannes schlüpfen, der sogar mit sowas wie Selbstironie seine verbalen Aggressionen zurücknehmen kann. Dies ist kein Ausdruck einer strategischen Hinwendung zu den Interessen der Arbeiter*innenklasse, sondern ein klassisches Manöver einer Charaktermaske der herrschenden Klasse in einer Phase zunehmender Instabilität. 

Verbal haben Mamdami und Trump bei immer wieder mit dem Begriff der „affordability“ operiert – der Leistbarkeit, also, im weitesten Sinne, der Lebenshaltungskosten der arbeitenden Bevölkerung. Bei den Präsidentschaftswahlen 2024 konnte Trump, gemessen an den beiden vorhergehenden Wahlen, in New York City deutlich zulegen. Der „Big Apple“ blieb zwar eine Hochburg der Demokrat*innen, aber in der Bronx mit ihrem hohen Prozentsatz an Latinos steigerte Trump seinen Stimmenanteil von 16% (Wahl 2020) auf 27%. In seinem Heimatbezirk Queens legte Trump von 21,8 auf 38% zu. Harris schlechtes Abschneiden in NYC war unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass ärmere Schichten einfach kein Vertrauen mehr in die Versprechungen der Demokraten hatten, die sich in der praktischen Stadtpolitik an den Interessen des Kapitals und gut verdienender kleinbürgerlicher Schichten orientierten. 

Sowohl Trumps MAGA-Wahlkampfrhetorik mit dem Versprechen eines wirtschaftlichen Aufschwungs, der Schaffung von Arbeitsplätzen und einer vagen goldenen Zukunfst konnte damit bei Wähler*innen verfangen, die damit gegen ihre eigenen Klasseninteressen stimmten. Offensichtlich gelang es Zohran Mamdami, einen Teil dieser Protestwähler*innen wieder zurückzugewinnen. Dass der erfahrene und verschlagene Machtpolitiker Trump in dieser Situation nicht passiv bleiben konnte, war klar. Der von ihm überraschend platzierte Gegenschlag bedeutet eine abrupte Rückbesinnung auf die Sozialdemoagogie seiner Wahlkämpfe und traf die medialen Unterstützer seiner bisherigen Politik völlig unvorbereitet.

Vor diesem Hintergrund sind auch wirtschaftliche oder soziale Maßnahmen der neuen New Yorker Stadtverwaltung zu erwarten, ohne dass die Bundesbehörden querschießen. Sie wären aber kein Ausdruck einer tatsächlichen Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Interesse der arbeitenden Massen, sondern temporäre, taktische Eingriffe zur Abmilderung sozialer Spannungen. Zumindest kurzfristig haben Mamdami und Trump jetzt gemeinsame Interessen, auch wenn die Motive verschieden sind.

Trotzki hat darauf hingewiesen, dass die Bourgeoisie in Krisenzeiten durchaus Zugeständnisse machen kann — aber nur, um die gesellschaftliche Ordnung zu stabilisieren:

Die Kommunistische Internationale hat den Weg der Sozialdemokratie in der Epoche des faulenden Kapitalismus beschritten, wo nicht mehr die Rede sein kann von systematischen Sozialreformen noch von der Hebung des Lebensstandards der Massen; wo die Bourgeoisie sich jedesmal mit der rechten Hand das Doppelte von dem nimmt, was sie mit der linken Hand gegeben hat (Steuern, Zölle, Inflation, „Deflation“, Teuerung, Arbeitslosigkeit, Schlichtung des Streiks durch Polizei usw.); wo jede ernsthafte Forderung des Proletariats und sogar jede fortschrittliche Forderung des Kleinbürgertums unausweichlich über die Grenzen des kapitalistischen Eigentums und des bürgerlichen Staates hinausführt. (Leo Trotzki, Der Todeskampf des Kapitalismus …, 1938)

Mamdami: Kein Grund zum Jubeln

Für Mamdani und seine Unterstützer*innen ist die neue Dynamik im Verhältnis zur Bundes-Administation durchaus risikobehaftet. Trumps Kehrtwendung lässt offen, ob es nicht ebenso schnell einen Schwenk in die andere Richtung geben kann, wenn sich die politische Konjunktur ändert. Das hängt also wesentlich davon ab, wie bereit der „harte“ MAGA-Flügel bereit ist, sich wegen der Epstein-Affäre und der Abkehr vom Isolationismus von Trump abzuwenden. Noch hat Mamadami den Schwung des Wahlsieges hinter sich – aber ohne eine organisierte Arbeiter*innenbasis wird sich eine an den Interessen der lohnabhängigen und arbeitslosen Bevölkerung kaum durchsetzen lassen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen reformorientierte Strömungen zur Verwaltung der Krisen des Kapitalismus herangezogen wurden – und dabei ihre eigene soziale Basis entwaffneten.

Das Treffen zwischen Trump und Mamdani ist ein Symptom einer sich vertiefenden Krise der politischen Führung des US-Imperialismus. Die herrschende Klasse versucht, durch symbolische Nachgiebigkeit und begrenzte Manöver die wachsenden Widersprüche unter ihre Kontrolle zu bringen. Für die Arbeiter*innenklasse bedeutet das: keine Illusionen in die Wohltätigkeit eines bürgerlichen Krisenregimes, aber die Notwendigkeit, jede Situation zu nutzen, um die eigene politische Organisation und Kampfbereitschaft zu stärken. Jedes Zaudern, jedes Zurückweichen der Bourgeoisie muss von den Arbeiter*innen genutzt werden, um Schritte in Richtung des Aufbaus einer von den Kapitalist*innen völlig unabhängigen Arbeiter*innenmassenpartei zu machen. Die internationalistischen Kommunisti*innen unterstützen diese Perspektive – denn der Bruch mit der US-Bourgeoisie und ihren beiden Parteien ist die Voraussetzung dafür, dass auch das Proletariat in den USA eine sozialistische Zukunft hat!

22.11.2025