Alle 4-7 Jahre wieder: Die kalte Progression hat zugeschlagen, die Kaufkraft ist gesunken, die Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung wächst, deren Umfragewerte sinken.
Dann kommt der Kraftakt: Monatelang brüten die politischen Eliten des Landes über der Steuerreform bis endlich wieder verkündet werden kann:
Die größte Steuerreform aller Zeiten ist da! Nimmt man die absoluten Zahlen ohne Berücksichtigung der Inflation als Messlatte, so ist sie dies auch zweifellos. Doch die Steuerreform meint es nicht mit allen gleich gut, wie uns das Beispiel einer Pensionistin mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von EUR 1.000 zeigen soll. Durch die Steuerreform profitiert sie mit EUR 110 Negativsteuer, welche sie sich über die Arbeitnehmerveranlagung im Folgejahr holen kann. EUR 110 wären ein willkommenes Geschenk.
Doch halt: keine Steuerreform ohne Gegenfinanzierung! Die Versorgung des Stubentigers verschlingt plötzlich monatlich EUR 61,64 statt EUR 60 – die Umsatzsteuer für Tiernahrung ist von 10 auf 13 % gestiegen! Weihnachts- und Urlaubsgeld werden größtenteils für den jährlichen Österreichurlaub sowie für Kulturausgaben verwendet. Statt bisher EUR 1.800 sind durch die von 10 auf 13 % gestiegene Umsatzsteuer EUR 1.849,08 dafür fällig. Zusammen mit den Mehrausgaben für Tierfutter ergibt das eine höhere Umsatzsteuerbelastung von EUr 68,76. Somit bleiben unserer Pensionistin von der größten Steuerreform aller Zeiten jährlich EUR 41,24 bzw. monatlich EUR 3,44. Es darf also bezweifelt werden, dass die DurchschnittspensionistInnen wesentlich zur Steigerung des Inlandskonsums werden beitragen können.
Statt der vom ÖGB geforderten 5,9 Mrd. EUR beträgt das Volumen der Steuerreform nur 4,9 Mrd. EUR. Der springende Punkt jeder Steuerreform ist die Gegenfinanzierung. Es wird damit gerechnet, dass die Lohnsteuerersparnis zu 100 % im Inland verkonsumiert wird. Das soll mehr als 800 Mio. EUR bzw. 17 % der Gegenfinanzierung bringen. Es liegt auf der Hand, dass diese Annahme sehr unrealistisch ist, denn sie würde bedeuten, dass davon nichts gespart oder im Ausland investiert wird.
Neben der Umsatzsteuererhöhung von 10 auf 13 % für Beherbergung, Filmvorführungen und kulturelle Veranstaltungen trifft auch die Abschaffung der Absetzbarkeit von Sonderausgaben für Wohnraumschaffung- und Sanierung die ArbeiterInnenklasse. Die jährliche Steuerersparnis dadurch betrug bis zu EUR 307. Zusammen mit anderen fiskalpolitischen Maßnahmen wie der veränderten Abschreibung gewerblicher Immobilien und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Einkommen ab 1 Mio. EUR auf 55 % soll das etwa 1 Mrd. EUR bringen.
Der neue Spitzensteuersatz betrifft ca. 400 Personen und soll ca. 50 Mio. EUR (ca. 1 % des gesamten Gegenfinanzierungsvolumens) in den Staatssäckel befördern.
Die größten Einnahmen sollen aus der Steuerbetrugsbekämpfung kommen. Im Zentrum der Diskussion stehen Registrierkassenpflicht und Einsicht der Finanz in die Bankkonten. Bis auf die Sprecher der Bundesregierung kann sich kaum jemand vorstellen, dass dadurch jährlich 1,9 Mrd. EUR in die Staatskassen fließen sollen. Effektive Steuerbetrugsbekämpfung erfordert Personal, um Schwarzgeld aufstöbern zu können. Angeblich soll ja sogar die Nachbarschaftshilfe beim Hausbau unterbunden werden.
Einer Personalaufstockung im Finanzministerium widerspricht die geplante Einsparung im Rahmen der Verwaltungsreform. Das kann nur bedeuten: Weniger Arbeitsplätze, niedrigere Gehälter und höherer Arbeitsdruck im öffentlichen Dienst in Verbindung mit reduzierten Leistungen. Was das bedeutet, haben wir bei den ÖBB (Einstellung von „Nebenbahnen“) und der Post (Schließung von Postämtern) bereits gesehen. Die Verwaltungsreform ist noch in keiner Weise konkretisiert. Es ist zu befürchten, dass diese auch sensible Bereiche wie Gesundheitsleistungen betreffen wird und die Verwaltungsreform dazu benutzt wird, im Sozialbereich massiv einzusparen. Die Länder sind bereits angewiesen worden, die Kriterien für die Zuerkennung der Mindestsicherung streng anzuwenden.
FAZIT:
Die Steuerreform 2016 ist eine rosaschwarze Mogelpackung und somit ein Propagandagag der Regierungsparteien. In ihrem Mittelpunkt steht die Reform der Lohnsteuer, die lediglich die „kalte Progression“ seit der letzten Lohnsteuerreform 2009 ausgleicht. Gleichzeitig wurde das mehr als 30 Jahre alte Tabu, die Umsatzsteuer nicht zu erhöhen gebrochen. Die SPÖ hat ihre traditionelle Politik des günstigen bzw. kostenlosen Zugangs zu Bildung und Kultur mit der Umsatzsteuererhöhung von 10 auf 13 % für Eintritte für Kultureinrichtungen- und Veranstaltungen beendet. Eine schrittweise weitere Erhöhung der unsozialen Massensteuer Umsatzsteuer ist zu befürchten. Der Deckmantel der Verwaltungsreform wird als Vorwand für schlechtere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst und sozialen Kahlschlag sowie Privatisierungen und Ausgliederungen verwendet werden.
Vor allem im Bereich Steuerbetrugsbekämpfung wird der Plan der Gegenfinanzierung nicht aufgehen. Wir dürfen gespannt sein, ob RaucherInnen (Tabaksteuer), AutofahrerInnen (Mineralölsteuer) oder einfach alle Lohnabhängigen in Form einer Umsatzsteuererhöhung als Budgetlückenbüßer herhalten müssen. Eine Bevölkerungsgruppe dürfte mit der Steuerreform 2016 jedenfalls nachhaltig zufrieden sein: die Kapitalisten. Denn wie ihr Sprachrohr Industriellenvereinigungspräsident Georg Kapsch am 13.3.2015 kurz vor der Bekanntgabe der Regierungseinigung über die Steuerreform jubelnd verkündete:
„Ein Frontalangriff auf Standort und Arbeitsplätze in Form von Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer ist erfolgreich abgewendet worden.“
Eine effektive Steuerreform im Sinne der Lohnabhängigen muss mehrere Bereiche der Fiskalpolitik umfassen. Deshalb fordern wir:
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Lohnsteuerreform: Erhöhung der Freigrenze für die untersten Einkommen!
- Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht nur als symbolischer Akt!
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Sozialversicherung: Aufhebung der Höchstbemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge!
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Umsatzsteuer: Umsatzsteuersenkung als erster Schritt zur Abschaffung aller Massensteuern!
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Abschaffung aller Selbstbehalte im Gesundheitswesen (Rezeptgebühr, Krankenhausselbstbehalt, Selbstbehalte für Seh- und Hörbehelfe etc.)!
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Freie Bildung ohne Studiengebühren, Elternbeiträge in Schulen und Schulbuchselbstbehalte!
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Pensionen: Rücknahme der Pensionsreform von 2004, d. h. als Durchrechnungszeitraum die besten 15 Jahre und Steigerungsbetrag wieder 2%! Senkung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen und Männer auf 60 Jahre!
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Unternehmens- und Vermögensbesteuerung:
- :Körperschaftssteuer wieder rauf von 25 auf 34 %!
- Offenlegung der Geschäftsbücher!
- Komitees der Beschäftigten sollen – gegebenenfalls unter Beiziehung von
- Ihnen verantwortlichen Buchprüfern – kontrollieren, ob Vermögenssteuern
- und Sozialversicherungsabgaben korrekt abgeführt werden!
- Enteignung angeblich unrentabler Betriebe unter Arbeiterkontrolle!
- Abschaffung des Stiftungsrechts und der Gruppenbesteuerung!
- Höhere Grundsteuer für Luxusimmobilien
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Einführung der erbschaftssteuer für Vermögen über 1 Mio. EUR!
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Arbeit: Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden mit dem Ziel der Vollbeschäftigung!
- Verbot aller prekären Beschäftigungsverhältnisse wie „geringfügiger“
- Beschäftigung, Werkverträgen oder Scheinselbstständigkeiten
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Verkehr: Nulltarif auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln!
- Steuerliche Begünstigungen für den Kauf von Fahrrädern!
- Stärkere Besteuerung von hochpreisigen motorisierten Fahrzeugen!
aus: Klassenkampf 22 / Mai 2015