Ist Viktor Marine? Oder: Marine, Du Opfer!

Am 31. März 2025 sprach ein Pariser Gericht in einem Prozess, in dem es um Unterschlagungen von rund 3 Millionen EURO durch Angehörige der sogenannten “Eliten” ging, die Urteile. Die Hauptangeklagte wurde zu vier Jahren Gefängnis, davon zwei Jahre auf Bewährung und zwei mit elektronischer Fußfessel (also mehr oder minder in Freiheit), einer Geldstrafe von 100.000 EUR sowie dem Verlust des passiven Wahlrechts für fünf Jahre verurteilt. 21 der 24 Mitangeklagten wurden ebenfalls schuldig gesprochen.

Nicht nur in Frankreich, europaweit kam es zu einem Aufschrei der Empörung von unerwarteter Seite: faschistoide und autoritär-reaktionäre Law-and-Order-Parteien, die jeden kleinen Ladendieb am liebsten in ein Arbeitshaus und jeden Delinquenten mit Migrationshintergrund in ein Abschiebeflugzeug stecken wollen, geiferten gegen die französische Justiz im Allgemeinen und Richterin Bénédicte de Perthuis im Besonderen. Das Urteil sei skandalös, ungerecht, politisch motiviert.

Klar – es geht um den Prozess gegen Marine Le Pen, Galionsfigur des faschistoiden Rassemblement National (RN). Die Tochter des wegen Volksverhetzung und Antisemitismus mehrfach verurteilten Parteigründers der früheren Front Nationale, Jean-Marie Le Pen, die seit ein paar Jahren die Bewegung weichgespült hat, um im etwas seriöseren bürgerlich-reaktionären Lager fischen zu können. Sie hat sich sogar von der AfD losgesagt, weil die Äußerungen Maximilian Krahs, des Spitzenkandidaten der deutschen Kameraden, über die SS sogar französischen Faschisten zu viel waren und die Chancen des RN bei den Europa-Wahlen schädigen hätten können.

Jedenfalls – das Schädigen der “Eurokraten” durch fiktive Dienstverträge zugunsten der eigenen Tasche bzw. jener der eigenen Bewegung wird ja in den Kreisen der “euopäischen Patrioten” nicht als Verbrechen angesehen, sondern fast schon als ein Akt des legitimen Widerstands gegen die Globalisten in Brüssel und Straßburg. 

Orbàn Victor traut sich was: Er postete “Je suis Marine” (“Ich bin Marine”). Wahrscheinlich hat er noch nicht mitbekommen, dass in Ungarn Transgenderpersonen kein leichtes Leben haben. Oder stellt er sich gar gegen die eigene Politik? Die FPÖ-Außenpolitiksprecherin Susanne Fürst dagegen geht es sportlich an. Mittels “juristischem Foul” werde die arme Marine Le Pen aus dem politischen Rennen geworfen. In der Regierung hätte sie sicher den beiden verfolten Marines politisches Asyl gewährt!

Damit klar ist, wohin der rechte Hase läuft, wird man, wenn man auf Frau Fürsts Auslassungen auf der FPÖ-Homepage klickt, gleich zur einschlägig bekannten “neurechten” Plattform “unzensuriert.at” weitergeleitet.

Da muss man doch glatt die FP-Sportsprecherin Petra Steger zitieren, die ebenfalls auf “unzensuriert.at” offensichtlich Orbàn und Fürst mit einer Kollektivwatsche abfertigt: “Rettet den Frauensport vor dem Transgender-Wahnsinn”. Könnte aber auch anders gemeint sein, das weiß man ja bei diesen Patriot*innen nicht so genau.  

Da loben wir uns die deutlichen Worte Harald Vilimskys – für den ist die Sache klar: “Skandalurteil”,  mehr braucht Kickls Mann fürs Saugrobe in Straßburg nicht zu sagen.  Dann weiß der Patriot sofort, was es geschlagen hat. 

Die kleinliche Niedertracht der Eurokraten hat er ja mit seinen Kumpanen selbst erlitten – 544.400 Euro forderte das EU-Parlament von der damaligen europäischen FPÖ-Fraktion ENF zurück. Allein im Jahr 2016 haben die trinkfesten Patrioten 478.000 Euro für hunderte Flaschen Champagner, feines  Essen und teure Weine ausgegeben. 2017 wurden dann nochmal 66.400 Euro beanstandet – der Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments weiß halt nicht, wie rechte “Burschen” feiern, wenn sie gut drauf sind. Der Champagner wurde vermutlich aus Bierhumpen geschlürft (“Salamander reiben” heißt das in der patriotisch-burschenschaftlichen Fachsprache).

Übrigens: “Im Jahr 2021 waren es 6.310 Nichtwählbarkeitsmaßnahmen bei 189 vorläufigen Vollstreckungen (3%) und im Jahr 2022 10.330 Nichtwählbarkeitsmaßnahmen bei 328 vorläufigen Vollstreckungen, was einer Quote von 3,2% entspricht. 2023 schließlich wurden 16.364 Nichtwählbarkeitsmaßnahmen für 639 vorläufige Vollstreckungen verhängt (3,9%)”, weiß das französische BFM.tv Nachrichtenportal nach einem Blick auf die Daten des französischen Justizministerium zu berichten. Die Aberkennung des passiven Wahlrechts kann bei  vorsätzlichen Gewaltdelikten, Sexualdelikten, Betrug, Veruntreuung oder auch Terrorakten verhängt werden.

Diejenigen, die immer am lautesten nach dem Richter schreien, glauben offenbar, dass sie alleine deswegen für hundsnormale Kriminalität Straffreiheit gepachtet haben.