Hunger als Waffe – Trumps Klassenkrieg gegen die Armen in den USA

Während Millionen US-Amerikaner*innen nicht wissen, wie sie den kommenden Monat überstehen sollen, lässt Donald Trump die Nahrungsmittelhilfe für 42 Millionen Menschen auslaufen. Die Regierung weigert sich, während des laufenden „Shutdowns“ Notfallfonds zu nutzen, um die Auszahlungen des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP) sicherzustellen. Das bedeutet: Im November werden Familien, Kinder, Rentner*innen und Arbeitslose buchstäblich vor leeren Tellern sitzen. Zugleich zeigt die Werbewirtschaft gedeckte Tische und knusprige Truthähne – „It’s Thanksgiving time“. 

Die bürgerlichen Medien sprechen von „administrativer Unklarheit“ oder „haushaltstechnischem Problem“. Doch in Wahrheit handelt es sich um eine bewusste politische Entscheidung – und damit um eine Form des Klassenkriegs von oben.

Hunger als politisches Druckmittel

Die Entscheidung, kein Geld für das wichtigste Ernährungsprogramm der US-Arbeiter*innenklasse freizugeben, ist nicht zufällig. Sie soll Druck erzeugen – gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, gegen die Millionen Armen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, und letztlich gegen die gesamte Arbeiter*innenklasse.

Hunger wird von den aggressivsten Teilen der herrschenden Klasse der USA als politische Waffe eingesetzt. Trump nutzt die existentielle Angst, um seine Macht zu sichern und jede Form sozialer Gegenwehr zu brechen. Zugleich versuchen die hinter ihm stehenden Fraktionen der Republikanischen Partei, die Aushungerungsstrategie als Waffe gegen die Konkurrenten der Demokratischen Partei zu verwenden. Sie (und damit die Gewerkschaftsbürokrat*innen, die die DP unterstützen) seien schuld, weil sie durch den “Shutdown” die Ausgaben der staatlichen Stellen sabotierten. Wie wirksam Hunger sein kann, hat Trumps Duzfreund Benjamin Netanjahu drastisch in Gaza demonstriert.

Dass der Staat in einem der reichsten Länder der Welt Millionen Menschen hungern lässt, ist kein „Unfall“ der Geschichte – es ist Ausdruck der kapitalistischen Eigentumsordnung, die Profite über Menschenleben stellt.

Sozialabbau als Klassenstrategie

Seit Jahrzehnten wird die US-Arbeiterklasse systematisch verarmt:

  • Die Reallöhne stagnieren seit den 1970er Jahren.
  • Gewerkschaften wurden seit der Reagan-Ära zerschlagen, eingeengt oder in die Verwaltung des Elends eingebunden.
  • Öffentliche Dienste wurden ausgehöhlt (Medicaid, Medicare, Social Security), privatisiert und Sozialprogramme zusammengestrichen. Durch private Pensionsfonds haben ganze Berufsgruppen während der „Subprimecrisis“ ab 2007 ihre gesamten angesparten Pensionsvorsorgen verloren.

Trumps Politik setzt diese Tendenz nur in ihrer brutalsten Form fort. Während Großkonzerne und Milliardäre massive Steuersenkungen erhalten, sollen nun selbst minimale Überlebenshilfen gestrichen werden.
Die Kürzung der Nahrungsmittelhilfe ist Teil eines größeren Plans: die Kosten der Krise vollständig auf die Lohnabhängigen abzuwälzen – durch Lohnsenkungen, Arbeitszwang und Vernichtung sozialer Sicherungssysteme.

Ideologische Begleitmusik: „Eigenverantwortung“ und Hass auf die Armen

Die herrschende Klasse rechtfertigt diesen Angriff mit altbekannten Phrasen: „Eigenverantwortung“, „Abhängigkeit vom Staat“, „Missbrauch der Leistungen“.

Diese Begriffe sind nichts anderes als ideologische Waffen in einem sozialen Krieg. Der Sozialdarwinismus, abgesichert mit religiösen Floskeln („Gott hat es so eingerichtet“), ist wieder modern geworden.

Sie dienen dazu, die Armen zu stigmatisieren, Klassenbewusstsein zu zersetzen und das Elend zu moralisch „verdientem“ Elend zu erklären. Trump und seine reaktionären Verbündeten sprechen damit jene Sprache, die schon der Kapitalismus des 19. Jahrhunderts kannte: Wer hungert, ist selbst schuld. Dass Hunger das direkte Produkt kapitalistischer Ausbeutung ist, soll verschleiert werden.

Die Bourgeoisie braucht Disziplin, nicht Demokratie

In der Phase verschärfter Weltkonkurrenz, ökonomischer Instabilität und wachsender sozialer Unzufriedenheit wird der Hunger selbst zur Methode sozialer Kontrolle.

Wenn Millionen Angst haben, ihre Kinder nicht ernähren zu können, werden sie leichter erpressbar – am Arbeitsplatz, im Wahllokal, in der Politik allgemein. Es ist ein fataler Irrtum mancher Linksradikaler, dass Verarmung und Verelendung zur Revolution führen. Ja, gelegentlich sind Hungerrevolten, Plünderungen oder gewalttätige Auseinandersetzung mit „Ordnungskräften” (privaten oder staatlichen) möglich. Aber spontan und planlos werden sie einzeln niedergeschlagen. So verwandelt sich das kapitalistische Staatswesen immer offener in ein Instrument der physischen und moralischen Zermürbung der Arbeiterklasse. Der Trumpismus ist dabei nicht Abweichung, sondern Zusammenfassung der herrschenden kapitalistischen Logik: Profit um jeden Preis, Unterwerfung der Lohnabhängigen durch Elend und Angst.

Die Notwendigkeit einer Arbeiter*innenpartei – damals und heute

Die gegenwärtige Offensive der Trump-Regierung gegen die Armen und Erwerbslosen verweist auf ein grundlegendes politisches Defizit der US-Arbeiterklasse: Sie verfügt bis heute über keine eigene Partei, die unabhängig von den kapitalistischen Parteien für ihre Interessen kämpft.

Diese Frage war bereits 1938 im Zentrum der Diskussion zwischen Leo Trotzki und den Führern der damaligen Socialist Workers Party (SWP). In den Reihen kämpferischer Gewerkschaften und Teile der organisierten Arbeiter*innenschaft hatte sich damals eine Bewegung für eine „Labour Party“ entwickelt. Trotzki sah darin kein fertiges revolutionäres Projekt, wohl aber einen Ansatzpunkt für die politische Selbstorganisation der Klasse – ein mögliches Sprungbrett, wenn die Revolutionär*innen mit einem klaren Programm in diesen Prozess eingreifen.

Er warnte davor, die Gründung einer Labour Party auf abstrakter Ebene zu fordern oder sie passiv zu erwarten. Entscheidend sei, dass Revolutionär*innen mit einem Übergangsprogramm in die Bewegung intervenieren: mit Forderungen, die von den unmittelbaren Lebensinteressen der Arbeiter*innen ausgehen – Kontrolle über Produktion, Arbeitsschutz, soziale Rechte – und zugleich zur Frage der Machtübernahme führen. Eine solche Partei dürfe kein Anhang der bestehenden Ordnung sein, sondern müsse den Bruch mit ihr organisieren.

Trotzki betonte, dass jede politische Organisation, die auf den Apparat der bestehenden bürgerlichen Parteien angewiesen bleibt, unvermeidlich deren Politik reproduziert. In den USA heißt das bis heute: Die Demokratische Partei ist kein „kleineres Übel“, sondern ein Instrument der Bourgeoisie, das soziale Bewegungen absorbiert und neutralisiert. Sie bindet die Arbeiter*innenklasse ideologisch an das System der privaten Profitwirtschaft, indem sie soziale Versprechen macht, aber die Macht des Kapitals unangetastet lässt.

Die historische Aufgabe bleibt daher dieselbe: Der Bruch mit der Demokratischen Partei ist die notwendige Vorbedingung für jede ernsthafte politische Emanzipation der US-Arbeiter*innenklasse. Eine neue Labour Party kann nur entstehen, wenn sie unabhängig von Kapital, Staat und bürgerlicher Bürokratie organisiert wird – aus den Kämpfen in Betrieben, Gewerkschaften und Stadtteilen heraus.

Eine solche Partei müsste heute jene soziale Basis ansprechen, die das System entrechtet: prekär Beschäftigte, migrantische Arbeiter*innen, Arbeitslose, Studierende, die schwarze und lateinamerikanische Bevölkerung. Sie kann nur durch praktische Erfahrung lernen – durch Streiks, Kampagnen, gemeinsame Verteidigungskämpfe – und durch eine klare, internationalistische Orientierung, die den Klassenkampf in den USA mit dem weltweiten Kampf gegen Imperialismus und Ausbeutung verbindet.

Was Trotzki 1938 sagte, gilt heute in verschärfter Form: „Wir müssen helfen, dass die Arbeiterklasse sich als Klasse organisiert“ – nicht hinter einer reformistischen Fassade, sondern in einem politischen Instrument, das den Kapitalismus infrage stellt. Die Aufgabe der Revolutionär*innen ist es, sie mit Programm und Perspektive zu bewaffnen.

Nur so kann der Kampf gegen Hunger, Armut und Repression in den Vereinigten Staaten eine politische Richtung finden – nicht zurück in die Sackgasse der Demokraten, sondern vorwärts zum bewussten Klassenkampf gegen das kapitalistische System selbst.

SNAP – das US-„Food Stamps“-Programm

Das Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP) ist das wichtigste staatliche Ernährungsprogramm der Vereinigten Staaten. Es unterstützt rund 42 Millionen Menschen – etwa jeden achten Einwohner – mit elektronischen Lebensmittelgutscheinen („Food Stamps“), die zum Kauf von Grundnahrungsmitteln in Supermärkten verwendet werden können.

Eingeführt wurde das Programm 1964 unter Lyndon B. Johnsons „War on Poverty“. Ursprünglich sollte es den Mangel an Löhnen und sozialer Absicherung mildern, nicht aber deren Ursachen beseitigen.

SNAP ist damit Ausdruck des Widerspruchs zwischen gesellschaftlichem Reichtum und kapitalistischer Armut: In einem Land mit gigantischen Profiten und Lebensmittelüberschüssen hängt das Überleben von Millionen Arbeiter*innen von minimalen Staatstransfers ab. Jede Kürzung trifft die Ärmsten unmittelbar – und wird so zum Instrument des Klassenkampfs von oben.