Kolm, Milei und die „Kettensäge“ für die Arbeiter*innen

Wenn die FPÖ-Wirtschaftssprecherin Argentinien als Vorbild ausruft, meint sie nicht Tango, Pampas und Rindersteaks – sondern den brutalsten Angriff auf eine arbeitende Bevölkerung, den Lateinamerika seit Jahren gesehen hat. Mileis Kettensäge hat es ihr da schon mehr angetan. Ein Lehrstück über die „soziale Heimatpartei“.

Barbara Kolm, FPÖ-Wirtschaftssprecherin und Vorsitzende des Hayek-Instituts, hat es wieder getan: Sie schwärmt öffentlich von einem internationalen Idol, das die österreichische Arbeiter*innenklasse hellhörig machen sollte. Ihr neuer Held heißt Javier Milei, selbsternannter „Anarchokapitalist“ und amtierender Präsident Argentiniens. Für Kolm ist er der Beweis, dass „zu viel Staat“ der Feind und „mehr privat statt mehr Staat“ die Lösung sei. Wer wissen will, was dieser Kurs in der Realität bedeutet, muss nur nach Buenos Aires schauen – dort läuft gerade das Labor, in dem die Rezepte der Wirtschaftsliberalen an einer ganzen Gesellschaft getestet werden. Und die Resultate sind verheerend.

Schocktherapie mit Ansage

Milei regiert seit Dezember 2023 und begann seine Amtszeit mit einem Paukenschlag: einer über Nacht verordneten Abwertung des Peso um mehr als 50 Prozent. Das trieb die Preise für Importe sofort in die Höhe, fraß Löhne und Ersparnisse auf und jagte Millionen in die Verarmung. Zeitgleich folgte ein Mega-Dekret mit über 300 Maßnahmen – von der Beseitigung des Kündigungsschutzes bis zur weitgehenden Deregulierung ganzer Branchen. Selbst bürgerliche Gerichte stoppten Teile dieses Pakets, so drastisch war der Angriff auf grundlegende Arbeiter*innenrechte.

Privatisieren, streichen, zerschlagen

Als nächster Schritt kam die „Ley Bases“ – ein Omnibus-Gesetz, das Notstandsvollmachten, Privatisierungen und ein Investitionsregime für Großkapital enthält. Öffentliche Unternehmen wie Aerolíneas Argentinas, die Post oder staatliche Medien stehen auf der Verkaufsliste. Parallel wurden tausende Bauprojekte eingefroren, im Baugewerbe brach die Beschäftigung dramatisch ein, und die Hilfen für Suppenküchen wurden gekappt – in einem Land, in dem bereits vor Milei Millionen von Armut betroffen waren.

Austerität mit Blut und Tränengas

Die sozialen Folgen dieser Politik sind messbar: Die Armutsquote schoss binnen weniger Monate auf über die Hälfte der Bevölkerung, die Reallöhne kollabierten, öffentliche Dienstleistungen wurden ausgehöhlt. Die Antwort der Bevölkerung ließ nicht lange auf sich warten: landesweite Generalstreiks, Studierendenproteste und Massenkundgebungen gegen die Kürzungen. Mileis Antwort: Polizeiknüppel, Tränengas, Wasserwerfer.

Wissen auf dem Abstellgleis

Besonders hart traf es die Universitäten. Im April 2024 erklärten führende Hochschulen den finanziellen Notstand, weil die Regierung die Budgets faktisch austrocknete. Hunderttausende Studierende, Lehrende und Unterstützer*innen gingen auf die Straße. Für Milei ist Bildung kein öffentliches Gut, sondern eine Kostenstelle – und damit ein Hindernis für seinen Markt-Fetischismus.

Ein Modell für Kolm – und eine Warnung für uns

Wenn Barbara Kolm dieses Programm lobt, dann nicht trotz seiner verheerenden Folgen, sondern gerade deswegen. Der „Erfolg“ – ein kurzfristiger Budgetüberschuss – beruht auf der radikalen Kürzung sozialer Ausgaben, dem Abbau öffentlicher Infrastruktur und der Entrechtung der Beschäftigten. Das ist Hayek pur: Freiheit für das Kapital, Unfreiheit für alle anderen (siehe dazu die Analyse unserer argentinischen Genoss*innen!)

Die wahre Übersetzung von „mehr privat statt mehr Staat“

Hinter Kolms Formeln steckt eine simple Wahrheit: „Mehr privat“ heißt in der Praxis, dass öffentliche Güter und Dienstleistungen der Profitlogik unterworfen werden, während die Risiken sozialisiert werden – auf Kosten der Lohnabhängigen. Argentinien zeigt, wohin dieser Kurs führt: zu Massenarmut, sinkender Lebenserwartung, zerstörter öffentlicher Infrastruktur und einem Klima permanenter Unsicherheit für Millionen Menschen.

Mileis Argentinien ist kein Modell für eine „Erneuerung“, sondern ein Musterfall kapitalistischer Krisenverwaltung. Dass die FPÖ dieses Modell importieren möchte, ist ein Warnsignal. Wer heute schweigt, wenn Kolm Milei lobt, wacht morgen in einem Österreich auf, in dem dieselbe Kettensäge angesetzt wird – an unseren Löhnen, unseren Wohnungen, unserer Bildung, unserer Gesundheit. Dagegen müssen wir uns mobilisieren und eine revolutionäre Klassenpartei der Arbeiter*innen aufbauen, die für eine demokratisch verwaltete sozialistische Gesellschaft kämpft.