146.761 Langzeitarbeitslose in Österreich, 487.000 Menschen in Kurzarbeit. 10.126 Tote durch COVID 19 in Österreich, 605.510 Coronainfizierte. Die Intensivstationen weitgehend ausgelastet, das Pflegepersonal schon weit jenseits des körperlichen und psychischen Limits. Kinder, Eltern und Lehrer*innen, die vielerorts aus eigener Kraft versuchen, sich Wissen anzueignen oder zu vermitteln und ein Unterrichtsministerium, das die Zeit der Lockdowns nicht genutzt hat, um irgendwelche sinnvollen Schritte in der Schulpolitik vorzubereiten, geschweige denn umzusetzen. Ein Bundeskanzler, der Zeit seines Lebens in erster Linie Politfunktionär war, spricht vom „Licht am Ende des Tunnels‟ und kündigt großspurig einen „Sommer der Normalität‟an. Steigende Inzidenz- und Infektionszahlen im Vorzeigeland Vorarlberg, was Corona-Erkrankungen betrifft? Das kratzt Sebastian Kurz nicht, er hätte sich Schlimmeres erwartet.
Die tendenzielle periodische kapitalistische Wirtschaftskrise fiel im vergangenen Jahr mit der Coronakrise zusammen. Die Logik eines auf privater Profitaneignung beruhenden Systems zeigt Tag für Tag aufs Neue, dass die Kapitalist*innen bedenkenlos Gesundheit, soziale Absicherung und Zukunftsperspektiven der lohnabhängigen und lernenden Jugend und Bevölkerung aufs Spiel setzen, um trotz Krise ihre Gewinne einstreifen zu können. Im Februar vorigen Jahres waren die Gewinne der Tiroler Seilbahnbetreiber wichtiger als die Eindämmung der Pandemie; kein Wunder, die Tourismusindustriellen sind potente Geldgeber*innen der türkisen Führung; Lockdowns brachten nichts, weil die Lohnabhängigen in der Freizeit eingesperrt und isoliert wurden, zum Hackeln aber hinaus mussten; Kurz und sein Kabinett nutzten die Gunst der Stunde, um ihren autoritären Kurs noch schneller und brutaler durchzuziehen. Bedauerlicherweise machte die Coronakrise aber ihrem wichtigsten strategischen Ziel, der weitgehenden Zurückdrängung von Gewerkschaften und Betriebsrät*innen, einen Strich durch die Rechnung. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung hatte nichts besseres zu tun als sich dem „Team Austria‟ anzuschließen und bei den KV-‟Verhandlungen‟ in der Sozialwirtschaft und bei den Handelsangestellten „maßvollen‟ Ergebnissen zuzustimmen. Das Wohlbefinden der (kapitalistischen) Wirtschaft war wichtiger als die Verteidigung der Interessen der Gewerkschaftsmitglieder.
Unfähig, eine wirkliche Pandemiebekämpfung zu organisieren, setzte die türkis-grüne Regierung auf Angstparolen, gefolgt von haltlosen Versprechungen und neuen Schreckensszenarien. Hemmungslos wurde mit Verordnungen regiert, ohne Rücksicht, ob diese verfassungskonform wären oder nicht. So schlitterte das Land in die paradoxe Situation, dass sich plötzlich die extrem reaktionäre, faschistisch versiffte FPÖ zur Hüterin der „Freiheit‟ aufschwang. Die Freiheit, die sie meinen, ist die Freiheit des egoistischen Eigennutzes, der Rücksichtslosigkeit auf Kosten der Masse der Bevölkerung. Kein Wunder, dass sich bei den Demonstrationen der COVID-Leugner*innen eine braune Sauce aus Esoterik, Faschismus und Klerikalismus, vermischt mit viel Alkohol, auf die Straßen des Landes ergießt.
Die SPÖ, die seit Jahrzehnten durch „Sozialpartnerschaft‟ versucht hat, den Kapitalismus sanfter zu machen und reformistisch zu behübschen, ist in der Krise in der Krise. Im Kern haben immer noch wesentliche Teile der lohnabhängigen Bevölkerung ihr Kreuz bei der SPÖ gemacht – aber noch mehr haben sich von ihr als Folge vieler enttäuschter Hoffnungen abgewandt. Nachgeben, Liebäugeln mit einer neuen „Großen Koalition‟ oder einer Koalition mit VP und NEOS wird noch mehr Menschen in die Arme der FPÖ treiben, die sich als die national-soziale Alternative zur undurchschaubaren Welt der „Globalisierung‟ maskiert. Die Grünen, in erster Linie eine Partei des städtischen Kleinbürgertums, ist zum Wurmfortsatz der Kurz-Buberlpartie geworden. Dass das nicht nur hemmungslose Posten- und Pfründejäger sind, zeigt ihr Schutzpatron Wolfgang Sobotka. Dessen jüngster Vorstoß in die Richtung, die Wahrheitspflicht für Zeugen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu kippen, zeigt, dass diese politische Clique das parlamentarische System in Wirklichkeit schon abgeschrieben hat.
Die Unternehmer*innen und ihre politischen Vertretungen wollen uns arbeitende Menschen für die Krise zahlen lassen. Das können wir nur verhindern, wenn wir uns zur Wehr setzen – durch Klassenkampf. Machen wir in den Gewerkschaften und allen Parteien, die sich auf die Traditionen der Arbeiter*innenbewegung berufen, Druck für folgende Forderungen:
- Statt Kurzarbeit, Kündigungen und Betriebsschließungen – Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich! Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Hände! Enteignung von Betrieben, die ihre Standorte in Billiglohnländer verlagern wollen, unter Arbeiter*innenkontrolle! Offenlegung der Geschäftsbücher!
- Anpassung der Löhne an einen von den Lohnabhängigen selbst erstellten Warenkorb! Sofortige Anhebung der Löhne der weiblichen Lohnabhängigen an die Löhne der männlichen Arbeiter! Menschenwürdiger Wohnraum für alle, Beschlagnahmung leerstehender Wohnräume und Bürohäuser unter Kontrolle von Arbeiter*innen- und Nachbarschaftskomitees!
- Sofortige Erfüllung der Lohn- und Sozialforderungen der Beschäftigten im Sozialbereich! Enteignung aller Privatkliniken und Unterstellung unter die Kontrolle von Räten der Beschäftigten im Gesundheitsbereich!
- Enteignung der Pharmakonzerne unter Arbeiter*innenkontrolle! Kein Profit mit unserer Gesundheit – Impfstoff für alle!
- Gegen die reaktionäre Mobilisierung der Straße – Arbeiter*innenselbstverteidigung gegen Faschisten und Polizeiübergriffe!
- Schluss mit der Hetze gegen Migrant*innen! Keine Zurückweisung von Geflüchteten! Schluss mit Abschiebungen! Auflösung von Frontex!
- Für internationale Solidarität! Weltweite kostenlose Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten! Für Arbeiter*innenmacht! Für die Weltföderation der Sozialistischen Staaten!