Am 4. Februar 2025 trafen sich der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. Was sie verkündeten, ist nichts weniger als die skandalöseste Ankündigung kolonialer Gewalt seit Jahrzehnten: Die USA wollen Gaza „übernehmen“, während die palästinensische Bevölkerung vertrieben wird – vorzugsweise in Nachbarstaaten wie Ägypten oder Jordanien. Trump erklärte mit zynischer Offenheit, dass der Gazastreifen „planiert“ und „neu aufgebaut“ werden solle – als ob es sich um eine verfallene Immobilie und nicht um die Heimat von 2,3 Millionen Menschen handelte.
Ethnische Säuberung als “business plan”
Diese Pläne sind nicht nur ein offener Bruch mit internationalem Recht (was für den Imperialismus übrigens noch nie ein Problem war), sondern ein Versuch, die zionistische Politik der ethnischen Säuberung in einen „business plan“ zu verwandeln. Gaza soll „vollendet“ werden, so Netanjahu – und das heißt nichts anderes als: Gaza soll verschwinden, seine Bevölkerung entwurzelt und das Land den Kapitalinteressen der imperialistischen Bourgeoisie und der zionistischen Siedlerbewegung übereignet werden.
Trump sprach wie das, was er wirklich ist: ein kapitalistischer Immobilienentwickler, der ohne jede Rücksichtnahme auf Betroffene seine Projekte durchzieht. Daher das völlig absurde Geschwurbel, Gaza in eine “zweite Riviera” verwandeln zu wollen. Ebenso nebulös, die USA würden bei diesem Plan mit nicht näher genannten “Partnern” zusammenarbeiten.
Lassen wir beiseite, wie realistisch dieser Plan ist. Entgegen dem Alarmismus liberaler Kreise sind die USA in den 20 Tagen unter Trump nicht mit einem Schlag faschistisch geworden. Mit großem Getöse angekündigte Sparmaßnahmen bei den öffentlichen Angaben wurden durch relativ untergeordnete Richter*innen gestoppt; die unter Elon Musks Führung angelaufene Säuberung in der öffentlichen Verwaltung läuft keineswegs rund: zwar reagieren die Gewerkschaftsbürokratien in den betroffenen Bereichen äußerst zurückhaltend mit Anrufung der Gerichte, bei den Beschäftigten nimmt der Unmut aber deutlich zu. Musks Aufforderung an die Beamt*innen in der Finanzverwaltung, Matratzen, Waschmaschinen und Wäschetrockner zu beschaffen, damit sie in den Amtsgebäuden übernachten können, da sein Ziel eine “Arbeitsmoral” wie in seinen Knochenmühlen Tesla und X ist, stieß auf massive Ablehnung. Die vollmundig proklamierte Schutzzollpolitik gegenüber Mexiko und Kanada musste von der Trump-Administration stark zurückgefahren werden – einerseits wegen der Zugeständnisse der bürgerlichen Regierungen Mexikos und Kanadas, andererseits aber auch wegen der zu erwartenden negativen Auswirkungen auf die US-Bevölkerung, sprich: Trumps Wähler*innenbasis.
Auch die Beendigung des Ukraine-Kriegs “binnen 24 Stunden” lässt nun zumindest sechs Monate auf sich warten. Und inwieweit die MAGA-Basis mitzieht, wenn Trump, der sich als isolationistischer Gegner der misslungenen US-Interventionspolitik im Irak und in Afghanistan vermarktet hat, nun plötzlich Truppen in den explosiven Nahen Osten entsenden will, muss sich erst weisen.
Das zionistische Projekt war von Anfang an eine Siedlerkolonisation auf Kosten der einheimischen Bevölkerung. Die Nakba von 1948, als über 700.000 Palästinenser*innen aus ihren Städten und Dörfern vertrieben wurden, war nur der Auftakt einer jahrzehntelangen Vertreibungspolitik. Jetzt, fast 80 Jahre später, stehen die letzten Reste eines palästinensischen Territoriums erneut zur „Endlösung“ bereit: Erst hat Israel Gaza in ein riesiges Freiluftgefängnis verwandelt, dann wurde es in Grund und Boden bombardiert – und nun, da die Bevölkerung ausgehungert und massakriert ist, folgt die „Lösung“, die Trump und Netanjahu im Sinn haben: vollständige Besetzung durch den US-Imperialismus und massenhafte Vertreibung der Palästinenserinnen.
Aber wohin sollen sie gehen? Ägypten und Jordanien haben bereits signalisiert, dass sie nicht als „Mülldeponie“ für die kolonialen Kriegsverbrechen Israels herhalten werden. Eine Massenvertreibung wäre eine flagrante Verletzung der Genfer Konventionen – doch seit wann kümmert sich der Imperialismus um Menschenrechte?
Selbst das saudi-arabische Herrscherhaus, sonst ein braver Gehilfe bei den Plänen des US-Imperialismus in der Region, legt sich quer: die Geschichte der Auswirkung von Massenvertreibungen von Palästinenser*innen nach Jordanien und in den Libanon lässt die reichen Golfstaaten um ihre zerbrechliche Stabilität fürchten.
Trumps Pläne verschärfen den Konflikt mit den europäischen Imperialismen
Dass dieser Plan genau jetzt auf den Tisch kommt, ist kein Zufall. Trump will die ultrareaktionäre pro-zionistische Basis in den USA bedienen. Netanjahu wiederum steht in Israel innenpolitisch nach wie vor unter Druck. Er braucht einen außenpolitischen Coup, um sich an der Macht zu halten.
Für den US-Imperialismus bietet die Besetzung Gazas eine strategische Möglichkeit, noch stärker in den Nahen Osten einzugreifen. Während Washington vorgibt, „Demokratie“ und „Stabilität“ in der Region zu fördern, geht es in Wirklichkeit um geopolitische Kontrolle und die Absicherung des zionistischen Bollwerks als Speerspitze imperialistischer Interessen.
Trumps Absichtserklärung, Gaza “zu übernehmen”, ist zugleich ein weiterer Angriff gegen die konkurrierenden europäischen Imperialismen.
Einer der offensichtlichsten wirtschaftlichen Interessenkomplexe betrifft die Erdöl- und Erdgasvorkommen der Region. Europäische Energieunternehmen wie TotalEnergies (Frankreich), BP (Großbritannien) und ENI (Italien) sind seit Jahrzehnten in Förder- und Explorationsprojekten involviert. Die Kontrolle über Energiequellen und -routen ist entscheidend, um die europäische Energieversorgung zu sichern und wirtschaftliche Vorteile zu realisieren.
Die EU-Länder zählen zu den größten Waffenexporteuren in den Nahen Osten—Frankreich, Großbritannien und Deutschland stehen hier ganz vorne. Deutsche Konzerne wie Rheinmetall und französische wie Dassault profitieren erheblich von den politischen Spannungen und Kriegen in der Region. Hier wird deutlich, wie ökonomische Interessen mit geopolitischen Strategien verwoben sind.
Der Nahe Osten ist nicht nur als Energiequelle relevant, sondern auch als Markt und als Knotenpunkt für den internationalen Handel. Die Region verbindet Europa, Asien und Afrika. Europäische Firmen sind stark in Infrastrukturprojekten wie Häfen, Flughäfen und Transportkorridoren engagiert. Ein Beispiel ist der „Suezkanal“ als neuralgischer Punkt für den europäischen Handel mit Asien.
Immer mehr europäische Unternehmen investieren in die digitale Infrastruktur der Golfstaaten, von Smart-City-Projekten bis zu Telekommunikation. Dies ist ein wachsender Sektor, der auch in Zusammenhang mit der Energie-Transformation der Region steht (z.B. Projekte für erneuerbare Energien).
Europäische Banken und Investmentfirmen sind in den Finanzzentren der Region wie Dubai und Katar stark präsent. Diese Verbindungen dienen nicht nur der Kapitalakkumulation, sondern auch der politischen Einflussnahme—die kapitalistischen Zentren des Westens sichern so ihren Einfluss auf die Wirtschaftspolitiken der Golfstaaten.
Die europäischen Kapitalfraktionen engagieren sich in zweifacher Weise im Nahen Osten – zum einen durch den Abbau von Rohstoffen und zum anderen durch Exporte, Kredite und Waffenlieferungen.
Würden die USA Truppen in ein ethnisch gesäubertes Gaza entsenden, wäre das also auch eine direkte Kampfansage an die europäischen Imperialist*innen und könnte weitreichende Folgen haben.
Ein verbrecherischer Plan
Dieser Plan ist ein Verbrechen – aber er ist auch eine Bankrotterklärung. Denn er zeigt, dass weder Israel noch die USA eine langfristige Strategie haben, wie sie die palästinensische Frage „lösen“ können, außer durch nackte Gewalt und ethnische Säuberung.
Die Trump-Netanjahu-Agenda ist ein Aufruf zur Barbarei. Unsere Antwort muss kämpferische internationale Solidarität sein!
Als internationlistische Kommunist*innen sagen wir:
- Kein Vertrauen in internationale Institutionen wie die UNO, den Internationalen Strafgerichtshof oder die informelle “Staatengemeinschaft” (was immer das sein soll). Das sind Instrumente des Imperialismus und haben jahrzehntelang dabei zugesehen, wie Palästina zerstört wurde, und werden nichts gegen eine US-Besetzung unternehmen.
- Bedingungslose Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung! Die Arbeiter*innen der arabischen Welt und in Israel, aber auch in den imperialistischen Zentren, müssen sich gegen diesen Angriff formieren. Der Kampf zur Abwehr einer ethnischen Säuberung Gazas muss durch eine internationale Massenmobilisierung beantwortet werden.
- Der Kampf gegen die Besetzung Palästinas ist Teil des weltweiten Kampfes gegen den Kapitalismus. Die einzige dauerhafte Lösung liegt nicht in diplomatischen Manövern oder einer „Zwei-Staaten-Lösung“, sondern in der Zerschlagung des zionistischen Apartheidstaats und des imperialistischen Systems, das ihn unterstützt.
- Das Ziel muss eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens sein, in der Jüd*innen und Araber*innen gleichberechtigt zusammenleben – ohne Kolonialismus, ohne Rassismus und ohne Kapitalismus.
Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt das ausgebeutete Proletariat in den Staaten des Nahen Ostens – egal welcher Ethnie – eine revolutionäre Arbeiter*innenpartei, die imstande ist, das zionistische Joch, die Unterdrückung durch die lokalen Bourgeoisien und den Imperialismus abzuschütteln. Als Teil der Revolutionären Arbeiter*inneninternationale, die es weltweit aufzubauen gilt, kann dieser Kampf siegreich geführt werden.