Die Vorstellung des R1-Modells durch das chinesische Start-up DeepSeek am 20. Januar 2025 könnte als signifikantes Ereignis in der globalen technologischen und wirtschaftlichen Konkurrenz betrachtet werden. Die Präsentation, die Marc Andreessen als „Sputnik-Moment der KI“ (https://fortune.com/2025/01/27/marc-andreessen-deepseek-sputnik-ai-markets/) bezeichnete, stellt die bis dato dominierende Position der USA im Bereich der Künstlichen Intelligenz infrage.
1. Technologische Revolution zu geringeren Kosten
DeepSeek hat ein großes Sprachmodell (Large Language Model, LLM) entwickelt, das sich ohne menschliche Überwachung verbessert und dabei auf weniger leistungsstarke und deutlich günstigere Hardware zurückgreift. Dies unterminiert nicht nur die strategische Grundlage der US-Chip-Exportkontrollen gegen China, sondern zeigt auch, dass technologische Innovation abseits der teuren westlichen Infrastruktur möglich ist.
Während westliche Unternehmen wie OpenAI oder Google Milliarden in die Entwicklung und den Betrieb ihrer Modelle investieren, benötigte DeepSeek lediglich 5,6 Millionen US-Dollar für die Entwicklung des R1-Modells. Dies deutet darauf hin, dass kosteneffiziente Ansätze den Kapitalbedarf und die technologische Hegemonie des Westens ernsthaft in Frage stellen können. (https://www.pressreader.com/hong-kong/china-daily/20250127/page/8)
2. Kapitalistischer Schock und Marktreaktionen
Die Reaktion der Märkte war heftig: Nvidia, der führende US-Hersteller von KI-Chips, verlor in einem einzigen Handelstag 17 % seines Wertes, was einem Rückgang von fast 600 Milliarden US-Dollar entspricht. Dies ist der größte jemals verzeichnete Wertverlust eines Unternehmens an einem Tag. Auch andere Unternehmen wie Broadcom oder Meta erlitten schwere Verluste. Die Börse reagierte damit auf die potenzielle Gefahr, dass Chinas technologische Fortschritte die bisherigen Investitionsstrategien der westlichen AI-Industrie untergraben könnten. (https://edition.cnn.com/2025/01/27/tech/deepseek-stocks-ai-china/index.html)
Der US-amerikanische Aktienmarkt, dessen Boom zu einem Großteil auf der Dominanz im KI-Sektor basiert, wurde in seinen Grundfesten erschüttert. Analyst*innen und Investor*innen erkennen nun die Verletzlichkeit des bisherigen Konsensmodells: massive Investitionen in High-Tech als vermeintlich unantastbare Grundlage künftiger Gewinne.
3. Geopolitische Dimension: China und der US-Imperialismus
Die technologische Rivalität zwischen den USA und China spitzt sich zu. Seit der Einführung von Exportkontrollen gegen China während der Trump-Administration, die von Biden verschärft wurden, war die strategische Absicht klar: Chinas technologische Entwicklung sollte ausgebremst werden. Zuerst im Bereich Photovoltaik und dann in der Elektromobilität hat China die USA bereits überholt und den Technologiekampf für sich entschieden. Die Reaktionen darauf sind das verzweifelte Klammern von Tesla-Boss Elon Musk an US-Präsident Donald Trump und die wilden Drohungen mit Zollkriegen und militärischen Interventionen. Zumal China auch im Kampf um die Entwicklung der KI die Oberhand zu gewinnen scheint, wird die Lage des US-Imperialismus immer verzweifelter. Während bei der Stromproduktion und der individuellen Mobilität auch die Methode der Rückkehr zu alten Technologien (kalorische Kraftwerke, Verbrennermotoren) von konservativen Kräften weltweit ins Spiel gebracht wird, fehlt in der Schlacht um die KI eine derartige Alternative.
Mit süffisanten Unterton fasst CNN-Wirtschaftsressortleiter Matt Egan die Meinung der Trum-Skeptiker*innen zusammen: “Das Deepseek-Chaos suggeriert, das ‘America First’ nicht immer gewinnt”. (https://edition.cnn.com/2025/01/28/tech/deepseek-trump-ai/index.html)
DeepSeek unterstreicht, dass China keineswegs „untätig“ war. Mit einer großen Zahl gut ausgebildeter Absolvent*innen und einem aufstrebenden Innovationsökosystem könnten chinesische Unternehmen weitere Durchbrüche erzielen. Dies bedroht die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA und könnte die geopolitische Dynamik grundlegend verändern.
4. Militärisch-industrielle Konsequenzen
Die US-amerikanische Politik wird diese Entwicklung als Bedrohung für ihre technologische und militärische Vorherrschaft begreifen. Da AI als zentraler Faktor für wirtschaftliche und militärische Dominanz betrachtet wird, könnte der Druck auf die US-Regierung steigen, neue Maßnahmen – möglicherweise sogar militärischer Natur – zu ergreifen. Ein solches Szenario birgt das Potenzial für eine gefährliche Eskalation in den sino-amerikanischen Beziehungen.
5. Widersprüche des Kapitalismus
Für uns internationalistische Kommunist*innen zeigt der DeepSeek-Durchbruch die inneren Widersprüche des globalen Kapitalismus:
- Zunahme der Ungleichheit: Während US-Unternehmen wie Nvidia in den vergangenen Jahren enorme Gewinne erzielten, bleiben solche Errungenschaften für die Arbeiter*innenklasse irrelevant. Der DeepSeek-Schock demonstriert, dass selbst ein kleiner Akteur den Markt destabilisieren kann, was das spekulative und instabile Fundament des Kapitalismus offenlegt.
- Globale Konkurrenz: Die Entwicklung in China verdeutlicht, dass der technologische Fortschritt nicht exklusiv auf den westlichen Kapitalismus beschränkt ist. Vielmehr zeigt sich, dass auch aufstrebende imperialistische Mächte wie China, die sich auf staatliche Planung und strategische Förderung stützen , bedeutende Innovationen hervorbringen können.(siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/National_Development_and_Reform_Commission)
- Gefahr von Konflikten: Die wachsende Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten erhöht das Risiko militärischer Auseinandersetzungen, da technologische Überlegenheit zunehmend als strategischer Vorteil in geopolitischen Konflikten gesehen wird.
Perspektiven für den Klassenkampf
Der Erfolg von DeepSeek stellt nicht nur die westliche Tech-Hegemonie in Frage, sondern wirft auch grundlegende Fragen über die kapitalistische Produktionsweise auf. Die technologischen Fortschritte sollten im Interesse der gesamten Menschheit eingesetzt werden, nicht zur Sicherung imperialistischer Dominanz oder privater Profite. Die Arbeiter*innenklasse weltweit muss darauf drängen, dass technologische Innovationen wie KI vergesellschaftet und demokratisch kontrolliert werden, um den Bedürfnissen der Mehrheit und nicht den Interessen des Kapitals zu dienen.