Bei Antritt der aktuellen Regierung wurde das Ziel ausgegeben, die Zahl der armutsgefährdeten Österreicher zu halbieren. Im Wahljahr 2019 befanden sich 13,3 % der Menschen in dieser Kategorie. Heute sind das bereits 14,9 %. Statt einer Reduzierung kam es also tatsächlich zu einer Steigerung der betroffenen Personen! Diese Regierung hat die Situation damit sogar noch verschlimmert.
Nach Schätzungen des IWF (Internationaler Währungsfond) liegt Österreich mit kaufkraftbereinigten 66.889 $ BIP (Bruttoinlandsprodukt) pro Kopf 2022 an weltweit 16. Stelle von 194 gelisteten Ländern (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt_pro_Kopf, 19.06.2024). Somit kann zurecht behauptet werden: Österreich ist reich.
Blickt man hinter diese erfreuliche internationale Vergleichszahl und sieht sich den Zustand im Detail an, wird schnell klar, dass sich ein gewaltiger Wurm in diesem schönen Apfel befindet. Betrachtet man aktuelle Schätzungen der Nationalbank, so besitzt das reichste Prozent der Österreicher fast die Hälfte der gesamten Vermögenswerte. Um hier international Vergleiche durchführen zu können gibt es den sogenannten Gini-Koeffizienten. Der Wert 0 bedeutet, jeder Mensch besitzt gleich viel, bei einem Wert 1 besitzt einer alles. Nach der oben zitierten Schätzung läge Österreich hier bei einem Wert von 0,9 – was einer extremen Vermögensungleichheit entspricht. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Einkommen. 2022 erhielten 20 % der Einkommensbezieher maximal 1.623 €, während 10 % am anderen Ende mindestens 4.929 € bezogen, jeweils Brutto.
Für die unteren Einkommens- und Vermögensschichten kommen verschärfend auch einige Faktoren in Spiel, die ein Abrutschen in die Armut fördern. Die steigende Inflation etwa, die ja nur einen Durchschnitt der Entwicklung der Preise von Waren und Dienstleistungen abbildet, bedeutet für viele den unmittelbaren Anstieg der Ausgaben für Wohnen, Lebensmittel, Energie usw. Die Einkommenssituation hinkt dieser Entwicklung immer hinterher. KV-Verhandlungen etwa berücksichtigen jeweils nur die Auswirkungen der vergangenen 12 Monate. Wenn hier eine Erhöhung der Löhne um die Inflationsrate erreicht wird, bedeutet das, dass die bereits fälligen erhöhten Zahlungen schon getätigt wurden, somit weniger Spielraum gegeben war. Der Ausgleich für diese erhöhten Ausgaben ist aber nicht berücksichtigt – jede weitere Erhöhung wirkt sich also sofort wieder in einer reduzierten Kaufkraft aus.
Betrachtet man einzelne Produkte oder Produktsparten, so sieht man hier deutlich, dass z. B. Lebensmittelpreise oft über der Inflationsrate angestiegen sind. Das führt dann zu der Situation, dass sich Menschen nicht mehr ausreichend ausgewogen und gesund ernähren können! Eine Branche tritt bei der Erhöhung der Preise im Tourismusland Österreich besonders auf das Gaspedal, nämlich die Gastronomie. Und hier im besonderen die Fastfoodbranche mit den grossen internationalen Ketten an der Spitze. Selbst das berüchtigte „Kanzlermenü“ ist zum Inflationstreiber geworden.
Die hier beschriebene Schieflage lässt sich nicht mit schönen Sonntagsreden und Wahlversprechen ändern. Die meisten angedachten Reformen, so gut sie auch gemeint sein mögen, werden und können am Grundproblem keine signifikanten Verbesserungen bringen. Um das zu sehen, braucht man sich nur den öffentlichen Diskurs zu Vermögensbesteuerung oder Erbschaftssteuer ansehen. Eine ernsthafte Debatte muss hier das herrschende System an sich in Frage stellen. Das sind aber nicht irgendwelche obskuren dunklen Mächte im Nirvana, sondern die unmittelbaren Verhältnisse in unserem Umfeld! Das System, das es in Frage zu stellen gilt, ist der Kapitalismus. Die Lösung, die von allen in Angriff genommen gehört, ist die Vergesellschaftung der Produktionsmittel!