AUFRUF DES PALÄSTINENSISCHEN ALLGEMEINEN GEWERKSCHAFTSBUNDES VON GAZA ANLÄSSLICH DES ERSTEN JAHRESTAGS DES WIDERSTANDS GEGEN DEN VÖLKERMORD

Brüder und Schwestern der Gewerkschaften in Nordamerika, Europa und dem Rest der Welt,

Wir schreiben euch erneut aus Gaza, ein Jahr nach dem Beginn dieses Völkermordkriegs – ein Jahr voller Folter, Schmerz und Leid. In diesem Jahr war unser Volk mit Zwangsvertreibungen, einem Krieg des Aushungerns und tödlichen Bombenangriffen auf Zivilisten konfrontiert. Häuser und ihre Bewohner, Schulen, Krankenhäuser, Moscheen und Kirchen wurden fast vollständig zerstört. Wir haben die großflächige Zerstörung der zivilen Infrastruktur, die systematische Zerstörung der Zivilgesellschaft und nahezu vollständige Zerstörung von Gewerkschaftsbüros und -zentralen miterlebt.

Trotz dieser harten Bedingungen haben wir unser Bestes gegeben, um unsere Gemeinschaften mit unseren begrenzten Ressourcen zu unterstützen. Es handelt sich um die grausamste ethnische Säuberung, die wir in den letzten 76 Jahren Besatzung erlebt haben. Diese beispiellose Aggression Israels hat das Leid der Palästinenser*innen in Gaza vergrößert, indem Häuser über den Köpfen ihrer Bewohner zerstört wurden und sie von Strom, Wasser, Treibstoff, Medikamenten und lebenswichtigen medizinischen Gütern abgeschnitten wurden – alles aufgrund der seit 17 Jahren herrschenden Blockade.

Die Zahl der von Israel in diesem verheerenden Krieg getöteten Märtyrer*innen übersteigt heute 40.700 Opfer, die meisten davon Frauen, Kinder, Tausende Arbeiter und ihre Familien – eine beispiellose Bilanz in der modernen Geschichte. Mehr als 16.700 Kinder und 11.300 Frauen wurden getötet. Über 94.100 Menschen wurden verletzt. Mehr als 12.000 Menschen sind noch immer unter den Trümmern eingeschlossen. Hunderte Krankenhäuser wurden zerstört, Flüchtlingslager für Vertriebene bombardiert, und Kinder sind nun Krankheiten, Mangelernährung und einer Poliowelle schutzlos ausgeliefert.

Angesichts dieser tragischen Realität begraben wir weiterhin unsere Angehörigen und stehen einem andauernden Völkermord gegenüber, der in seiner Brutalität und im Einsatz von Vernichtungswaffen in der modernen Geschichte beispiellos ist. Trotzdem versorgen wir unsere Wunden und erheben unsere Stimmen auf internationalen Foren, um die freie Welt und die globale Arbeiter*innenbewegung zu drängen, sich dringend in einer breiten Solidaritätskampagne mit den Menschen in Gaza zu engagieren.

Wir, die Mitglieder der Palästinensischen Gewerkschaftsföderation, setzen in der Tradition des legendären Durchhaltevermögens unseres Volkes und seiner Ablehnung von Vertreibungspolitiken unser Leben auf unserem Land fort, obwohl über 80 % der Bevölkerung vertrieben wurden. Diese Bürger haben unter extrem schwierigen Bedingungen in mobilen Zelten gelebt, weit entfernt vom zivilen Leben und unter unmenschlichen Umständen. Besonders im nördlichen Gaza, das lange Zeit einer erzwungenen Hungersnot und dem Entzug der meisten Grundbedürfnisse ausgesetzt war, haben die Palästinenser*innen beschlossen, diese Not zu ertragen, anstatt ihre Häuser und ihr Heimatland aufzugeben.

Im Namen der Palästinensischen Gewerkschaftsföderation und all der Arbeiter*innen, die seit Beginn dieses verheerenden Krieges ihre Arbeit verloren haben, möchten wir, im Geiste der Solidarität mit euch und als Ausdruck unserer Dankbarkeit, Folgendes betonen:

1. Wir schätzen eure Solidarität am 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, als Reaktion auf unseren vorherigen Aufruf. Wir gratulieren auch den sieben Gewerkschaften in den USA – der Association of Flight Attendants (AFA), der American Postal Workers Union (APWU), der International Union of Painters and Allied Trades (IUPAT), der National Education Association (NEA), der Service Employees International Union (SEIU), der United Auto Workers (UAW) und den United Electrical Workers (UE) – die mehr als 6 Millionen Arbeiter*innen vertreten, für ihre mutige Position und ihren öffentlichen Appell an die Biden-Administration, jegliche militärische Unterstützung für Israel sofort einzustellen.

2. Wir wissen, dass die Tausenden Bomben, die auf uns und unsere Kinder fallen, in den USA hergestellt werden. Wir fordern alle Gewerkschaften auf, ihren politischen Druck, ihre Strategien und Taktiken zu verstärken, um ein sofortiges Ende des anhaltenden Völkermords in Gaza zu fordern. Folgt dem Beispiel der International Union of Painters and Allied Trades (IUPAT) in den USA, indem ihr Resolutionen unterstützt, die die Bewegung für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS) fördern, und von der Biden-Administration verlangt, jegliche militärische Unterstützung für Israel zu beenden.

3. Wir schätzen sehr die Rolle der Hafenarbeitergewerkschaften in Afrika, Europa und anderen Häfen, die Maßnahmen ergreifen, um Waffensendungen zu stoppen und die Finanznetzwerke zu stören, die die Bombardierung unseres Volkes finanzieren. Wir bitten euch, jede militärische Fracht nach Israel, insbesondere von Maersk und ZIM, abzulehnen.

4. Wir betonen, dass der wesentliche Zweck dieses Aufrufs darin besteht, eure Bemühungen und die aller freiheitsliebenden Menschen der Welt zu mobilisieren, um die Besatzung zu isolieren und die globale Solidarität mit unserem Volk zu verstärken, insbesondere auf der Ebene der Gewerkschaften weltweit und nicht nur in den USA.

5. Wir stellen klar, dass wir uns in keiner Weise auf die Gewerkschaft der Besatzer*innen, die „Histadrut“, verlassen, um den Krieg zu beenden oder Netanjahu unter Druck zu setzen. Dies steht im Zusammenhang mit internen Konflikten und vor allem mit der Unterstützung dieser Gewerkschaft für israelische Oppositionsparteien, deren Hände ebenso mit dem Blut unseres Volkes befleckt sind und die die Fortsetzung der Besatzung unterstützen.

Liebe Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen in Nordamerika, Europa und weltweit,

Unser Aufruf ist nicht nur ein Appell, sondern ein Schrei aus den tiefsten Wunden und dem Leid, aus den Trümmern und den Tränen der verwaisten, hungernden Kinder. Wir appellieren an euer Gewissen, sich dieser humanitären Katastrophe zu stellen, die von der Besatzung und ihren westlichen Unterstützern, allen voran den USA, verursacht wurde. Denn wir glauben, dass die Welt kein Ort der Neutralität gegenüber Ungerechtigkeit ist, sondern eine Arena, in der menschliche Werte und moralische Prinzipien auf die Probe gestellt werden. Möge eure Solidarität mit uns ein Licht in der Dunkelheit der Ungerechtigkeit sein, und möge euer mutiges Eintreten die Stimme der Wahrheit gegen die Lüge sein! Wir werden weiterhin mit Leib und Seele gegen den uns auferlegten Tod kämpfen, und wir sind überzeugt, dass ihr weiterhin die Fahne der Solidarität und des Kampfes für ein Ende des Krieges, ein würdiges Leben, kompromisslose Freiheit und eine Gerechtigkeit, die sich vor niemandem beugt, hochhalten werdet.

Es lebe Palästina und sein Volk… und Sieg der Arbeiter*innenklasse!

Ehre den Märtyrer*innen der Arbeiter*innenklasse und allen Märtyrer*innen Palästinas, der Menschheit und der Freiheit.

Föderation der palästinensischen Gewerkschaften von Gaza

11. September 2024

Unterzeichner:

Basheer Al-Sisi, Mitglied des Generalsekretariats der Föderation der palästinensischen Gewerkschaften – Stadt Gaza.

Dr. Salama Abu Zuaiter, Mitglied des Generalsekretariats der Föderation der palästinensischen Gewerkschaften – Stadt Gaza.