Mehr Privat – Mehr vom Staat!

Von Sackbauern und Hausherrn

Wir gehen in Österreich davon aus, dass die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit ist, die mit Sozialversicherungsabgaben der Allgemeinheit, allenfalls mit öffentlichen Mitteln aus Steuern finanziert wird. Behandlung beim Arzt oder im Spital ist anders als beispielsweise in den USA ein Anspruch, der jedem Sozialversicherten (und das ist die überwiegende Mehrheit der hier lebenden Menschen) zusteht.

Zwar gab es seit Jahrzehnten eine fortschreitende Übertragung der Kosten auf den Einzelnen durch Einführung und kontinuierliche Erhöhung von Selbstbehalten, Gebühren etc. und treffen solche Massnahmen immer die unteren Einkommensschichten verhältnismäßig am stärksten, trotzdem war die grundlegende Richtung des Gesundheitssystems dieses Landes immer eine klar öffentlich finanzierte für öffentliche Krankenhäuser und Kassenärzte.

Die Gesundheitsversorgung in einem industrialisierten in relativem Wohlstand auch auf Kosten der Ausbeutung anderer Bevölkerungen auf der Welt lebenden Land bewegt viele zig Milliarden Euro jährlich. Das ist ein Kuchen, der das Kapital auf Suche nach Verwertungs- u. Vermehrungsmöglichkeiten keine Ruhe lässt.

Da traf es sich gut, dass im Jahr 2000 nach 30 Jahren SPÖ-Kanzlerherrschaft die „Wirtschafts“-Partei ÖVP gemeinsam mit der rechtsnationalen FPÖ unter Jörg Haider in einem politischen Coup die stimmenstärkste Partei nach der NR-Wahl 1999, die SPÖ, von der Macht verdrängen konnte.

ÖVP und FPÖ hatten neben der populistischen Grundierung ihrer Politik mit Ausländerfeindlichkeit ein klares Ziel: den Umbau des Staates im Hinblick auf eine Stärkung der Kapitalinteressen ihrer Klientel.

Dass Wolfgang Schüssel schon seit Jahren mit der Parole „mehr privat, weniger Staat“ durch die Lande gezogen war und dass Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer Taktgeber der Politik der ÖVP sind, war klar. Aber auch die FPÖ sammelte die Stimmen der von der saturierten SPÖ frustrierten Arbeiterklasse mit Ausländerhetze und Bonzenbashing nur ein, um in Wirklichkeit Politik für Industrielle wie Thomas Prinzhorn und Klein, Mittel u Großkapitalisten aus dem rechtesten Milieu des „Bürgertums“ zu betreiben.

Während die Regierung Schwarz-Blau I öffentlichkeitswirksam mit der korrupten Eurofighter-Beschaffung und der sogenannten Pensionsreform zu Lasten der Arbeiterklasse beschäftigt war, wurde im Hintergrund die Möglichkeit geschaffen den oben beschriebenen Geldkuchen anzuknabbern.

Und das ging so:

2001 wurde der PRIKRAF ins Leben gerufen, ein mit einer ASVG Novelle geschaffener Fonds, der mit öffentlichen Geldern dotiert wird, was durch einen Vertrag zwischen WKO und den Sozialversicherungsträgern geschieht. Seit damals können private Krankenanstalten Kostenersatz für ihre Tätigkeiten von der öffentlichen Hand beanspruchen. Bis dahin war dies nur möglich, wenn die Privatkliniken in Notfällen und „unaufschiebbar“ Patienten behandeln mussten. Jetzt sollte der Zuschuss an die Privatbetreiber aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Beschäftigten ganz regulär und bei jeder Privatbehandlung erfolgen können.

Die Mittel in dem Fonds sind mit jährlich über 100 Millionen Euro beträchtlich, aber trotzdem begrenzt. Daher ist es der WKO, die als Vertragspartnerin ursprünglich einen abgegrenzten Kreis (heute ca 45 Anstalten) an Anspruchsberechtigten zugelassen hat, ein Anliegen die Anzahl der mit Steuergeldern zu beglückenden Privatbetreiber im Interesse der schon im Kreis seienden klein zu halten.

Wir springen zeitlich in die Gegenwart: der PRIKRAF existiert trotz zwischenzeitlichen roten Bundeskanzlern Gusenbauer, Faymann und Kern immer noch und hat, wenn es nicht ein Sittenbild der kapitalistischen Korruption und Korrumpierbarkeit wäre, zu einer lustigen Groteske im halbseidenen Strache-Universum geführt.

HC Strache ist mit Walter Grubmüller, Glücksspielritter der ersten Stunde und mit dem Wettgeschäft reich geworden, und Artur Worseg, Society Schönheitschirurg, persönlich befreundet. Die beiden besitzen die „Privatklinik Währing“ und wollten seit Jahren in den erlauchten Kreis der PRIKRAF Profiteure aufgenommen werden, wogegen sich die WKO und die bereits gut bestallten Privatkliniken erfolgreich zur Wehr setzten (bis hin zu Vfg-Gerichtshof und EUGH).

Im Zuge der Regierungsbildung Türkis-Blau 2017 sah Strache die Gelegenheit gekommen Business zu machen: die ÖVP sollte einer Aufnahme der Privatklinik Währing in den PRIKRAF zustimmen und im Gegenzug sollten seitens Grubmüller Parteispenden an die FPÖ (10.000,– sind offiziell bekannt) und wohl auch private Zuwendungen an ihn selbst fließen. Die schwarze Krake ÖVP zierte sich allerdings noch ein wenig, ehe man zum „wirtschaftlich vernünftigen“ Deal kam, den Fonds auf Kosten der Sozialversicherten mit mehr Geld zu versorgen, die Mittel (15 Mio pro Jahr) anzuheben und so nicht nur die Schützlinge von Strache zu versorgen, sondern auch gleich die aus dem eigenen Dunstkreis kommenden Privatkliniken mit mehr öffentlichen Geld zu versorgen.

Bemerkenswert ist, dass es entgegen des Framings der Türkisen, IBIZA wäre ein Blaues Korruptionsdesaster, in Wirklichkeit die ÖVP ist, die im großen Stil abräumt: die UNIQA ist Österreichs größter privater Gesundheitsversicherer und ihr CEO, Hartwig Löger, wurde 2017 Finanzminister der ersten Regierung von Sebastian Kurz, der seinen einzigen Kurzausflug in die Privatwirtschaft als Versicherungsverkäufer bei Löger hatte. Die UNIQA vertreibt nicht nur private Krankenversicherungen, sondern betreibt über die PremiQaMed Group auch Privatspitäler. Die PremiQaMed spendete in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 25.000,– an die Kurz-ÖVP, alleine im Jahr 2018 erhielt sie aber 42,1 Mio aus Sozialversicherungsbeiträgen.

Man sieht Strache ist wirklich der Sackbauer der Korruption, während die ÖVP einfach der Hausherr bei der Privatisierung der staatlichen Gelder ist.

Von einer Groteske sind wir aber in Wirklichkeit weit entfernt. Aufgrund der unter Türkis-Blau beschlossenen Gesetze zur „Reform“ der Sozialversicherung kam und kommt es zu einem dramatischen Mittelentzug des öffentlichen Gesundheitswesens, dessen Auswirkungen am Rücken der Versicherten, am Rücken der arbeitenden Bevölkerung spürbar sein werden. Der stellvertretende ÖGK Obmann Andreas Huss (SPÖ) schlägt Alarm: es ist – auch der Stundung der Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmen im Zuge der Corona-Krise geschuldet – mit einem Minus von weit über 1 Milliarde Euro in den Sozialversicherungstöpfen zu rechnen. Auch deshalb fordert der SPÖ-Funktionär mindestens eine Rücknahme der Erhöhung der Dotierung des PRIKRAF bis hin zu seiner Abschaffung und der Rückführung der Privatkliniken auf den Status von Einzelverträgen, wenn sie tatsächlich notwendige Leistungen erbringen.

Was die SPÖ hier durch ihren Sozialversicherungs-Funktionär betreibt, ist nichts anderes als den Korruptionstanz von ÖVP, FPÖ und Kapitalistenklasse durch das System nicht grundlegend in Frage stellende Forderungen ein wenig aus dem Takt zu bringen, nicht mehr.

Wir fordern hingegen:

  • Sofortige Überführung sämtlicher Privatkliniken in die Hände der Arbeiter_innen und Betrieb unter deren Aufsicht und Führung
  • Rücknahme der unter Türkis-Blau vorgenommenen Zerschlagung der Sozialversicherungsstrukturen
  • Volle Kontrolle der durch Sozialversicherungsbeiträge der Arbeiter_innen finanzierten Gesundheitsversorgung im Land durch Arbeiter_innenräte
  • Kostenloser Zugang zu medizinischer Versorgung für alle hier lebenden Menschen