Im Gegensatz zur herrschenden Klasse sind Lohnabhängige und ihre Familien ohne die Organisationen, die sie aufbauen, um ihre Solidarität zu sichern, um dem Kapital und dem bürgerlichen Staat Widerstand zu leisten, nichts. Die Kapitalist*innen* haben seit langem erkannt, welche Gefahr von Gewerkschaften ausgeht, die die Ausbeutung am Arbeitsplatz einschränken. Deshalb versuchen die Bosse unaufhörlich, die Gewerkschaften zu schwächen:
- mal durch die Repression klassenkämpferischer Aktivist*innen*,
- mal durch die Einbindung von Funktionär*innen* in Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung – eine Integration, die es Gewerkschaftsfunktionär*innen ermöglicht, der Ausbeutung zu entkommen und sich manchmal auch zu bereichern.
Die bürgerlichen Staaten vervollständigen diese Methoden und systematisieren sie:
- durch Druck und Repression mit allen ihnen zur Verfügung stehenden juristischen, polizeilichen und militärischen Mitteln gegen kämpferische Aktivist*innen*,
- durch Integration in staatliche Institutionen, die den Gewerkschaftsbonzen Versorgungsposten bieten; nicht selten treten ehemalige Gewerkschaftsbürokrat*innen* sogar in bürgerliche Regierungen ein (z. B. Lula in Brasilien).
Wie die Kommunistische Internationale feststellte, unterscheidet sich das Wesen der Apparate, die die meisten Gewerkschaften beherrschen, nicht von dem der sogenannten reformistischen Parteien. Es handelt sich um zwei Formen der Arbeiter*innenbürokratie. Ob der opportunistische Gewerkschaftsapparat mit bürgerlichen Arbeiter*innenparteien oder direkt mit bürgerlichen Parteien verbunden ist – er bleibt eine Agentur der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiter*innenklasse.
Gewerkschaftsbürokratien sprechen meist eher Männer als Frauen an, Einheimische als Migrant*innen, Fachkräfte als prekär Beschäftigte. Manche Gewerkschaftsapparate beschränken sich auf einen Berufsstand („Berufsgewerkschaft“). Manche Verbände integrieren sogar Polizeigewerkschaften, als ob Polizist*innen Arbeiter*innen wie alle anderen auch wären. Alle korrumpierten „reformistischen“ Apparate setzen ihr Vertrauen in den bürgerlichen Staat und predigen den Ausgebeuteten Pazifismus. Die Gewerkschaftsbürokratien verbreiten das Gift des Chauvinismus: Patriotismus, Protektionismus, die Diskriminierung ausländischer Arbeiter*innen, Grenzschließungen …
In Zeiten wirtschaftlichen Wachstums heften sich die Gewerkschaftsführungen und reformistischen Parteien jene Zugeständnisse an ihre Fahnen, die die Proletarier*innen der Bourgeoisie abringen. In Zeiten der Krise verhandeln sie Massenentlassungen, Lohnkürzungen und Angriffe auf soziale Errungenschaften. In jeder Krise verraten sie die Arbeiter*innenklasse. Sie kanalisieren die Kampfbereitschaft in symbolische Arbeitsniederlegungen von wenigen Stunden, Aktionstagen oder in isolierte Teilkämpfe – Beruf für Beruf, Standort für Standort, Betrieb für Betrieb. Danach machen sie die Massen für die Niederlagen verantwortlich, die sie selbst herbeigeführt haben.
Die politischen und gewerkschaftlichen Bürokratien als parasitäre Schicht der Arbeiter*innenbewegung rufen dazu auf, sich Wahlen, Referenden oder einem „Retter“ zu unterwerfen. Wenn der Druck von unten zu stark wird oder spontane Kämpfe ausbrechen, setzen die Gewerkschaftsführungen alles daran, einen Massenstreik oder gar einen Generalstreik zu verhindern – einen Streik aller Ausgebeuteten zugleich. Denn ein Generalstreik schwächt und bedroht den nationalen Kapitalismus. Er stellt die Frage: Welche Klasse soll das Land regieren?
2023 haben die Gewerkschaftsführungen in Niger das Proletariat der Militärjunta untergeordnet. In Frankreich verhinderten die vereinten Gewerkschaftsführungen (CFDT, CGT, FO, SUD, UNSA, FSU …) 2023 mit Hilfe der PS, der PCF, der LFI sowie flankiert von LO, NPA und RP den Generalstreik zur Verteidigung des Rentenrechts – und führten eine schwere Niederlage herbei. 2024 haben die Gewerkschaftsführungen in Bangladesch die Studierendenbewegung nicht unterstützt. In Großbritannien verhinderten die konkurrierenden, aber im TUC zusammengeschlossenen Gewerkschaften 2024 mit Unterstützung der Labour Party, aber auch der SWP, der SP und der RCP den Generalstreik für allgemeine Lohnerhöhungen. In Argentinien stoppten die Gewerkschaftsführungen (CGT, CTA) den Generalstreik gegen Milei – mit Unterstützung nicht nur der PCA, sondern auch des PTS, des PO, des MST und des NMAS –, sodass die Regierung eine brutale Sparpolitik durchsetzen und soziale Errungenschaften annullieren konnte.
Damit das Proletariat seine historische Aufgabe erfüllen kann, obwohl er eine beherrschte und ausgebeutete Klasse ist, muss es über seine eigene Partei verfügen, wie es die Resolution der I. Internationale 1872 festhielt. Die Partei ist die bewussteste Form der Selbstorganisation der Ausgebeuteten. Ohne eine erfahrene, anerkannte revolutionäre Partei, die in ihren Reihen interveniert interveniert, bleiben andere Formen der Selbstorganisation (Genossenschaften, Gewerkschaften, Räte) geschwächt, in den Kapitalismus integriert oder machtlos. Die Kommunist*innen sind die Strömung innerhalb der Arbeiter*innenbewegung, die in jedem Moment die allgemeinen Interessen der Arbeiterinnen*klasse vertritt – den Bruch mit der Bourgeoisie und den internationalen Sozialismus.
Wie von der Komintern und in ihrer Nachfolge von der Vierten Internationale ausdrücklich bekräftigt, kann sich keine kommunistische Organisation von den Massenorganisationen der Arbeiter*innen fernhalten, nur weil deren Führung durch die ausbeutende Klasse korrumpiert und autoritär ist und die Arbeiter*innendemokratie mit Füßen tritt. Eine der wichtigsten Aufgaben der Organisationen, die weltweit für die sozialistische Revolution kämpfen, besteht darin, innerhalb der Massenorganisationen zu arbeiten, um den Einfluss ihrer Bürokratie zu brechen – wenn es möglich ist, offen, im Geheimen, wenn es notwendig ist. Es kann keine Rede davon sein, eine Revolution siegreich durchzuführen, ohne dass diese Aufgabe in einem gewissen Umfang erfüllt wurde.
Doch seit der Zerschlagung der Kommunistischen Internationale durch die stalinistische Bürokratie der degenerierten UdSSR sind nur wenige Organisationen dieser Aufgabe nachgekommen. Eines der Merkmale des weit verbreiteten Opportunismus ist es, mit dem Gewerkschaftsapparat zu paktieren und sich in ihn zu integrieren. Der Zentristismus weigert sich, gegen die korrupten und verräterischen Apparate zu kämpfen, innerhalb der Massenorganisationen gegen die Klassenzusammenarbeit, gegen die Aushandlung von Angriffen durch das Kapital und den Staat, gegen die Mitverwaltung zu agieren – für Selbstorganisation und Selbstverteidigung gegen Streikbrecher*innen, Polizei, Armee und faschistische Banden.
Die Revisionist*innen rufen die Massen dazu auf, die Ablenkungsmanöver der Bürokratien zu unterstützen, ihre Versuche, den Kampf zu bremsen: begrenzte Streiks, vereinzelte Streiks, Referenden, Wahlaufrufe für Volksfronten oder sogar für bürgerliche Parteien … Die Zentrist*innen stellen sich nicht gegen eine Gewerkschaftsführung, ohne sich zugleich einer anderen anzudienen. So hat z. B. in den 1980er Jahren in Frankreich die PCI (heute PT & POI) die FEN im Auftrag von FO gespalten, während die LCR (heute NPA und RP) und LO der PCF halfen, die FEN zu spalten, um die FSU zu gründen.
Eine Gewerkschaft kann den Interessen der Arbeiter*innenklasse nicht dienen, wenn sie vom bürgerlichen Staat, vom Kapital oder von einer bürgerlichen Partei kontrolliert wird. Unabhängigkeit der Gewerkschaften! Kein staatliches Zwangsschlichtungsverfahren im Falle eines Streiks! Keine staatliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Gewerkschaften!
Eine Gewerkschaft kann nicht zugleich den Interessen des Kapitals und denen der Arbeit dienen. Schluss mit der Mitverwaltung von Unternehmen und der ständigen Konsultation mit Kapital und Regierung!
Die Gewerkschaft muss den am stärksten ausgebeuteten und unterdrückten Schichten höchste Priorität einräumen: dem informellen Sektor, den Arbeitslosen, Migrant*innen, Frauen, nationalen oder religiösen Minderheiten … Gleiche Rechte für alle Arbeiter*innen! Schutz der arbeitenden Frauen! Organisierung der Arbeitslosen und des informellen Sektors in den Gewerkschaften!
Die Zersplitterung der reformistischen, aber konkurrierenden Gewerkschaften schwächt das Proletariat. Eine einzige demokratische und klassenkämpferische Gewerkschaft pro Betrieb! Ein einziger demokratischer und klassenkämpferischer Gewerkschaftsverband pro Branche! Ein einziger demokratischer und klassenkämpferischer Verband pro Staat! Eine einzige demokratische und klassenkämpferische internationale Gewerkschaft!
Die Gewerkschaften sind in der Regel in den Händen einer Bürokratie, die es nicht duldet, dass ihr Monopol auf die Organisation und ihre Praxis der Klassenzusammenarbeit infrage gestellt wird. Gegen die Gewerkschaftsbürokratie muss die Gewerkschaft selbst ein Rahmen für eine elementare Arbeiter*inneneinheitsfront werden. Gewerkschaftsdemokratie! Tendenzrecht! Gewählte und jederzeit abwählbare Funktionär*innen! Bezahlung der hauptamtlichen Gewerkschafter*innen auf dem Niveau des Durchschnittslohns der jeweiligen Branche! Rotationsprinzip für Funktionäri*nnen! Ausschluss von Verräter*innen!
Überall – insbesondere in Staaten mit niedriger Organisationsgrad oder mit gespaltenen Gewerkschaften – müssen revolutionäre Kommunist*innen, sobald Massenkämpfe ausbrechen, daran arbeiten, die alten Führungen beiseite zu schieben und den Kampf unter die Kontrolle der gesamten Arbeiter*innenklasse zu stellen. Vollversammlungen, die entscheiden! Wahl von Kampfkomitees! Streikposten und Selbstverteidigung für Demonstrationen, Streiks, Versammlungsorte! Zentralisierung der Komitees!
Die Tätigkeit der kommunistischen Fraktionen innerhalb der Massenorganisationen kann nicht von der allgemeinen revolutionären Arbeit in den Betrieben und Verwaltungskörperschaften getrennt werden. Es gibt nur ein einziges Programm – dasselbe für die Gewerkschaften wie für die gesamte Gesellschaft. Es ist ein Programm gegen die korrupte Bürokratie, gegen die Agentur der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiter*innenbewegung. Dieses Programm umfasst wirtschaftliche und elementare demokratische Forderungen, aber auch Übergangsforderungen, die zur Diktatur des Proletariats und zum weltweiten Sozialismus führen. Denn ohne soziale Revolution wird die Bourgeoisie die Umwelt zerstören und einen dritten Weltkrieg entfesseln.
9.3.2025
Kollektiv Permanente Revolution (CoReP)