Die politische Situation in Österreich nach den Wahlen
Die Nationalratswahl vom 29. September 2013 hat die Tendenz der Abwanderung von WählerInnenstimmen von der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei SPÖ hin zu offen bürgerlichen Parteien fortgesetzt. Die historisch niedrigste Wahlbeteiligung in der 2. Republik ist ein Ausdruck für mangelndes Vertrauen und Interesse in bzw. für den bürgerlichen Parlamentarismus.
Die klassenpolitische Dimension
Die klassenpolitische Dimension des Wahlergebnisses wird deutlich, wenn wir die traditionellen proletarischen Hochburgen der SPÖ betrachten.
In den Wiener Arbeiterbezirken gab es dramatische Verschiebungen hin zur FPÖ und anderen bürgerlichen Parteien. In der Steiermark sind die Verluste in den SPÖ Hochburgen noch deutlicher, wobdurch die FPÖ zum ersten Mal stärkste Partei werden konnte.
Warum geht der Einfluss der Sozialdemokratie weiter zurück?
Das Ergebnis der Nationalratswahl 2013 hat unsere Einschätzung vor der Wahl bestätigt. Die Verankerung der SPÖ in der ArbeiterInnenklasse wird immer schwächer. Mit der Pleite des Konsums und dem Notverkauf der BAWAG sind mit der Einkaufsgenossenschaft und der Gewerkschaftsbank zwei wichtige Stützpfeiler weggebrochen, deren Verlust sich nachhaltig auswirkt. Die weitgehende Privatisierung der verstaatlichten Industrie und anderer Staatsbetriebe hat den Einfluss der von der SPÖ dominierten Gewerkschaften zurück gedrängt. Mit dem Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades ist bei vielen ArbeiterInnen das Klassenbewusstsein geringer geworden. Die politische Schulungstätigkeit der SPÖ vor allem an der Basis ist praktisch zum Erliegen gekommen.
Zusätzlich zu diesen Maßnahmen der letzten Jahre und Jahrzehnte – Ausdruck der Integration der Sozialdemokratie in den bürgerlichen Staat – hat sich die Realpolitik der SPÖ in der letzten Regierungsperiode auf deren Niedergang ausgewirkt. Erhöhung von Massensteuern (Mineralölsteuer, Tabaksteuer) sowie die Senkung der Bausparprämien und Förderungen bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge oder die Erhöhung von Pensionen unter der Teuerungsrate waren keine Argumente für eine Stimmabgabe für die SPÖ. Auch bei der Verwicklung in Korruptionsskandale waren kaum Unterschiede zu anderen Parteien erkennbar.
Fraktionierungen in der Bourgeoisie – Ausdruck einer Radikalisierung der herrschenden Klasse
Die Hauptpartei der österreichischen Bourgeoisie bleibt die ÖVP. Zwar ist deren politischer Einfluss mit dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der Partei zurückgegangen, jedoch behält sie die Kontrolle über große Teile der Wirtschaft (z. B. Raiffeisen Organisation) und der Medien (Tageszeitungen wie Kurier oder Presse).
Nach wie vor steht die ÖVP für einen sozialpartnerschaftlichen Kurs, d. h. eine Verwaltung des Kapitalismus unter Einbeziehung von Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Der offensichtliche Niedergang der SPÖ ruft Teile der Bourgeoisie auf den Plan, die den sozialpartnerschaftlichen Konsens beseitigen und das radikale Umverteilungsprogramm FairSteuern (www.fairsteuern.at) der Industriellenvereinigung durchsetzen wollen. Neben Stronachs in Auflösung begriffener Chaostruppe tun sich in diesem Bereich vor allem die NEOS – ein Neuaufguss des Liberalen Forums angereichert mit einigen gescheiterten ÖVP Karrieristen – hervor.
Jetzt die Gegenoffensive vorbereiten!
Die arbeitenden Menschen haben von der nächsten Regierung – egal wie deren Zusammensetzung schlussendlich aussehen wird – nichts Gutes zu erwarten. Die Kapitalisten wittern schon Morgenluft. Den zu erwartenden radikalen Angriffen einer möglichen Bürgerblockregierung aus ÖVP, FPÖ und NEOS mit Plänen wie der vollen Besteuerung von Abfertigungen, Senkung von Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und einer Anhebung der Umsatzsteuer – um nur einige zu nennen – muss nicht nur abgewehrt, sondern mit einer Gegenoffensive beantwortet werden. Die ArbeiterInnenbewegung muss endlich ihre passive, auf Abwehr beschränkte Haltung verlassen.
- Umsatzsteuersenkung auf 18 bzw. 8 % als ersten Schritt zur Abschaffung aller Massensteuern! Abschaffung aller Selbstbehalte im Gesundheitswesen (Rezeptgebühr, Krankenhausselbstbehalt, Selbstbehalte bei Seh- und Hörbehelfen etc.)! Freie Bildung ohne Studiengebühren, Elternbeiträge in Schulen und Schulbuchselbstbehalte!
- Lohnsteuerreform: Erhöhung der Freigrenze für die untersten Einkommen! Mehr Progressionsstufen als bisher! Erhöhung des Spitzensteuersatzes!
- Pensionen: Rücknahme der Pensionsreform von 2004, d. h. Durchrechnungszeitraum die besten 15 Jahre und Steigerungsbetrag wieder 2 %! Senkung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen und Männer auf 60 Jahre!
- Unternehmens- und Vermögensbesteuerung:Körperschaftssteuer wieder rauf von 25 auf 34 %! Aufstockung des Personalstands von Finanzämtern und Sozialversicherungen zur Eintreibung aller Steuer- und Abgabenschulden der Unternehmer! Abschaffung des Stiftungsrechts und der Gruppenbesteuerung! Höhere Grundsteuer für Luxusimmobilien!
- Einführung von Progressionsstufen bei der Kapitalertragssteuer! Einführung der Erbschaftssteuer für Vermögen über 1 Mio. EUR!
- Arbeit: Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden mit dem Ziel der Vollbeschäftigung! Verbot aller prekären Beschäftigungsverhältnisse wie „geringfügiger“ Beschäftigung, Werksverträgen oder Scheinselbstständigkeiten!
- Verkehr: Nulltarif auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln! Steuerliche Begünstigungen für den Kauf von Fahrrädern! Stärkere Besteuerung von hochpreisigen sowie emissionsreichen motorisierten Fahrzeugen
- Schluss mit der Hetze gegen AsylwerberInnen! Unterstützung der Hauptforderungen der Refugee-Camp-Bewegung: Für das Recht von Flüchtlingen, sich frei zu bewegen, zu arbeiten und sich zu bilden, Schluss mit den Deportationen – no borders, no nation, no deportation!
- Die Gewerkschaften müssen diese Forderungen unterstützen! Dazu müssen die Bürokraten vertrieben und die Arbeiterdemokratie in den Gewerkschaften wieder hergestellt werden. Für klassenkämpferische Gewerkschaften, unabhängig vom bürgerlichen Staat!