Knapp eine Woche vor der Nationalratswahl am 29. September veröffentlichen wir hier einen Artikel aus der letzten Ausgabe unserer Zeitung, KLASSENKAMPF Nr. 17.
In diesem Artikel formulieren wir auch unsere Position zu den bevorstehenden Wahlen.
„In der konkreten Wahlsituation erkennen wir ein weit fortgeschrittenes Misstrauen weiter Teile der ArbeiterInnenklasse in das herrschende kapitalistische System und seine Parteien. Deshalb ist für das Ungültigwählen durchaus eine Möglichkeit, um die Ablehnung des bestehenden Systems zu zeigen, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, dass wir auf das Stimmrecht verzichten und demokratische Errungenschaften gleichgültig sind. Wir reichen jenen KollegInnen die Hand, die nach wie vor Illusionen in die Politik der traditionellen Parteien mit Wurzeln in der ArbeiterInnenklasse haben und daher SPÖ oder KPÖ wählen. Gleichzeitig warnen wir davor, dass die SPÖ einmal mehr die Interessen der ArbeiterInnen verraten wird. In Wien ist auch die Stimmabgabe für die SLP eine Option.
Die Wahl deklariert bürgerlicher Parteien lehnen wir kategorisch ab. Weiters unterstreichen wir, dass die Nationalratswahl 2013 wie alle bürgerlichen Wahlen unabhängig von ihrem Ausgang und der Farbschattierung der neuen Regierung nichts am Fortbestand der kapitalistischen Diktatur ändern wird.“
DIE ÖSTERREICHISCHE PARTEIENLANDSCHAFT IM NATIONALRATSWAHLKAMPF 2013
Die seit 2008 andauernde Krise des Weltkapitalismus ist auch für die politischen Parteien in Österreich eine Nagelprobe. Anhand der Parteiprogramme und vor allem deren Umsetzung in Regierungsverantwortung ist gut der Klassencharakter der jeweiligen Partei zu ersehen.
Parteien mit Traditionen und Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung
Es mehren sich die Anzeichen, dass die SPÖ auf einem neuen Tiefpunkt angelangt ist. Ein bisher noch nie da gewesener geringer Wählerzuspruch bei den Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol und Salzburg bei gleichzeitig historisch niedriger Wahlbeteiligung ist ein deutliches Indiz dafür.
Auch bei den aktiven Mitgliedern ist ein deutlicher Erosionsprozess bemerkbar. Sichtbar wird der Mitgliederschwund bei der Präsenz auf der Straße: Außerhalb Wiens gibt es kaum noch Maiaufmärsche- und kundgebungen. Die offizielle Parteiangabe von 100.000 Teilnehmern beim Maiaufmarsch in Wien kostet Beobachtern nur ein müdes Lächeln. Die wahre TeilnehmerInnenzahl des Wiener Maiaufmarsches dürfte wohl eher im vierstelligen Bereich liegen. Bei Wahlkampfkundgebungen sind bezahlte FunktionärInnen meist unter sich. Das Sektionensterben geht weiter.
Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Mehrheit der Lohnabhängigen zur SPÖ bekannt hat. Privatisierungen von Staatsbetrieben sowie die Insolvenzen von Konsum und BAWAG haben nachhaltig an der Verankerung der Partei in der ArbeiterInnenklasse gerüttelt. Die SPÖ ist maßgeblich daran beteiligt, dass die österreichischen ArbeiterInnen für die globale kapitalistische Krise zur Kassa gebeten werden. Sowohl am Pensionsraub 2003 als auch an der zeitgleichen radikalen Senkung der Körperschaftssteuer von 34 auf 25 % durch die Schwarzblaue Regierung hat die SPÖ nichts geändert. Schlechte Verhandlungsergebnisse sozialdemokratischer GewerkschafterInnen haben zu sinkenden Lohnquoten geführt. Von der geplanten Reichensteuer ist nichts übrig geblieben, ganz im Gegenteil wurde die Erbschaftssteuer in der vergangenen Legislaturperiode ersatzlos gestrichen. Die positiven Effekte der Lohnsteuerreform 2009 sind längst von der „kalten“ Progression zunichte gemacht worden. Konjunkturpakete, Kurzarbeit und Bankenrettung wurden vor allem durch die Erhöhung von Massensteuern (Mineralölsteuer, Tabaksteuer) sowie Pensionsanpassungen weit unter der Inflationsrate finanziert.
Mit Verwicklungen in Korruptions- und Finanzskandale (Telekom, Land Salzburg, Stadt Linz) zeigten sozialdemokratische PolitikerInnen, dass sie „Part of the game“ sind. Zudem trug Parteivorsitzender Faymann mit seiner Aussageverweigerung beim Telekom U-Ausschuss zu einem weiteren Imageverlust der Partei bei. Sinkende Zinsen und die damit verbundene Flucht der AnlegerInnen in Immobilien hat zudem zu stark gestiegenen Mieten geführt. Auch wenn die SPÖ jetzt mit den Themen Arbeit, Pensionen und Mieten wichtige politische Felder beackert, ist die Glaubwürdigkeit der Partei stark gesunken und ihr Niedergang augenscheinlich.
Die KPÖ ist ungeachtet der kapitalistischen Krise auch 2013 eine kaum wahrnehmbare politische Größe. Das Amalgam aus Reformismus und Volksfrontpolitik im neuen, zivilgesellschaftlichen und transformatorischen Gewand hat weiterhin keine Massenrelevanz. Die Verankerung der Partei in den Betrieben und damit in der ArbeiterInnenklasse ist marginal.
Das Wahlprogramm der KPÖ beinhaltet durchaus unterstützenswerte Forderungen wie die Einführung von Vermögenssteuern und radikale Arbeitszeitverkürzung. Geht es um die Eigentumsfrage, verharrt die KPÖ allerdings bei der uralten stalinistischen Volksfronttaktik und faselt von „Verstaatlichung der Banken unter strenger Kontrolle (zivil)-gesellschaftlicher Einrichtungen“ – also einem klassenübergreifenden Volksfrontbündnis. So bleibt die KPÖ also auch 2013 auf ihren ausgetretenen Pfaden.
Offen bürgerliche Parteien
Die Hauptpartei der österreichischen Bourgeoisie bleibt die ÖVP. Diese befindet sich in einer tiefen Krise, wie die historischen Tiefstände bei den Ergebnissen der Landtagswahlen 2013 in Tirol, Kärnten und Salzburg zeigen. Etliche Korruptionsskandale haben der ÖVP in der laufenden Legislaturperiode massiv zugesetzt. Vom Telekomskandal ist die ÖVP am stärksten betroffen. Auch die Finanzdebakel der Länder Salzburg und Kärnten haben das Image der ÖVP als Topmanagerin der Staatsfinanzen beschädigt. Negativer Höhepunkt des Korruptionsskandals war die – nicht rechtskräftige – Verurteilung des Fraktionsführers der ÖVP im EU Parlament Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit. Zudem hat der fast zeitgleich mit dem Bekanntwerden der Affäre Strasser angeblich aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Rücktritt von Parteichef
Josef Pröll im März 2011 zu weiteren innerparteilichen Turbulenzen geführt.
Viel schwerer als die dem kapitalistischen Gesellschaftssystem eigene Korruption wirken sich substantielle gesellschaftliche Veränderungen auf die Performance der ÖVP aus. Durch den langsamen Untergang von Kleinbourgeoisie und Kleinbauerntum sowie der schwindenden Bedeutung der katholischen Kirche sind wichtige Grundpfeiler der ÖVP ins Wanken geraten. Diese Entwicklung hat den Weg frei gemacht für neue bürgerliche Parteien wie das „Team Stronach“.
Die ÖVP betreibt traditionelle Klassenpolitik für die Bourgeoisie. Das bedeutet. Steuerbegünstigungen für die Wirtschaft, Erhöhung von Massensteuern und Kürzung von Sozialleistungen. Via Industriellenvereinigung ließ die ÖVP bereits ausrichten, dass Pensions- und Gesundheitsreformen dringend notwendig seien, damit die Staatsschulden nicht explodieren.
Die Schwäche der Koalitionsparteien sollte der FPÖ zu neuer Stärke verhelfen. Doch in den Umfragen kann die Strache-Partei gegenüber der letzten Nationalratswahl nur leicht zulegen. Die Landtagswahl in Kärnten geriet zum größten Wahldebakel in der Parteigeschichte. Die Pleite des Landes Kärnten mit all ihren Skandalen kreideten die WählerInnen vor allem der FPÖ an. In der „Part of the Game“ Affäre bewies Landesparteichef Uwe Scheuch, dass auch die FPÖ keine Sauberpartei ist. Verluste bei den anderen Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol und Salzburg komplettieren das FPÖ Tief. Die Abwahl der auch bei der Bundespräsidentenwahl 2010 erfolglosen Barbara Rosenkranz und die Rücktrittsankündigung des dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf haben den rechten Flügel der Partei vergrämt.
Ungeachtet dessen setzt die FPÖ weiterhin auf das Ausländerthema. Mit den Unruhen in der Türkei hat sie indirekt neue Munition zur Diffamierung türkischer MigrantInnen erhalten. Dadurch leistet die FPÖ einen für die österreichische Bourgeoisie wertvollen Beitrag zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse und scharrt schon in den Startlöchern, um die Anfang des Jahrhunderts unter Schwarzblau betriebene „Speed kills“ Politik des massiven Sozialabbaus in Verbindung mit Versuchen, die ArbeiterInnenbewegung zu zerschlagen, fortsetzen zu können. Gemeinsam mit dem BZÖ und dem Team Stronach bildet die FPÖ kommunizierende Gefäße.
Das BZÖ betreibt trotz der politischen Entzauberung ihres Parteigründers nach wie vor intensive Jörg Haider Nostalgie. Doch die FPÖ Abspaltung traut kaum mehr jemand einen neuerlichen Nationalratseinzug zu. Selbst in der einstigen Hochburg Kärnten kam das BZÖ nur noch knapp in den Landtag. Nach dem Tod Jörg Haiders ist es auch kaum vermittelbar, warum die Wähler zum Schmiedl und nicht zum Schmied gehen sollen. Während eine vorsichtige Positionierung im liberalen Segment wenig glaubhaft wirkt, haben bereits etliche BZÖ PolitikerInnen das sinkende Schiff Richtung Team Stronach verlassen.
Das Team Stronach ist eine neue Partei im alten Gewand. Konkret werden teils Jahrzehnte alte Konzepte der FPÖ aufgegriffen. Damit konnten bei den Landtagswahlen 2013 im Schnitt 10 % eingefahren werden. Unter dem Stichwort Verwaltungsreform sollen in den nächsten fünf Jahren 25 % eingespart werden. Auf die Frage, wo dann die eingesparten 100.000 der derzeit insgesamt 400.000 öffentlich Bediensteten arbeiten sollten, wusste Stronach in der ORF Pressestunde keine konkrete Antwort. Ebenfalls eine uralte Idee Jörg Haiders ist die so genannte Demokratiereform. Weniger Nationalratsabgeordnete und Abschaffung des Bundesrats sind wahrhaft keine neuen Ideen. Wenigstens wird die Verflechtung von Politik und Wirtschaft offen eingeräumt, indem ein fliegender Wechsel vom Nationalrat in die Privatwirtschaft gefordert wird.
Zwischen diversen Phrasen wie „Der Arbeitnehmer ist unser wertvollstes Kapital“ (ja ja, wie sehr er sich doch dessen im wahrsten Sinne des Wortes bewusst ist) lässt sich handfeste Unternehmerpolitik heraus lesen: Senkung der Lohnnebenkosten (sprich: die ArbeiterInnen sollen sich gefälligst ihre Pensions- und Krankenversicherung selbst zahlen) sowie Reduktion der Körperschaftssteuer von 25 auf 12 % sind dabei die „Prunkstücke“. Von den 12 % Körperschaftssteuer sollen 10 % an die ArbeiterInnen der jeweiligen Unternehmen und 2 % für nicht näher definierte „soziale Zwecke der Gesellschaft“ verwendet werden. D. h. nichts anderes, als dass die Unternehmen statt 25 nur noch 2 % ihrer Gewinne an die Staatskassa abführen sollen. Nach welchem Schlüssel die restlichen 10 % an die ArbeiterInnen aufgeteilt werden sollen, wird im Parteiprogramm des „Team Stronach“ nicht enthüllt. Eine Realisierung dieser Steuerpolitik würde massiven Sozialabbau (Erhöhung des Pensionsantrittsalters wird ohnehin gefordert) und Erhöhung von Massensteuern (Lohnsteuer, Umsatzsteuer) nach sich ziehen.
Verkehrspolitisch wird eine weitgehende Privatisierung gefordert. Weiters wird eine Verschärfung der Asylpolitik und eine Zwei-Klassen-Medizin durch Privatisierungen im Gesundheitsbereich forciert. Last but not least soll der störende Einfluss der Gewerkschaften zurück gedrängt werden. Die Politik des Team Stronach ist nichts anderes als alter neoliberaler Wein in neuen Schläuchen ausgeschenkt von ehemaligen Parteisoldaten vor allem aus dem BZÖ, aber auch aus SPÖ und ÖVP.
Die Grünen nehmen eine Sonderstellung in der österreichischen Parteienlandschaft ein. Im Gegensatz zu SPÖ und KPÖ haben sie keine Wurzeln in der ArbeiterInnenbewegung. Obwohl die Grünen zahlreiche fortschrittliche Forderungen aufstellen (z. B. Vermögenssteuer, Asylgesetze), sind sie doch eine durch und durch bürgerliche Partei. In Wien, Oberösterreich, Salzburg und Kärnten haben sie mit Koalitionen mit SPÖ, ÖVP und sogar dem Team Stronach ihre politische Wandlungsfähigkeit bewiesen. Die Grünen haben von ihrer mangelnden Verwicklung in die zahlreichen Korruptions- und Finanzskandale der vergangenen Legislaturperiode deutlich profitiert und haben bei den Landtagswahlen 2013 als eine der wenigen Parteien Stimmenzuwächse verzeichnen können. Neben dem Team Stronach scheinen sie für viele Menschen die einzig wählbare Alternative zu sein. Weiters haben die Hochwasserkatastrophe vom Juni 2013, die Hitzewelle im Sommer 2013 als Auswirkungen der globalen Klimaveränderung sowie die Atomkatastrophe von Fukushima vom März 2011 den Grünen Auftrieb verliehen. Doch auch die Grünen sind weder in der Lage noch gewillt, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbei zu führen.
Das wird die Aufgabe einer revolutionären ArbeiterInnenpartei sein, die die ArbeiterInnen in einer sozialistischen Revolution zum Sturz der Borugeoisie anführt und mit dem Aufbau des Sozialismus beginnt.
In der konkreten Wahlsituation erkennen wir ein weit fortgeschrittenes Misstrauen weiter Teile der ArbeiterInnenklasse in das herrschende kapitalistische System und seine Parteien. Deshalb ist für das Ungültigwählen durchaus eine Möglichkeit, um die Ablehnung des bestehenden Systems zu zeigen, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, dass wir auf das Stimmrecht verzichten und demokratische Errungenschaften gleichgültig sind. Wir reichen jenen KollegInnen die Hand, die nach wie vor Illusionen in die Politik der traditionellen Parteien mit Wurzeln in der ArbeiterInnenklasse haben und daher SPÖ oder KPÖ wählen. Gleichzeitig warnen wir davor, dass die SPÖ einmal mehr die Interessen der ArbeiterInnen verraten wird. In Wien ist auch die Stimmabgabe für die SLP eine Option.
Die Wahl deklariert bürgerlicher Parteien lehnen wir kategorisch ab. Weiters unterstreichen wir, dass die Nationalratswahl 2013 wie alle bürgerlichen Wahlen unabhängig von ihrem Ausgang und der Farbschattierung der neuen Regierung nichts am Fortbestand der kapitalistischen Diktatur ändern wird.