Erklärung der GMI (frz. Sektion des CoReP) zu den Anschlägen in Paris

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Le Pen, Sarkozy, Hollande, Valls … Schnauze!

charlieEin fundamentalistisches Attentat gegen eine satirische und antiklerikale Zeitung

Am 7. Januar überfiel ein islamistisches Kommando die Redaktion der Wochenzeitung Charlie hebdo in Paris und ermordete die anwesenden Redaktionsmitglieder, unter ihnen die Zeichner Cabu, Charb, Honoré Tignous, Wolinski und den Wirtschaftsprofessor Bernard Maris („Onkel Bernard“). Sie exekutierten auch zwei weitere Mitarbeiter der Zeitung, Elsa Cayat und Frédéric Boisseau, sowie einen Besucher, Michel Renaud, den Korrektor Mustapha Ourrad und zwei Polizisten, die zum Schutz der Zeitung abgestellt waren, Frank Brinsolaro und Ahmed Merabet.

Die fanatischen Killer haben sich nicht „Frankreich“ oder die Presse im Allgemeinen als Ziel gewählt, wie so viele fromme Seelen jetzt den Jugendlichen und Arbeiterinnen und Arbeitern – die sofort mit vollem Recht auf der Straße gegen die Barbarei reagierten ­ einreden wollen. Sie haben weder den Generalstab der Armee , den Sitz eines Geheimdienstes (DGSE, DGSI …), noch die rassistische Wochenzeitung Minute, den Fernsehsender TF1 oder die Redaktion des Le Figaro, alles Medien, die eng mit den Kapitalisten und der französischen Armee verknüpft sind, angegriffen.

Tatsächlich haben die obskurantistischen Islamisten Künstler und einen Lehrer ermordet. Sie wählten bewusst ein verletzliches Ziel, eine Zeitung, die für alle französischsprachigen Menschen in der ganzen Welt eine Verkörperung des Antirassismus, des Antiklerikalismus und Antimilitarismus ist. Deshalb hat unsere zweimonatliche Zeitschrift Révolution Communiste vor kurzem Zeichnungen von Cabu, Charb und Honoré übernommen.

Dieses Attentat steht in der Tradition der Bücherverbrennungen der Nazis, der Francisten und Islamisten; der klerikalen Attentate gegen Arbeiter in New York, Paris, Madrid und London; des rassistischen Angriffes auf eine jüdische Schule in Toulouse und der Morde in einem jüdischen Museum in Belgien; der reaktionären Angriffe auf pakistanische, afghanische oder nigerianische Mädchenschulen.

Offensichtlich gut ausgebildet, haben diese Fanatiker wahrscheinlich in Verbindung mit den bürgerlichen und mafiösen Netzwerken von Al­Qaida oder Daesh (IS) gehandelt. In den Gegenden, die sie im Nahen Osten und Afrika kontrollieren, entführen die islamisch- faschistischen Banden Journalisten und Mitarbeiter humanitärer Organisationen, foltern und exekutieren sie, verteidigen das Privateigentum, verbieten Streiks und liquidieren die Arbeiterorganisationen, töten mehr Araber und Kurden als Soldaten der imperialistischen und zionistischen Armeen, unterdrücken gewaltsam Frauen, junge Menschen und Homosexuelle, verbieten jegliche künstlerische Tätigkeit und verfolgen Andersgläubige.

Wer Charlie hebdo mundtot machen wollte: Armee und Klerus, UMP und Front Nationale.

Im November 1970 wird die Wochenzeitung Hara­kiri, der „Vorgänger“ von Charlie hebdo (und Siné mensuel) von der UNR­Regierung (heute UMP) Pompidous verboten. Im Januar 1996 zerrt der Verteidigungsminister der Regierung RPR von Chirac (heute UMP) Charlie hebdo vor Gericht und gewinnt.

Im September 1995 klagt die Front­Nationale­Kandidatin zur Abgeordnetenkammer in Neuilly, Marie­Caroline Le Pen (älteste Tochter des Gründers der FN, einem Folterer während des Algerienkrieges), die Zeitschrift und gewinnt. Im Dezember 1995 klagt der FN­Bürgermeister von Toulon, Jean­Marie Le Chevallier, und verliert. Im April 1996 führt die FN­Wochenzeitung einen Prozess und verliert. Im November 1997 klagt FN­ Abgeordneter Le Chevallier neuerlich, da Charlie hebdo seine Verbindungen zum organisierten Verbrechen aufgedeckt hat, und verliert. Im Februar 1998 führt die FN­Bürgermeisterin von Vitrolles, Catherine Maigret, vier Prozesse gegen Charlie und verliert alle.

Fundamentalistische Katholiken (AGRIF) ergreifen mehrmals zwischen März 1994 und Juni 1998 rechtliche Schritte und verlieren die meisten Prozesse.

Der Französische Rat des muslimischen Glaubens (CFCM), die Große Moschee von Paris und die Union der Islamischen Organisationen Frankreichs UOIF (der Muslimbruderschaft nahestehend) klagen Charlie hebdo im Jahr 2006 zweimal, die Klagen werden aber abgewiesen. Im Jahr 2011 wird der Sitz der Zeitung angegriffen und in Brand gesteckt (die Urheber werden nie ausgeforscht).

Allein aus diesem Grund sind die Krokodilstränen, die von jenen, die Charlie hebdo schon immer zum Schweigen bringen wollten: Sarkozy (UMP) und Le Pen (FN), Ribadeau Dumas (Bischofskonferenz Frankreichs), Boubaker (CFCM) und Kotbi (UOIF) einfach zum Kotzen.

Der muslimische Fundamentalismus ist keine religiöse Überzeugung, sondern eine reaktionäre politische Bewegung. Er ist nicht die einzige, wie die Erklärung von Präsident Sarkozy belegt, der Priester als Lehrern überlegen bezeichnet; oder die homophoben Demonstrationen, die von der katholischen Kirche, faschistischen Gruppen, der UMP und der UDI unterstützt werden; Druck auf kritische Künstler; Drohungen von fundamentalistischen Christen gegen Ärzte, die Abtreibungen durchführen; fremdenfeindliche Kampagnen der UMP und der FN …

Die größten Terroristen sind die imperialistischen Staaten

Dschihadismus ist nicht die einzige faschistische Strömung, wie die Ermordung eines militanten Antifaschisten durch eine Nazigruppe in Frankreich, die Morde an Türken durch eine Nazi­Bande (NSU) in Deutschland, das Massaker an jungen Sozialisten durch einen Nazi in Norwegen, das Niederprügeln von Migrantinnen und Migranten und die Ermordung eines Sängers durch das Goldene Morgengrauen in Griechenland zeigen; und so weiter …

Der Islamismus ist ein Produkt der Zersetzung des Kapitalismus: er wurde von den Geheimdiensten der USA, Pakistans, der Türkei und Israels angeheizt; er wird von den Monarchien der Golfstaaten, Verbündeten der USA, finanziert; durch seinen Handel mit Drogen, Öl, Waffen ist er in den Weltkapitalismus eingebunden … Er findet in den vom Imperialismus dominierten Ländern, aber auch unter den arabischen und muslimischen Minderheiten der beherrschenden Länder ein Echo, indem er sich irreführender Weise einen antiimperialistischen und antizionistischen Anstrich gibt. Dies ist deshalb möglich, weil imperialistische Staaten wie Frankreich in ihrem Inneren ethnische Minderheiten (Schwarze und Latinos in Nordamerika, Araber, Türken, Pakistanis, Roma … in Europa) diskriminieren. Sie unterstützen die zionistische Kolonisierung Palästinas; schützen ihre kapitalistischen Konzerne, die außerhalb ihrer Grenzen die menschliche Arbeitskraft ausbeuten; greifen auf der ganzen Welt diplomatisch, politisch und militärisch ein, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten mittels der Unterstützung despotischer Regimes, Staatsstreiche, Militärinterventionen und Drohnen; morden und foltern jene, die es wagen, ihre Herrschaft heraus zu fordern …

Gegen die nationale Einheit mit der imperialistischen Regierung, die fremdenfeindlichen Parteien und den obskurantistischen Klerus!

Nationale Einheit, ob gegen den Kaiser im August 1914 oder gegen die Dschihadisten im Januar 2015, ist immer Betrug am Proletariat und der Jugend zu Gunsten der herrschenden Klasse. Im Namen der nationalen Einheit empfängt der Präsident und Armeechef Hollande Sarkozy, Bayrou und Le Pen im Elysée. Die „patriotische Sammlung“, die die Hollande­Valls-Regierung preist, wird zu nichts anderem führen als der politischen Stärkung der sich faschisierenden Partei FN und der offen faschistischen Gruppen, der verallgemeinerten Bespitzelung der ganzen Bevölkerung, der Einschränkung der demokratischen Freiheiten, der Aufblähung des staatlichen Repressionsapparats (Geheimdienste, Armee, Nationale Polizei …). Dieser Apparat erweist sich gegenüber dem Terrorismus machtlos, stellt aber eine Bedrohung für Streiks, soziale Kämpfe und die sozialen Revolutionen im In­ und Ausland dar. Die GIPN (Groupes d’Intervention de la Police Nationale) wurde bereits gegen streikende Postbedienstete eingesetzt, die GIGN (Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale) hat gegen streikende Seeleute interveniert.

Die Journalisten– und Druckergewerkschaften müssen Charlie hebdo ihre volle Unterstützung gewähren, damit die Zeitung weiterleben kann. Alle Organisationen, die aus der Arbeiterbewegung heraus entstanden sind – Parteien ebenso wie Gewerkschaften ­müssen die Nationale Einheit aufkündigen, mit der Bourgeoisie, all ihren Parteien, dem Staat und der Regierung in ihren Diensten brechen.

Die Arbeiter dieses Landes, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion oder Konfessionslosigkeit, müssen sich zusammenschließen, um die demokratischen Freiheiten zu verteidigen, beginnend mit der Pressefreiheit und der Beseitigung jeder Zensur. Sie müssen alle faschistischen Aktionen und auch die fremdenfeindlichen und islamfeindlichen Kampagnen der bürgerlichen „republikanischen“ Parteien wie der UMP oder der faschisierenden FN bekämpfen, ebenso wie die militärischen Interventionen des französischen Imperialismus und die Jagd auf Einwanderer durch die PS­PRG­Regierung. Um den Faschismus in all seinen Formen dauerhaft zu beseitigen, müssen wir den Kapitalismus in diesem Land und in der ganzen Welt mit Hilfe der Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder beseitigen.

  • Ehren wir das Andenken von Cabu, Charb, Honore Tignous, Wolinski!
  • Hände weg von den Arabern und den islamischen Kultstätten!
  • Keine Einschränkung der demokratischen Freiheiten!
  • Arbeitereinheit gegen alle Rassisten und Faschisten, gegen den Polizeistaat und die imperialistischen Armee!

 

Abkürzungen:
DGSE Direction Générale de la Sécurité Extérieure: Generaldirektion für äußere Sicherheit, fr. Auslandsnachrichtendienst
DGSI Direction Générale de la Sécurité Intérieure: Generaldirektion für innere Sicherheit, fr. Inlandsnachrichtendienst
TF1  Télévision Française 1: größter fr. Fernsehsender
IS Islamischer Staat, im englischen auch als Daesh bekannt
UMP Union pour un Mouvement Populaire: Union für eine Volksbewegung
UNR Union pour la Nouvelle République: Union für eine neue Republique (Charlesde
RPR Rassemblement Pour la République: Zusammenschluss für die Republik
FN Front Nationale: Nationale Front
AGRIF Alliance Générale contre le Racisme et pour le Respect de l’Identité Française et chretiénne: Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für den Respekt der fr. und christlichen Identität
CFCM Conseil Français du Culte Musulman: Fr. Rat der Muslime
UOIF Union des organisations islamiques de France: Union der islamischen Organisationen Frankreichs ( Nähe zu den Muslimbrüdern)
NSU Nationalsozialistischer Untergrund
GIPN Groupes d’Intervention de la Police Nationale: Eingreiftruppe der nationalen Polizei
GIGN Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale: Eingreiftruppe der nationalen Gendarmerie
PS­PRG Parti Socialiste – Parti Radical de Gauche: Sozialistische Partei – Radikale Linkspartei (Regierungskoalition in F)

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